Hamburg. Senat will ausländischen Reedereien Beteiligungen an Umschlagplätzen einräumen. Doch er stößt auf erheblichen Widerstand.
Die Angst geht um im Hamburger Hafen. „Terminalbeteiligung“ heißt das Gespenst, das vor allem bei Hafenarbeitern wie ein Fluch der Karibik klingt. Terminalbeteiligung? Gemeint ist die wirtschaftspolitische Idee, den Hafen für ausländische Investoren zu öffnen und insbesondere Reedereien die finanzielle Beteiligung an den Umschlagterminals im Hafen einzuräumen. „Das ist kein Fluch der Karibik, sondern die Chance, dem Hamburger Hafen wieder zu alter Stärke zu verhelfen“, sagen Schiffsmakler, Reeder und inzwischen auch maßgebliche Politiker.
Das Thema ist seit dem Besuch von Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) in der Partnerstadt Marseille vor wenigen Wochen virulent. Mit dem Vorstandschef der französischen Reederei CMA CGM, Rodolphe Saadé plauschte Hamburgs Oberhaupt über die enge Verbundenheit des Unternehmens mit dem Hamburger Hafen, dessen größter Einzelkunde es ist.
Unruhe im Hafen
Dann kam Saadé zur Sache und sagte, was er will: eine Terminalbeteiligung. Was da genau besprochen wurde, weiß man nicht, weil keine Öffentlichkeit bei dem vertraulichen Gespräch zugelassen war, von dem das Büro des Bürgermeisters nur wenige Bilder veröffentlicht hat. Bürgermeister Tschentscher soll aber das Interesse von CMA CGM begrüßt haben. „Er zeigte sich offen für ein entsprechendes Engagement des französischen Unternehmens in Hamburg“, verlautete die offizielle Mitteilung.
Es war das zweite Mal, dass ein Hamburger Senatsvertreter eine Beteiligung ausländischer Investoren an einem Hamburger Containerterminal ins Spiel gebracht hat. Wenige Wochen zuvor hatte bereits Wirtschaftssenator Frank Horch (parteilos) bei einem Vortrag im Hafen-Klub diese Möglichkeit eingeräumt. Seitdem herrscht Unruhe im Hafen.
Hafenarbeiter drohen mit Widerstand
Vor allem die Hafenarbeiter drohen mit Widerstand. Sie befürchten, dass mit der Öffnung des Hafens für fremde Firmen die im Vergleich zu anderen Industriezweigen guten Arbeitsstandards und Tarifverträge in Gefahr geraten könnten. „Wenn durch ausländische Terminalbetreiber die in Hamburg bestehenden Arbeits- und Tarifbedingungen unterlaufen werden, dann können sich die Hafenarbeiter das nicht gefallen lassen“, warnt Norbert Paulsen, Konzernbetriebsratschef der Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA)
Neue Nahrung erhält die Aufregung bei Betriebsräten und Gewerkschaftsbossen, seitdem der Senat auf Steinwerder, im Gebiet des ehemaligen mittleren Freihafens, eine 42 Hektar große Brache mit neuem wirtschaftlichen Leben füllen will. Dazu hatte die zuständige Hafenbehörde Hamburg Port Authority (HPA) einen Ideenwettbewerb ausgerufen, in dessen Folge ausgerechnet ein chinesisches Angebot als bestes prämiert wurde. Der Baukonzern China Communications Construction Company (CCCC) sowie dessen Tochter ZPMC, Weltmarktführer bei der Herstellung von Containerbrücken für Häfen, wollen das Gebiet auf Steinwerder pachten und dort ein vollautomatisches Containerterminal sowie ein großes Logistikzentrum aufbauen.
Paradigmenwechsel in der Hafenpolitik
Die Hafenarbeiter laufen dagegen Sturm: „Mit einem weiteren Containerterminal werden zusätzliche Überkapazitäten geschaffen, und der Konkurrenzdruck wird verschärft, da es zu Verlagerungen vorhandener Mengen kommt“, sagt HHLA-Betriebsratschef Paulsen. Und der Landesbezirksleiter der Dienstleistungsgewerkschaft, Berthold Bose, schrieb an die Hafenarbeiter: „Jetzt einen Wettbewerb auszuschreiben, in dem ein solcher Vorschlag als Sieger gekürt wird, schafft Unverständnis und sorgt für Ängste bei den Beschäftigten um ihre Arbeitsplätze.“
Die Aufregung hat ihren Grund, denn was Horch und der Bürgermeister vorhaben, ist ein Paradigmenwechsel in der Hafenpolitik, eine 180-Grad-Drehung der politischen Strategie, was den Zugang zu Kaimauern und Umschlaganlagen betrifft. Beteiligungen von Reedereien wurden bisher fast ausnahmslos abgelehnt.
HHLA ist der Goldesel
Seit Jahrzehnten sind nämlich im Hafen die Geschäfte klar verteilt. Sämtliche Hafenflächen gehören der Stadt. Sie verpachtet diese Flächen in der Regel bis zu 30 Jahre an die Firmen. Die Unternehmen richten auf dem Eigentum der Stadt wiederum ihre Produktionsbetriebe ein – wie Büros, Lagerhallen oder Umschlagkräne. Diese bleiben auch nach Vertragsablauf in ihrem Eigentum.
Platzhirsch ist die Hamburger Hafen und Logistik AG mit ihren drei Containerterminals Burchardkai, Tollerort und Altenwerder sowie dem Misch-Umschlagterminal für Kühlwaren und Stückgut, Unikai. Die HHLA kontrolliert mehr als 80 Prozent des Warenumschlags im Hamburger Hafen. Sie gehört zu 68 Prozent der Hansestadt und ist mit knapp 30 Millionen Euro jährlicher Ausschüttung so etwas wie der Goldesel der städtischen Beteiligungen. Deshalb wacht der Senat auch sorgsam darüber, dass der HHLA im Hafen kein Geschäft weggenommen wird.
HHLA gilt als teuer
Hinzu kommt das Containerterminal Eurogate, über das die Stadt nicht verfügen kann. Es gehört jeweils zur Hälfte der Hamburger Firma Eurokai des Hafenunternehmers Thomas Eckelmann und der BLG Logistics Gruppe, die mehrheitlich im Besitz der Hansestadt Bremen ist.
Die HHLA gilt unter Reedereien als teuer, aber auch als sehr effizient. Darum haben in der Vergangenheit immer wieder Abgesandte verschiedener Schifffahrtsunternehmen im Rathaus vorgesprochen und den Wunsch nach einer Beteiligung an einem Hafenterminal geäußert. Grund: Wer an einem Terminal beteiligt ist, kann seine Schiffe dort bevorzugt abfertigen lassen, hat keine Wartezeiten, zudem sind die Gebühren geringer.
Senat hat sich allen Anfragen wiedersetzt
Doch bisher hat sich der Senat allen Anfragen wiedersetzt. „In Hamburg galt die Maxime, dass Reedereibeteiligungen an Umschlagbetrieben nicht angestrebt werden“, sagt der Hafenexperte Ulrich Malchow. Mit zwei Ausnahmen: Der Hamburger Reederei Hapag-Lloyd, an der die Stadt knapp 14 Prozent hält, hatdie HHLA eine 25,1 prozentige Beteiligung am Containerterminal Altenwerder eingeräumt, um die Position beider Unternehmen zu stärken: der HHLA, durch ein festes Ladungsaufkommen, der Reederei durch einen gesicherten Umschlagplatz in ihrem Heimathafen. Und auch die Reedereigruppe Grimaldi/ACL, die sich mit ihren riesigen ConRo-Schiffen zu einem bedeutenden Hafenkunden gemausert hat, durfte sich 2007 an der Unikai-Anlage beteiligen, die ansonsten ebenfalls zur HHLA gehört.
„Als aber vor ein paar Jahren mit Maersk die weltgrößte Containerreederei Hamburg um eine Terminalbeteiligung bat, ließ man sie abblitzen“, so Malchow. 2010 hatte zudem der damalige Vorstandschef der chinesischen Reederei Cosco, Captain Wei Jiafu, im Rathaus dem zu der Zeit amtierenden Bürgermeister Christoph Ahlhaus (CDU) seinen Wunsch einer Terminalbeteiligung in Hamburg vorgetragen. Ohne Erfolg.
„Die Schiffe kommen doch sowieso alle zu uns“
Wie sagte der inzwischen verstorbene ehemalige Wirtschaftssenator Gunnar Uldall: „Wozu benötigen wir Terminalbeteiligungen? Die Schiffe kommen doch sowieso alle zu uns.“ Das war 2005. Der Hafen strotzte nur so vor Kraft. Der Containerumschlag wuchs jedes Jahr zweistellig, und in der Wirtschaftsbehörde träumte man schon von den Feierlichkeiten, wenn Hamburg die Nummer eins im europäischen Containerumschlag, Rotterdam, verdrängt.
Damals galt das Motto: Der Zugang zum Hamburger Hafen muss für alle Interessenten gleich offen stehen. So konnten die Terminals unabhängig über die Höhe ihrer Preise bestimmen und sich die Kunden auswählen.
Aber das Blatt hat sich gewendet. Infolge ihrer zunehmenden Marktmacht gegenüber den Seehäfen versuchen die Reedereien bei den Terminalbetreibern bessere Konditionen bei der Abfertigung der Seeschiffe durchzusetzen. Und die Zeiten des rasanten Umschlagwachstums im Hamburger Hafen, in denen man sich die Ladung aussuchen konnte, sind vorbei. Hamburgs Hafen schrumpft. Im vergangenen Jahr ging der Containerumschlag in Hamburg im Vergleich zum Vorjahr um ein Prozent zurück, während die Konkurrenzhäfen wuchsen. Auch im ersten Halbjahr 2018 verlor Hamburg im Vergleich zu den Wettbewerbern Marktanteile.
Jetzt versucht der Senat, das Steuer herumzureißen. Plötzlich wirbt er dafür, dass ausländische Reedereien im Hamburger Hafen finanziell einsteigen, weil er hofft, damit Ladung an Hamburg zu binden. Denn wenn Reedereien sich bei Terminals finanziell engagieren, haben sie auch ein Interesse daran, diese auszulasten. Unterstützt wird diese Politik vom Verband Hamburger und Bremer Schiffsmakler: Wachstum sieht man vor allem in den Häfen, in denen die Reedereien die Möglichkeit hatten, sich an den Terminals zu beteiligen. Daher setzt sich der Verband dafür ein, diese Möglichkeit auch in Hamburg zu schaffen, um Reedereien und Ladung langfristig am Standort zu binden, sagt Verbandsgeschäftsführer Alexander Geisler.
Auch Hapag-Lloyd hat ein Problem
Der Kampf um die Containerterminals ist entbrannt. Kritik an dem Vorhaben kommt indes nicht nur von Hafenarbeitern. Auch Hapag-Lloyd hat ein Problem. Die Reederei hat zwar eine Terminalbeteiligung in Altenwerder. Sollte die Stadt aber dem französischen Konkurrenten CMA CGM eine Beteiligung am Burchardkai andienen, liefe Hamburgs Traditionsreederei Gefahr, dort in die zweite Reihe verdrängt zu werden. Denn Hapag-Lloyd ist auch auf einen diskriminierungsfreien Zugang zum Burchardkai angewiesen. Wegen der Höhenbegrenzung der Köhlbrandbrücke kann die Reederei ihre größten Schiffe nicht in Altenwerder abfertigen. Entsprechend schmallippig reagiert Vorstandschef Rolf Habben Jansen auf den Vorstoß des Bürgermeisters in Marseille: „Wir sind darüber nicht begeistert.“
Selbst im Vorstand der HHLA, der über Tschentschers Offerte an die Franzosen im Vorfeld nicht informiert worden war, gibt es Bedenken: „Eine Terminalbeteiligung einzugehen, nur um Ladung zu sichern, wäre kein gutes Geschäft“, heißt es aus Unternehmenskreisen. „Es müsste schon ein Mehrwert herausspringen.“
Globales Engagement
Der Präsident des Unternehmensverbands Hafen Hamburg, Gunther Bonz, sagt deshalb: „Terminalbeteiligungen sollten allein zur Stärkung und Ausweitung des Umschlagvolumens eingegangen werden. Wenn es darum geht, Werte zu verkaufen, um an Geld zu kommen, damit Infrastrukturprojekte bezahlt werden können, dann lehnen wir das ab.“ Wirtschaftssenator Frank Horch versteht die ganze Aufregung nicht. Er sagt, dass Terminalbeteiligungen in vielen anderen Häfen normal sind, und immer zu einem Umschlagwachstum führen.
„Die klassischen Mitbewerber innerhalb der Nordwestrange bieten wichtigen Kunden Beteiligungsmöglichkeiten an Terminals“, sagt der Senator dem Abendblatt. Hamburger Unternehmen seien ihrerseits global engagiert. „Bei meiner Überlegung geht es in jedem Fall um Minderheitsbeteiligungen, die das Ziel haben, Ladungsströme an Hamburg zu binden. Die Freie und Hansestadt bleibt in jedem Fall Eigentümerin von Grund und Boden.“ Die Hafenarbeiter wollen das nicht kampflos hinnehmen. Der Ausgang des Kräftemessens ist offen.