Hamburg. Firmen in der Region überraschen mit neuen Produkten und Diensten. Heute: Die Rückkehr einer Traditionsmarke.
Prall gefüllte Jutesäcke liegen in den Hochregalen des Lagers. Auf den Etiketten stehen verheißungsvolle Namen wie India Cherry, Columbia Excelso, Äthiopia Sidamo oder Santos II. Einige Schritte weiter in dem Gewerbebau in Kaltenkirchen Süd verrät die Nase, was sich hinter diesen Bezeichnungen verbirgt: Der Geruch von frisch geröstetem Kaffee zieht durch die Halle. Und hinter der nächsten Tür werden dunkle Espressobohnen in Ein-Kilo-Tüten gefüllt.
Welcher Markenname auf der Packung steht, gehört zu den gut gehüteten Geheimnissen der Max Meyer und Max Horn GmbH. „Wir sind da im Interesse hanseatisch zurückhaltend“, sagt Teilhaber und Geschäftsführer Christian Horn. Diskretion ist Teil des Geschäftsmodells einer Lohnrösterei, die Rohkaffee ausschließlich im Auftrag anderer Unternehmen veredelt, mahlt, verpackt und versendet. In diesem Fall fast ausschließlich. Denn Meyer und Horn hat auch eine eigene Marke. Sie trägt einen Namen, bei dem die meisten Menschen weit über Hamburg hinaus erst einmal an etwas ganz anderes denken: Hagenbeck-Kaffee.
Marke existiert bereits seit fast 90 Jahren
Es ist eine Traditionsmarke, die bereits seit fast 90 Jahren existiert. Neu ist, dass Verbraucher sie wieder im Supermarktregal finden. Nachdem Hagenbeck-Kaffee mehrere Jahrzehnte lang aus dem Handel so gut wie verschwunden war, ist er jetzt wieder da. Edeka, Rewe, Sky, Famila – mehr als 400 Märkte zwischen der dänischen Grenze und Göttingen haben die Tüten mit dem stilisierten Tigerkopf seit einigen Monaten im Sortiment.
Es ist die jüngste Wendung in der an Wendungen reichen Geschichte von Marke und Unternehmen. Viele Jahrzehnte kam Hagenbeck-Kaffee tatsächlich aus einem Unternehmen des Tierpark-Gründers Carl Hagenbeck. Der holte nicht allein exotische Tiere, sondern auch Tee in die Hansestadt, seit den 1930er-Jahren dann auch Kaffee. Vor 50 Jahren übernahm das Handelshaus Meyer und Horn, das schon seit den 1920ern in der Hansestadt Kaffee verarbeitete, Hagenbeck-Kaffee. Die Marke, die Kunden, die Rösterei in Bramfeld. An der allerdings hatte der neue Besitzer nicht lange Freude. „Wenige Tage nach dem Kauf brannte die Rösterei ab“, weiß Geschäftsführerin Cornelia Meyer. Gemeinsam mit Christian Horn führt sie das Unternehmen in dritter Generation.
Projekt nahm Fahrt auf
Noch bis Mitte der 1980er-Jahre betrieb Meyer und Horn seine Rösterei in St. Georg, dann zog der Betrieb um nach Kaltenkirchen (Kreis Segeberg) und 2014 innerhalb der Stadt in ein neues und größeres Gebäude. Das Geschäft mit der Lohnröstung ist einträglich. Gut 60 Mitarbeiter erwirtschaften etwa zwölf Millionen Euro Umsatz pro Jahr. „Wir stehen ganz gut da“, sagt Christian Horn. Was bedeutet: Auch mit der Höhe des Gewinns sind die Inhaber zufrieden.
Die eigene Marke Hagenbeck aber dümpelte in all den Jahren so dahin. Es gab sie, ausgeliefert wurden pro Jahr aber nur wenige Tausend Kilo an Gastronomen, an Firmen und an einige Geschäfte. „Die Idee war aber immer, dass wir nach dem Umzug in die neue Rösterei unsere eigene Marke voranbringen“, sagt Horn. Und Cornelia Meyer sagt: „Schließlich haben wir ein Qualitätsprodukt zu einem vernünftigen Preis – und eine gute Geschichte zu erzählen.“
So richtig in Fahrt kam das Projekt „Hagenbeck-Kaffee zurück in den Handel“ aber erst, nachdem eine Hamburger Werbeagentur angeboten hatte, die Verpackung neu zu designen – und den Auftrag bekam. Das Ergebnis ist vielleicht ein bisschen wild für einen Premium-Kaffee, fällt aber in jedem Fall sofort auf. „Wenn alle sieben Sorten nebeneinander im Regal stehen, sieht das schon sehr eindrucksvoll aus“, findet Cornelia Meyer.
„Zartes Pflänzchen“
Und auch bei den Supermarktketten, die versuchen, sich mit neuen Premiummarken von den Discountern abzusetzen, kommt Hagenbeck-Kaffee offenbar gut an. Zumal Studien zeigen, dass knapp ein Drittel der Kaffeekäufer zugreift, weil ihnen das Produkt im Regal auffällt.
Bio oder Fairtrade ist der Hagenbeck-Kaffee nicht – obwohl der Lohnröster Meyer und Horn ein Spezialist für beides ist. Aber auch da nimmt das Unternehmen Rücksicht auf seine Kunden. Man wolle ihnen keine Konkurrenz machen, heißt es. 8000 Kilo Hagenbeck-Kaffee haben die Kaltenkirchener 2017 abgesetzt. Für dieses Jahr kalkulieren sie mit 20.000 Kilo. „Für Jacobs wäre das nichts“, sagt Christian Horn, „für uns ist es ein zartes Pflänzchen, das wir weiter hegen und pflegen wollen. Und vielleicht verkaufen wir nächstes Jahr schon 40.000 Kilo davon.“
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