Hamburg. Oft hatte das Abendblatt über eine Existenzgründerin berichtet – bis sie aufgeben musste. Nun gibt es einen Neuanfang.
Es war ein winziger Moment, Sekunden nur. Als Lilli Merks, 24, in diesem kleinen Café in Eimsbüttel saß, schoss ihr etwas durch den Kopf. So plötzlich, dass sie den Gedanken, das Gefühl, im ersten Moment kaum greifen, begreifen konnte. Bis sich das Gefühl immer stärker manifestierte, ein Wunsch herauskristallisierte. Der Wunsch, auch mal so ein Café zu betreiben. Genau so ein Café wie dieses. Mit einem angeschlossenen Laden und einer großer Küche, wo Lilli Merks ihre kunstvollen Kuchen herstellen und vertreiben könnte.
Damals, vor einem Jahr, hielt Lilli Merks das alles für nichts weiter als eine verrückte Idee. Genauso verrückt wie ihr Einfall ein paar Jahre zuvor, als sie mit gerade mal 18 Jahren angefangen hatte, in der Nachbarschaft selbst gebackene Muffins zu verkaufen, um ihren Urlaub zu finanzieren. Oder so verrückt wie der Schritt dieser Bankerin Jennifer Hinze, die ihren sicheren Job gekündigt hatte, um jenes Café zu betreiben, in das sich Lilli Merks bei ihrem Besuch spontan verliebt hatte. Als sie die Geschichte der Café-Besitzerin hörte, war Lilli Merks zwar beeindruckt von dem Mut und der Courage. Aber selbst so etwas wagen? Ihren Bachelor in Internationaler Betriebswirtschaft dafür verplempern, um einen eigenen Laden zu führen? Ihre bevorstehenden Jobs in Amerika und England absagen, um ihre selbst gebackenen Kuchen hauptberuflich zu verkaufen? Nein! So verrückt war sie dann doch nicht. Damals.
Das Café ging ihr nicht mehr aus dem Kopf
Heute, rund ein Jahr später, betritt Lilli Merks vorsichtig die Räume im Stellinger Weg 38 a, die sie gerade angemietet hat. Der Fußboden wurde vormittags neu verspachtelt, einige Stellen schimmern noch feucht. Lilli Merks räumt ein paar Eimer vom Tresen, schiebt eine Schale mit Schrauben zur Seite und stellt die leeren Flaschen der Handwerker in einen Getränkekasten. „Noch ein bisschen chaotisch alles“, entschuldigt sie sich lachend und zeigt auf die Bänke, die zum Schutz vor Schmutz und Dreck mit Malerfolie abgeklebt sind. Erst vor wenigen Tagen hat sie den Mietvertrag unterschrieben, doch die Arbeiten laufen schon seit Wochen. Denn voraussichtlich am 17. Juni, wenn alles gut geht, soll das Café eingeweiht werden.
Es ist nicht irgendein Café – es ist genau das Café, das es Lilli Merks vor einem Jahr so angetan hatte. Denn die Vorbesitzerin musste inzwischen aufgeben, ihr Geschäftsmodell von einem veganen Feinkostgeschäft mit Café ist nicht aufgegangen. Das Abendblatt hatte neun Monate lang im Rahmen der Serie „Tausche Bankjob gegen eigenen Laden“ über Jennifer Hinze und ihr Geschäft Grete Schulz berichtet – bis der Laden am 3. Juli 2016 für immer schließen musste. Seitdem standen die Räume leer. Dass ausgerechnet Lilli Merks, die seit ihrem ersten Besuch immer wieder an den Laden denken musste, die Fläche jetzt übernimmt, ist für sie selbst immer noch kaum zu glauben. „Als mir eine Freundin von einem leer stehenden Café erzählt hat, habe ich im Traum nicht daran gedacht, dass es sich dabei um mein Café handeln könnte“, sagt Lilli.
Eine Geschäftsführerin und vier Teilhaber
Ihr Café. Das klingt für sie immer noch merkwürdig, doch der Laden wird jeden Tag mehr zu ihrem eigenen. Sie hat Tische und Hocker rausgeschmissen, den riesigen Spiegel abmontiert und die Fußböden neu machen lassen. Nur der Verkaufstresen und die Sitzbank sind geblieben. „Ich fand den Laden vorher sehr schön, die Einrichtung passt aber nicht zu unserem Konzept. Daher werden wir hier etwas Neues entstehen lassen“, sagt Lilli Merks, die Geschäftsführerin von Bunny & Scott ist, im Hintergrund aber vier Teilhaber hat.
Etwas Neues. Dazu gehört auch ein vollkommen anderes Konzept als das von Jennifer Hinze. Denn Lilli Merks hat sich mit ihrem Kuchen-Catering Bunny & Scott schon einen Namen gemacht und mehr als 18.000 Fans auf Instagram, die auf die Eröffnung des Cafés warten. Bereits vor sechs Jahren, kurz nachdem ihr Kuchenverkauf in der Nachbarschaft so erfolgreich gestartet war, hat sie ein Gewerbe angemeldet und seitdem an dem Ausbau der Firma gearbeitet. Neben dem Studium, neben Praktika, neben Auslandsaufenthalten. Bisher hatte sie ihre cremeverzierten Mini-Kuchen und ihre Kuchen-Lollis für Firmenveranstaltungen, Geburtstage, Messen und Hochzeiten in der Küche eines Sportvereins hergestellt, doch seit Anfang des Jahres steht fest, dass sie größere Räume braucht. „Eigentlich hatten wir nur eine Küche mit Lagerraum gesucht. Dass wir jetzt auch noch einen Verkaufsraum mit Café dazubekommen, ist das Optimum“, sagt Lilli Merks. Sie sieht den Laden auch als eine Art Showroom, in dem sich Kunden ihre Produkte anschauen.
Das Café ist auch Marketing-Strategie
Der Vorteil der neuen Inhaberin: Bunny & Scott muss sich im Gegensatz zu Grete Schulz nicht ausschließlich über den Café-Betrieb finanzieren, sondern hat als zweites Standbein das Kuchen-Catering. „Die Eröffnung eines Cafés ist für uns auch so etwas wie eine Marketing-Strategie“, sagt Lilli Merks. Aus diesem Grund gibt es bei ihr weniger Sitzplätze als bei Jennifer Hinze. Zehn bis 15 sollen es im Innenraum werden, 16 bis 18 draußen vor der Tür. Auf einen zweiten Raum mit Sitzplätzen, wie es ihn früher gab, verzichtet die Hobby-Bäckerin. Sie will dort ihr Lager einrichten und erst einmal mit wenigen Sitzplätzen anfangen – auch um Personalkosten zu sparen und vieles selbst machen zu können. „Weil ich hautnah dabei sein möchte“, sagt Lilli Merks, die zunächst nur mit einer Konditormeisterin an den Start gehen will. Wie viele Servicekräfte sie darüber hinaus benötigt, wie oft und wie lange sie öffnet – das muss die Zeit zeigen. Je nachdem, wie gut der Café-Betrieb angenommen wird, wie die Außengastronomie läuft und wie viele Bestellungen bei Bunny & Scott eingehen.
Schon jetzt gibt es so viele Vorbestellungen, dass die Mietkosten ein paar Monate gedeckt sind. „Das ist schon beruhigend“, sagt Lilli Merks. Trotzdem, oder gerade deswegen, denkt sie manchmal daran, ob es ihr vielleicht auch so ergehen könnte wie Jennifer Hinze. Dass sie scheitert, schließen muss. Sie zuckt mit den Schultern. Und selbst wenn: Dann war es eine Mega-Erfahrung. Mehr wert als jedes BWL-Studium. Das kann ihr niemand nehmen. Das bleibt. Über den Moment hinaus.
Bunny & Scott, Stellinger Weg 38 a. Öffnungszeiten: Dienstag bis Freitag von 9 bis 18 Uhr, Sonnabend von 10 bis 18 Uhr, Sonntag von 10 bis 17 Uhr. Internet: www.bunnyandscott.de