Hamburg. Hamburger Unternehmen Turbopass erleichtert Touristen die Reise. Ihr Produkt ist Fahr- und Eintrittskarte zugleich.

München ist neu. Gerade mal seit einer Woche im Programm. Auf dem Schreibtisch von Hinnerk Rott (41) steht ein Karton voll mit Flyern. „München Card & City Pass“ steht darauf. Daneben liegt ein Stapel Broschüren vom Hamburg City Pass. Und vom Rome City Pass. 13 Städte und Regionen sind es insgesamt: London, New York, Paris, Berlin, Florenz, Athen, Barcelona, Venedig sowie Mallorca und Dubai.

Manchmal können es Rott und sein Geschäftspartner Martin Bleich (35) selbst kaum glauben, wie rasant ihr Unternehmen gewachsen ist. Nachdem sie 2013 die Idee hatten, City-Pässe für Touristen zu vertreiben, und dafür die Turbopass GmbH gründeten, saßen sie in den ersten Monaten zu zweit im Büro und hatten gerade mal einen Städte-Pass im Angebot. Für Hamburg. Doch den wollte erst einmal niemand kaufen.

Führender Anbieter

Heute, fünf Jahre später, gehört Turbopass zu einem der führenden Anbieter von City-Pässen. Aus dem Start-up ist ein mittelständisches Unternehmen mit 20 Mitarbeitern geworden, das seit der Gründung mehrere Hunderttausend Tagespässe verkauft hat. Unter dem Motto „Freier Eintritt & freie Fahrt“ vertreiben die Hanseaten verschiedene City-Pässe, mit denen Touristen in der jeweiligen Stadt kostenlos oder ermäßigt Sehenswürdigkeiten besuchen und den öffentlichen Nahverkehr gratis nutzen können.

Was heute aus der Tourismusszene kaum noch wegzudenken ist, galt vor einem halben Jahrzehnt noch als exotisch – und einmalig. „In New York und London gab es zwar bereits City-Pässe – die waren aber nicht digital. Als wir diese für Hamburg eingeführt haben, waren wir damit weltweit Vorreiter“, sagt Bleich, der die Idee zu Turbopass hatte. So wie 100 weitere Ideen zur Gründung eines Unternehmens. „Nachdem ich jahrelang in einem internationalen Großkonzern gearbeitet hatte, wollte ich gern etwas Eigenes machen“, sagt Bleich und erzählt, wie er mögliche Geschäftsmodelle entwickelt und analysiert hat – bis er schließlich 100 Mini-Businesspläne aufgestellt hatte.

Begeisterung hat ihn gepackt

Dass die Entscheidung letztendlich auf die Städte-Pässe fiel, liegt an Rott, den Bleich während seiner Tätigkeit als Finanzberater kennengelernt hatte. Rott, der damals mit Anfang 30 bereits einige Firmen gegründet und wieder verkauft hatte sowie aktuell noch betrieb, war sofort Feuer und Flamme von der Idee, den ersten digitalen Städte-Pass zu entwickeln und zu vertreiben. Auch wenn er zunächst nur passiv mitwirken wollte. Sich eher als Geldgeber und Berater verstand und nicht als Macher. Allerdings hielt diese Zurückhaltung nicht lange.

Nur drei Wochen. „Die Begeisterung für das Produkt hat mich einfach gepackt, und ich musste selbst aktiv werden, um Turbopass voranzutreiben“, sagt Rott und erzählt, wie sie wochenlang nur telefoniert haben. Mit dem Tourismusverband und dem Verkehrsverbund, Barkassenunternehmen und Museen. „Da es so einen digitalen Pass, wie wir ihn entwickelt haben, damals noch nicht gab, konnten sich viele darunter erst einmal nichts vorstellen – und waren entsprechend skeptisch“, erinnert sich Bleich.

Wie eine elektronische Bordkarte

„Heute kann man jedem erklären, dass der City-Pass wie eine elektronische Bordkarte funktioniert – doch vor fünf Jahren war das alles noch Neuland.“ Dabei sei das Prinzip simpel: Der Kunde kauft über das Internet – oder in einigen Städten an speziellen Automaten oder Verkaufsstellen – einen City-Pass mit einem speziellen QR-Code. Diesen kann er sich entweder Ausdrucken oder mobil auf sein Handy laden und dann als Eintrittskarte bei den verschiedenen Sehenswürdigkeiten vorzeigen.

Mit einem speziellen Scanner, den Turbopass entwickelt hat und den teilnehmenden Unternehmen zur Verfügung stellt, wird der City-Pass des Touristen gescannt. „Damit wird sichergestellt, dass jede Attraktion nur einmal genutzt wird und der Pass nicht von einem Nutzer an den anderen weitergegeben wird – und die Unternehmen am Ende ihr Geld enthalten“, sagt Rott. Denn für jeden Touristen, der mit einem City-Pass eine Sehenswürdigkeit besucht, bekommt der jeweilige Anbieter am Ende des Monats Geld von Turbopass.

Zunehmende Verbreitung

Experten bewerten die zunehmende Verbreitung von Städte-Pässen positiv. „Touristen haben es dadurch wesentlich leichter, da sie sich nicht mit den komplizierten Tarifen im öffentlichen Nahverkehr auseinandersetzen müssen und durch das breite Angebot von Sehenswürdigkeiten viel von einer Stadt erleben können“, sagt Anja Brittner-Widmann, Professorin für Destinations- und Kurortemanagement an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg in Ravensburg.

Viele oftmals kleine Attraktionen profitierten zudem von den Karten, da sie sonst aufgrund ihrer geringen Größe und des geringen Bekanntheitsgrades womöglich gar nicht besucht worden wären. Ob und wann sich der Kauf eines Städte-Passes lohnt, müsse jedoch jeder Tourist für sich selbst ausrechnen.

Weiterer Vorteil

Die Preiskalkulation war auch für Turbopass eine der größten Herausforderungen – neben der technischen Entwicklung ihres Systems. „Wir mussten die Preise für die Pässe so ansetzen, dass der Kauf sich für die Kunden lohnt und sie damit Geld sparen – wir gleichzeitig aber den Anbietern einen angemessenen Betrag bezahlen können und selbst dabei verdienen“, sagt Rott.

Ein Beispiel: Der Hamburg City-Pass kostet einen Erwachsenen für einen Tag 39,90 Euro, für zwei Tage 64,90 Euro und für fünf Tage 109,90 Euro. Dafür kann der Besitzer kostenlos die öffentlichen Verkehrsmittel nutzen und hat freien Eintritt in einige Dutzend diverse Attraktionen und Museen. Ein weiterer Vorteil, so die Gründer: Bei vielen Attraktionen müsse man sich nicht lange für den Kauf von Tickets anstellen, sondern könne mit dem City-Pass direkt zum Eingang gehen.

Acht Millionen Euro Jahresumsatz

Außer den City-Pässen bietet das Hamburger Unternehmen auch sogenannte City Cards an, mit denen man ebenfalls die öffentlichen Nahverkehrsmittel kostenlos nutzen kann – und statt freiem nur ermäßigten Eintritt bei Sehenswürdigkeiten bekommt.

Das Geschäftsmodell geht auf: Turbopass machte zuletzt acht Millionen Euro Jahresumsatz und verkauft alleine von dem Hamburg-Pass mehrere 10.000 Exemplare im Jahr. Und die Zeichen stehen weiter auf Wachstum. Denn inzwischen bekommen die Hanseaten aus der ganzen Welt Anfragen von Unternehmen, die ihre Technologie nutzen wollen. Zum Beispiel bekundete die Stadt Jerusalem jüngst Interesse.

Tüfteln am Ticketing

Derzeit tüfteln die Entwickler von Turbopass an dem Ticketing. „Bei vielen Attraktionen und Sehenswürdigkeiten kann man online noch keine Tickets kaufen. Da es für die einzelnen Anbieter jedoch zu teuer und aufwendig wäre, ein eigenes System dafür zu entwickeln, wollen wir unsere Technik dafür zur Verfügung stellen“, sagt Bleich. Ein entsprechendes Pilotprojekt läuft bereits. In der Stadt, in der alles angefangen hat: in Hamburg.