Hamburg. Gewerkschaften und Verband kritisieren Wirtschaftssenator Frank Horch. Nur ein Missverständnis? Was dahintersteckt
Oliver Schade
Europäische Hafen-Gewerkschaften machen mobil gegen Hamburgs Wirtschaftssenator Frank Horch (parteilos), bezeichnen ihn als Provinzpolitiker, fordern gar ein Machtwort des Bürgermeisters. Was ist geschehen? Horch hatte sich jüngst explizit für Beteiligungen externer Firmen an Terminals im Hafen ausgesprochen. Neben den Arbeitnehmervertretern rügte daraufhin auch der Unternehmensverband Hafen Hamburg den Senator. Was steckt hinter diesem Streit? Warum ziehen Gewerkschaften und Unternehmen an einem Strang? Was will der Wirtschaftssenator wirklich? Und viel wichtiger: Was schließt Horch kategorisch aus? Das Abendblatt gibt die Antworten.
Woran entzündete sich der Streit
konkret?
Ausgangspunkt war eine Rede von Horch im Hafen-Klub. Dort legte er dar, wie er den Hafen weiterentwickeln will. Dabei kam es zu Äußerungen, die interpretierbar sind. Wörtlich sagte Horch: „Natürlich werden wir uns in der Zukunft Gedanken über Beteiligungen an Terminals machen müssen – Minderheitsbeteiligungen, aber eben Beteiligungen. Denn: Erstens: Wer soll die ganze Infrastruktur denn finanzieren? Ihnen dürfte klar sein, dass das über Miet- und Pachteinnahmen nicht funktionieren kann. Zweitens: Wir müssen doch auch dafür sorgen, dass Ladung und wirtschaftliche Interessen an Hamburg gebunden werden.“ Kritiker werteten diese Äußerung als Abkehr von der öffentlich finanzierten Infrastruktur und als Einstieg in die Privatisierung der Hafenflächen.
Wem gehört eigentlich was
im Hamburger Hafen?
Sämtliche Hafenflächen gehören der Stadt. Sie verpachtet diese Flächen in der Regel bis zu 30 Jahre an die Firmen. Die Unternehmen stellen auf dem Eigentum der Stadt wiederum ihre Produktionsbetriebe – wie Büros, Lagerhallen oder Umschlagkräne. Diese bleiben auch nach Vertragsablauf in ihrem Eigentum.
Was plant die Stadt konkret
auf Steinwerder?
Im ehemaligen Mittleren Freihafen wird ein insgesamt 125 Hektar umfassendes Gebiet neu geplant. Anfangs ging die Stadt davon aus, hier ein riesiges neues Umschlagterminal für Containerfrachter zu entwickeln. Doch inzwischen will der Senat die Flächen je nach Bedarf entwickeln. So wurde bereits ein Kreuzfahrtterminal errichtet und die Ansiedlung des Kran-Herstellers Liebherr genehmigt. In einem weiteren Schritt soll jetzt ein 42 Hektar großes Areal namens Steinwerder-Süd ausgebaut werden. Die Ausschreibung erfolgt noch in diesem Jahr. Zwei Dinge hat Horch bereits klargestellt: Ein reines Terminal für den Containerumschlag wird es nicht geben. Denn die bisherigen Terminals reichen seiner Ansicht nach für die zu erwartenden Umschlagmengen aus. Und was auch immer dort entsteht, muss zu neuen Arbeitsplätzen führen.
Gibt es Interessenten für ein
neues Terminal im Hafen?
In einem Ideenwettbewerb haben gleich mehrere Firmen Interesse an den Flächen angemeldet. Am umstrittensten ist die Bewerbung eines chinesischen Konsortiums, hinter dem der Internetkonzern Alibaba steckt. Dieses Konsortium will ein vollautomatisches Umschlagterminal und einen Logistikpark errichten. Es wäre sogar bereit, die Kosten für die Herstellung der Kaiflächen zu übernehmen. Dann müsste aber ein sehr lang laufender Erbbauvertrag abgeschlossen werden. Es gibt aber auch andere Vorschläge. So möchte die Firma Steinweg ein Terminal für Kurzstreckenverkehre einrichten mit einem großen Kühllager, wie sie es schon in Rotterdam betreibt.
Warum reagieren
die Gewerkschaften so erzürnt?
Sie fürchten um die Rechte der Arbeitnehmer. Hafenarbeiter werden in Deutschland nach Tarif bezahlt und erhalten im Vergleich zu anderen Schichtarbeitern ein relativ hohes Gehalt. Steigt ein ausländischer Investor ein, bestünde die Gefahr, dass er sich nicht an den Tarif hält, sondern mit billigen Arbeitskräften in Konkurrenz zu den etablierten Terminalbetreibern tritt, die dann ihrerseits die Löhne senken müssten.
Was will der Wirtschaftssenator
wirklich erreichen?
Die von Gewerkschaftern befürchtete Verkauf von Hafenflächen ist nicht Horchs Ziel. Dem Abendblatt sagte er am Mittwoch: „Am Hamburger Hafengesetz wird nicht gerüttelt. Grund und Boden im Hafen bleiben im Besitz der Stadt.“ Vielmehr sei es das Ziel, Ladung nach Hamburg zu bringen, Unternehmen anzusiedeln und Arbeitsplätze zu schaffen. Um das zu erreichen, müsse man auch für Beteiligungen Externer an Terminals offen sein. Das Terminal Altenwerder sei dafür bereits heute das beste Beispiel. Und Horch weiter: „Für Infrastrukturprojekte wie die Köhlbrandquerung und viele andere Projekte müssen wir intelligente Finanzierungswege finden. Das sind riesige finanzielle Herausforderungen.“
Was sagt die Opposition zu
Horchs Plänen?
Die FDP in der Bürgerschaft unterstützt den Senator. „Die Abwehrhaltung der Gewerkschaften in Sachen Terminalbeteiligung ist enttäuschend. Allen Beteiligten in der Hafenpolitik ist klar, dass sich der Hamburger Hafen öffnen muss, um neue Chancen zu ergreifen“, sagt der Fraktionsvorsitzende der Liberalen, Michael Kruse. Sogenannte Dedicated Terminals seien für Hamburg nicht neu. Für die zukünftige Entwicklung des Hafens könnten sie ein wichtiger Baustein sein, dieser benötige nämlich dringend neue Wachstumsimpulse. „Das Konservieren des Status quo wird nicht reichen, um den Hamburger Hafen in die Zukunft zu führen. Ich begrüße deshalb, dass Wirtschaftssenator Horch den Mut hat, diese längst überfällige Debatte voranzutreiben“, so Kruse.
Was wollen die Hafenfirmen
erreichen?
Auch die Hafenfirmen haben sich in die Debatte eingeschaltet. Sie reagieren selbstverständlich kritisch auf neue Wettbewerber in „ihrem“ Hafen. Vor allem wollen sie kein weiteres Containerterminal in Hamburg, weil sie so um ihre aktuellen Geschäfte fürchten. Dennoch hat sich der Präsident des Unternehmensverbands Hafen Hamburg, Gunther Bonz, für mehr Wettbewerb ausgesprochen. „Wenn der Wirtschaftssenator externe Firmen an den Terminals beteiligen will, um mehr Ladung nach Hamburg zu holen, ist das eine richtige Sache“, sagte er. Wolle er damit die Infrastruktur bezahlen, sei das falsch.