Hamburg. Weniger Waren werden über die Weltmeere transportiert, große Containerschiffe verlieren an Bedeutung
Reedereien wie Hapag-Lloyd und Hamburg Süd gehen schweren Zeiten entgegen. Das zumindest kann man aus einer Studie der Berenberg Bank und des Hamburgischen WeltWirtschaftsInstituts (HWWI) ableiten. Grund dafür ist die Digitalisierung, die zu einer verstärkten dezentralen Produktion führt, bisherige Handelsmuster verändert und die verschiedenen Akteure der Wertschöpfungskette enger zusammenführt.
Anders gesagt: Wer weiter auf den Containertransport von Hafen A nach Hafen B setzt, wird sich bald vorkommen wie ein Schreibmaschinenhändler im Computerzeitalter. Allerdings räumen die Experten der Studie „Schifffahrt in Zeiten des digitalen Wandels“ der Branche auch große Chancen ein. Nämlich dann, wenn sie bereit ist, ihr bisheriges Geschäftsmodell anzupassen – und eine stärkere Vernetzung der Schiffe mit den Häfen vorantreibt. „Daten massenhaft aufzubereiten und intelligent zu verknüpfen erlaubt eine völlig neue Qualität der Kommunikation und Vernetzung“, sagte HWWI-Direktor Henning Vöpel am Dienstag in Hamburg bei der Vorstellung der Untersuchungsergebnisse. Die bisherige globalisierte Arbeitsteilung bei der Produktion hat sich seiner Einschätzung nach überlebt, nicht zuletzt weil die Lohnunterschiede zwischen den alten Industrienationen und den Schwellenländern abnehmen, und künftig alle Staaten über die gleichen Produktionsmittel verfügen werden. „Wir haben den Höhepunkt der Globalisierung erreicht“, davon ist Vöpel überzeugt.
Die Digitalisierung werde dazu führen, dass die Arbeitsteilung abnimmt und die gesamte Produktion wieder vor Ort stattfindet. Die Wertschöpfungskette werde kürzer, die Logistik zwischen Anbietern und Nachfragern über große Plattformen abgewickelt, die alle notwendigen Dienstleistungen integrieren. Wie so etwas funktioniert, könne man bereits in Ansätzen beim großen Warenversender Amazon sehen, der schon einen Flughafen und Verteilzentren an Seehäfen als Prototypen für zukünftige Logistikmodelle baut.
Was bedeutet das für die Schifffahrt? Sie wird Teil solcher übergeordneten Plattformen, sollte sich also Partner suchen, möglichst aus dem Hochtechnologiebereich. Das Transportvolumen wird aber laut Studie in der digitalen Produktionswelt geringer ausfallen. Es werden eher kleinere als riesengroße Schiffe benötigt. Schließlich wird der Containerverkehr an Bedeutung verlieren, der Rohstofftransport aber – nicht zuletzt wegen des 3-D-Drucks – zunehmen. Statt der Containerschiffe werden also in einer digitalisierten Industriewelt Massengutfrachter benötigt.
Jörg Quitzau, Volkswirt der Hamburger Privatbank Berenberg, verwies auf weitere Entwicklungen, durch die sich Weltwirtschaft und Handel ändern: „Eine große Rolle spielt der demografische Wandel.“ In den Industrienationen wie Deutschland altere die Bevölkerung, der Konsum nehme ab. Diesem Trend stünden aber junge und wachsende Länder in Afrika und Asien gegenüber. Jedes Jahr kämen 80 Millionen Menschen hinzu, was den Konsum anheize. Doch die jungen Konsumenten in diesen Ländern würden eine Stufe überspringen und viele Produkte gleich in digitaler Form nachfragen. „Die kaufen keine CDs, sondern sofort Musik im digitalen MP3-Format“, so Quitzau. Das reduziere den Warentransport ebenso wie die zunehmende Tendenz zur nationalen Abschottung.
Einen positiven Lichtblick hat Quitzau dennoch ausgemacht: „Die Zinsen werden niedrig bleiben. Das belebt Konjunktur und Konsum.“