Hamburg. Frank Horch verlässt die Regierung, will sich um seine kranke Frau kümmern. Übernimmt nun Ex-Bahn-Chef Rüdiger Grube den Posten?
Wirtschaftssenator Frank Horch, ist für seine laute, kraftvolle Aussprache bekannt. Aber als er am Donnerstag im Rathaus vor dem Senatsgehege mit ernstem Gesicht eine Erklärung verlas, rutschte ihm kurz die Stimme weg – in dem Moment, als er verkündete, dass seine familiären Verpflichtungen mit seinem Amt nicht mehr vereinbar seien.
Und dann kündigte Horch seinen Rücktritt als Wirtschaftssenator an. Nach siebeneinhalb Jahren. „Der Spagat zwischen familiärer Verpflichtung und Beruf ist inzwischen so intensiv, dass es für mich nicht mehr leistbar sein wird. Es ist eine ausschließlich persönliche Entscheidung, die mir gewiss nicht leicht gefallen ist, die aber genauso unumkehrbar ist.“ Er stehe weiter zur Verfügung bis ein Nachfolger gefunden ist, spätestens zum Jahresende sei aber Schluss, sagte Horch.
Seit Monaten gab es Spekulationen
Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD), der mit ebenso ernster Miene daneben stand, dankte Horch im Namen des gesamten Senats für seinen Einsatz zum Wohle der Stadt. Einen Nachfolger präsentierte er aber nicht. Obgleich er bereits seit Montag von Horchs Entscheidung wusste.
Leitartikel: Gelungenes Experiment
Obwohl es seit Monaten Spekulationen gab, kam für viele der Zeitpunkt dann doch sehr überraschend – offenbar auch für den Senatschef selbst. Noch bevor Wirtschaftssenator und Bürgermeister ihre beiden Erklärungen zu Ende verlesen hatten, schossen deshalb die Spekulationen über Horchs Nachfolge ins Kraut.
Zwei Namen, die in der Vergangenheit mehrfach als mögliche Nachfolger genannt worden waren, fielen gleich aus: Sowohl der hafenpolitische Sprecher der SPD-Bürgerschaftsfraktion und Vorsitzende des wichtigen Ausschusses für öffentliche Unternehmen, Joachim Seeler, wie auch Schleswig-Holsteins ehemaliger SPD-Wirtschaftsminister Reinhard Meyer, erklärten, dass sie nicht zur Verfügung stünden.
Anders ist die Reaktion des ehemaligen Vorstandschefs der Deutschen Bahn, Rüdiger Grube, der von Fraktionsmitgliedern der SPD ins Spiel gebracht wurde. Vom Abendblatt befragt, sagte er: „Was soll ich dazu sagen, ich äußere mich nicht.“ Ein klares Dementi klingt anders. Grube ist kein SPD-Mitglied. „Aber das kennen wir ja schon von Frank Horch“, hieß es aus Fraktionskreisen. Was für Grube spricht: Der Ex-Bahnchef ist Hamburger, seine Eltern waren Obstbauern in Moorburg. Der weit gereiste Grube hat den Kontakt in seine Heimatstadt nie abreißen lassen.
Auch Name Westhagemann wird gehandelt
So gehörte er dem Aufsichtsrat der Hafenverwaltung Hamburg Port Authority an und kennt damit den Hafen sehr genau. Als ehemaliger DASA-Manager ist er mit dem Airbus-Werk in Finkenwerder vertraut. Zurzeit ist er zudem Aufsichtsratschef des größten Hamburger Hafenunternehmens HHLA. Einziger Nachteil: Grube ist bereits 67 Jahre alt. Ein wirklicher Neuanfang im Wirtschaftsressort der Stadt wäre das nicht.
Auch der Name Michael Westhagemann wird hoch gehandelt. Der ehemalige Siemens-Manager und langjährige Chef des Industrieverbands ist nach Informationen des Abendblatts aus der SPD zumindest angesprochen worden, ob er sich vorstellen könne, die Wirtschaftsbehörde zu führen. Zum Abendblatt sagte er nur: „Kein Kommentar.“
Das richtige Geschlecht fehlt
Schließlich werden dem Bezirksamtschef von Hamburg-Mitte, Falko Droßmann (SPD) Ambitionen auf den Posten des Wirtschaftssenators nachgesagt. Droßmann ist in Teilen der Fraktion durchaus gut gelitten und hat einen mächtigen SPD-Verband hinter sich, dem der einflussreiche Bundestagsabgeordnete Johannes Kahrs vorsteht.
Doch alle gehandelten Personen haben einen großen Nachteil: Ihnen fehlt das richtige Geschlecht. Denn eigentlich hat die SPD ja das Ziel, die Hälfte der Senatorenposten mit Frauen zu besetzen. Davon ist man aber weit entfernt. Nur vier der insgesamt zwölf Fachbehörden werden derzeit von Frauen geführt.
Massive Kritik
Schon als Carsten Brosda die verstorbene Kultursenatorin Barbara Kisseler ersetzte, gab es deshalb massive Kritik. Jetzt könnte Tschentscher sich gezwungen sehen, den Posten des Wirtschaftssenators mit einer Frau zu besetzen, um das Verhältnis von Frauen zu Männern zumindest anzugleichen. Eine Festlegung darauf, dass eine Frau Horchs Nachfolgerin werden muss, gebe es aber nicht, heißt es aus Senatskreisen.
Dass ein Mitglied der SPD-Fraktion in der Bürgerschaft in den Senat aufrückt, gilt selbst unter den Abgeordneten als eher unwahrscheinlich. Über die Nachfolge solle zügig, aber ohne Zeitdruck entschieden werden. Aus dem Rathaus selbst hört man zu all diesem nichts, außer: „Wenn wir einem Namen hätten, dann hätten wir diesen heute auch präsentiert.“
Horch selbst ficht das nicht mehr an. Er geht, weil er mehr Zeit mit seiner erkrankten Frau Margret (80) verbringen möchte, deren Gesundheitszustand sich in den vergangenen Monaten noch einmal stark verschlechtert hat.
Richtigen Zeitpunkt gewählt
Abgesehen von der Erkrankung seiner Frau, hat Horch politischen Beobachtern zufolge den richtigen Zeitpunkt gewählt, seinen Abschied zu nehmen. Mit dem erteilten Baurecht für die Elbvertiefung hatte er vor wenigen Wochen sein wichtigstes politisches Ziel erreicht. „Ich denke, es ist viel passiert in den vergangenen Jahren, sodass ich ein gut bestelltes Feld hinterlassen kann, auf das sich bauen lässt“, so der Senator zum Abschied.
Horch ist elf Jahre lang in Hamburg in öffentlichen Ämtern tätig gewesen. 2007 war der damalige Chef der Harburg-Freudenberger Maschinenbau GmbH zum Vorsitzenden des Industrieverbands Hamburg (IVH) gewählt worden, mit dem Ziel dem damals krisengeschüttelten Verband neu auszurichten.
Nur ein Jahr später wurde er zum Präses der Handelskammer ernannt, bevor er Anfang 2011 vom damaligen Bürgermeisterkandidaten der SPD, Olaf Scholz als künftiger Wirtschaftssenator vorgestellt wurde. Ein Coup, mit dem Scholz einen Großteil der eigentlich der CDU näherstehenden Wirtschaft für sich gewinnen konnte und bei der Bürgerschaftswahl die absolute Mehrheit erreichte. „Der Standort Hamburg liegt mir ungemein am Herzen“ sagte Horch am Donnerstag – bevor er ging.