Hamburg. Hamburg bekommt einen Nachfolger für Frank Horch. Die Forderungen von Wirtschaft und Gewerkschaften – eine Abendblatt-Umfrage.
Die Suche nach einem neuen Wirtschaftssenator ist nach dem überraschend angekündigten Rücktritt von Frank Horch in vollem Gange. Immer mehr Unterstützung bekommt dabei Ex-Bahn-Chef Rüdiger Grube. Nach Abendblatt-Informationen wird diese Personalie nicht nur in der SPD-Fraktion der Bürgerschaft positiv diskutiert, auch aus Gewerkschaftskreisen heißt es, dass man sich den 67-jährigen gebürtigen Hamburger gut als Senator vorstellen könne. Entschieden ist allerdings noch nichts. Fest steht nur, dass möglichst schnell – in den kommenden zwei Wochen – eine Entscheidung fallen soll. Unabhängig von der Person stellt sich inhaltlich die Frage: Was muss der künftige Wirtschaftssenator vorrangig anpacken? Das Abendblatt hakte bei sechs prominenten Vertretern aus Wirtschaft und Gewerkschaften nach.
Brigitte Nolte, Chefin des Handelsverbands Nord: Hamburg sollte endlich einen Masterplan Einzelhandel auf den Weg bringen. Dabei müssen alle wichtigen Branchenvertreter an einen Tisch geholt werden. Es müsste eine Bestandsaufnahme geben, um dann mit Blick auf den Wandel in unserer Branche geeignete Maßnahmen zu finden, die sicherstellen, dass die mittelständischen Einzelhändler weiter ihre Chance am Markt haben. Ich denke, dass der Strukturwandel und dessen massive Auswirkungen auf den Einzelhandel nicht ausreichend erkannt werden. Die Stadt muss dafür sorgen, dass die Innenstadt für Kunden noch attraktiver wird, zum Beispiel durch eine Neugestaltung der Mönckebergstraße. Dabei dürfen die Kosten nicht weiter bei den Anliegern hängen bleiben – hier ist die Stadt gefordert. Zudem dürfen nicht unbegrenzt neue Einzelhandelsflächen geschaffen werden, weil sich die Händler sonst selbst kannibalisieren. Und die Stadt muss die Stadtteile als Einzelhandelsstandorte stärken.
Tobias Bergmann, Präses der Hamburger Handelskammer: Der neue Wirtschaftssenator muss die Rahmenbedingen dafür schaffen, dass aus einer starken Wirtschaft auch eine dynamische und zukunftsfähige wird. Hamburgs Wirtschaft wächst langsam – im Vergleich mit anderen Metropolen vielleicht zu langsam. Dazu muss er beispielsweise Digitalisierung verstehen. Die Digitalisierung verändert alles: Geschäftsmodelle, Verkehrsinfrastruktur und Hafen. Wir müssen die Chancen ergreifen, die damit für den Standort verbunden sind. Der Senator muss zudem die Entbürokratisierung entschieden vorantreiben. Für die Unternehmen ist Bürokratie ein erheblicher Kostenfaktor und spielt auch für Neuansiedelungen eine große Rolle. Schließlich muss er ein Konzept für den Hafen vorlegen und umsetzen. Wir brauchen bei allen Themen sichtbare Erfolge. Übrigens wäre ich positiv überrascht, wenn der Bürgermeister erstmals eine Wirtschaftssenatorin benennen würde. Ich finde, das würde Hamburg gut zu Gesicht stehen.
Katja Karger, DGB-Chefin Hamburg: Ich habe vier Wünsche an den neuen Wirtschaftssenator. Erstens brauchen wir für Hamburg ein vernünftiges Verkehrskonzept, welches dafür sorgt, dass Pendler schnell und kostengünstig zum Arbeitsplatz und wieder nach Hause kommen. Zweitens benötigen wir eine schlüssige Hafenstrategie, die für Arbeitsplätze und nachhaltiges Wachstum sorgt. Drittens sollte die Wirtschaftsförderung der Stadt stärker nach ökologischen und sozialen Kriterien erfolgen. Und viertens muss Hamburg bei der Auswahl der Unternehmensansiedelungen stärker auf gute Arbeitsbedingungen und eine ordentliche Bezahlung achten.
Gunther Bonz, Präsident des Unternehmensverbands Hafen Hamburg: Die flächendeckenden Staus in Hamburg müssen aufhören. Wir benötigen ein zeitlich gestuftes Sanierungs-, Instandsetzungs- und Ausbaukonzept von hafenspezifischer, städtischer und überregionaler Infrastruktur. Dazu gehört eine bessere Baustellenkoordinierung zwischen dem Landesbetrieb für Straßen, Brücken und Gewässer (LSBG), den Bezirken, der Hamburg Port Authority sowie in der gesamten Metropolregion. Die Genehmigung von Großraum- und Schwertransporten geschieht noch viel zu langsam. Zur Beschleunigung könnte der neue Senator eine zentrale Koordinierungsstelle für Schwertransporte schaffen, mit der Hamburg in Deutschland eine Vorreiterrolle übernimmt. Natürlich muss die Fahrrinnenanpassung der Elbe unverzüglich umgesetzt werden. Damit der Hafenschlick die Schifffahrt nicht mehr behindert, braucht Hamburg ein zukunftsfähiges Baggergut- und Entsorgungskonzept. Wir fordern zudem eine Absenkung der finanziellen Belastung der maritimen Wirtschaft durch Miet- und Pachtkonditionen, Gebühren- und Entgeltsysteme im Hamburger Hafen. Der neue Senator soll sich dazu an den Wettbewerbshäfen Rotterdam und Antwerpen orientieren. Schließlich muss sich der neue Senator für eine Verbesserung der ordnungspolitischen Rahmenbedingungen in Hamburg einsetzen. Eine weitere Herausnahme von Flächen aus dem Hafengebiet darf es nicht geben.
Henning Vöpel, Direktor des Wirtschaftsforschungsinstituts HWWI: Der neue Wirtschaftssenator muss mit Blick auf den Strukturwandel die Geschwindigkeit beim Umbau der Hamburger Wirtschaft deutlich erhöhen. Dabei ist die Elbvertiefung notwendig, aber nicht ausreichend. Diese Maßnahme muss zwingend mit einer hochtechnologischen Transformation des Hafens einhergehen. Denn wir dürfen den Hafen nicht länger nur als Umschlagplatz für Waren verstehen. Hamburg braucht zudem dringend eine schlüssige Strategie für Künstliche Intelligenz, denn das ist einer der wichtigsten Zukunftsbereiche.
Volker Tschirch, Hauptgeschäftsführer des Groß- und Außenhandelsverbands (AGA): Wir setzen beim neuen Wirtschaftssenator auf inhaltliche Kontinuität. Er sollte erstens, die hohen Infrastruktur-Investitionen fortsetzen und dabei die Koordination der Baustellen weiter verbessern. Zweitens: Bei der Digitalisierung muss die Metropolregion Tempo machen und zu einem Vorreiter in Europa werden. Drittens: Unser Handel bildet die Grundlage des Wohlstands in Hamburg. Nur durch eine internationale Ausrichtung – mit Hafen, Flughafen und einer weltoffenen Haltung – können wir unseren Platz in einer globalisierten Handelswelt verteidigen. Dazu gehört für uns auch, dass sich der neue Senator für mehr internationale Flugverbindungen ab Fuhlsbüttel einsetzt. Hamburg darf sich wirtschaftlich nicht in einem lokalen Kleinklein verlieren.