Hamburg. Experten sagen im Abendblatt, welche Anlagen sich nun lohnen: Aktien, Gold, Immobilien oder doch Festgeld?

Seit Langem gibt es auf dem Sparbuch und dem Tagesgeldkonto so gut wie keine Zinsen mehr. Und nun sind die Deutschen mit einem weiteren Problem für ihre Guthaben konfrontiert: Die Inflation kehrt zurück. Das heißt: Das Ersparte verliert real noch mehr an Wert als in den Zeiten mit geringer Teuerung. Im Dezember kletterten die Verbraucherpreise um 1,7 Prozent, im Januar waren es schon 1,9 Prozent. Wie legt man sein Geld nun noch möglichst inflationssicher an? Das Abendblatt hat bei Experten nachgehakt und kommt zu erstaunlichen Ergebnissen.

Was bedeutet eine höhere Inflation
für die Geldanlage?

Bei regionalen Banken beträgt der durchschnittliche Zinssatz für Tagesgeld nur noch 0,01 Prozent, berichtet das Vergleichsportal Verivox. 10.000 Euro bringen so nur noch einen Zinsertrag von einem Euro. Unter Berücksichtigung der zu erwartenden Inflationsrate von 1,5 Prozent liegt der reale Wert der Geldanlage am Jahresende nur noch bei 9851 Euro. „Trotz Mini-Zinsen wollen viele Kunden ihrer Hausbank nicht den Rücken kehren“, sagt Kerstin Becker-Eiselen von der Verbraucherzentrale Hamburg. „Zwar können die Sparer mit den niedrigen Zinsen die aktuelle Inflationsrate nicht ausgleichen, aber die Kaufkraftverluste lassen sich reduzieren.“

Wie lange soll man sich jetzt bei
Sparanlagen binden?

„Zwei Jahre sind ein noch vertretbarer Zeitraum“, sagt Max Herbst von der FMH-Finanzberatung. Die Zinsen für diesen Zeitraum liegen bei den besten Anbietern bei gut einem Prozent (Vakifbank und Denizbank mit österreichischer Einlagensicherung). Wer nur Angebote mit deutscher Einlagensicherung akzeptiert, wird bei der AKF Bank mit 0,85 Prozent Zins fündig. Wer für seine Geldanlage eine Filiale benötigt, bekommt bei der Santander Bank noch 0,70 Prozent und bei der Hanseatic Bank 0,60 Prozent Zinsen für zwei Jahre.

Welchen Ertrag bringen kürzere
Anlagezeiträume noch?

Die Verbraucherzentrale Hamburg rät nur zu einer einjährigen Anlage oder zu Tagesgeld. „Wenn die Zinsen wieder steigen, kann man auf neue, höher verzinste Angebote umsteigen“, sagt Kerstin Becker-Eiselen. Tagesgeld ist besonders für Sparer interessant, die bei einer Bank als Neukunde auftreten wollen. Denn sie bekommen bessere Konditionen, wenn auch nur für einige Monate. So beträgt der Zins bei der ING-DiBa
1 Prozent für vier Monate, danach sinkt er auf 0,35 Prozent. Ohne diesen Vorteil liegen die höchsten Zinsen für Tagesgeld bei 0,50 Prozent (Rabo Direct, MoneYou, beide mit niederländischer Einlagensicherung). Die höchsten Zinsen für ein einjähriges Festgeld liegen bei rund 0,80 Prozent (Deniz Bank). Da die Zins- und Inflationsentwicklung nicht vorausgesehen werden kann, ist es ratsam, verschiedene Anlagezeiträume zu kombinieren.

Wie wirkt sich Inflation auf
Lebens- und Rentenversicherung aus?

Seit Jahren sinkt die laufende Verzinsung dieser Verträge. Im Schnitt bekommen die Kunden in diesem Jahr noch eine Überschussbeteiligung von 2,51 Prozent. Wenn der Garantiezins höher ist, wird auf jeden Fall dieser Zins gutgeschrieben. Durch höhere Inflationsraten wird der reale Wert der Renten oder Kapitalzahlungen geschmälert. Aber durch höhere Preissteigerungen können auch die Zinsen von Anleihen wieder steigen, in die die Versicherer zu knapp 90 Prozent das Geld der Versicherten investieren. Dann wären wieder höhere Überschussbeteiligungen möglich.


Lohnt der Kauf von Gold?
Der Verkauf von Goldmünzen und -barren hat schon seit drei Monaten deutlich angezogen, berichten die Edelmetallhändler. Besonders gefragt sind Barren zu 50 und 100 Gramm sowie der Krügerrand. „Die Nachfrage wurde von dem relativ günstigen Preis, mangelnden Anlagealternativen und den wieder ansteigenden Inflationsraten befördert“, sagt Thorsten Proettel von der Landesbank Baden-Württemberg.

Das Edelmetall notiert mit rund 1225 Dollar je Feinunze (31,1 Gramm) rund 35 Prozent unter seinem Höchstkurs im Jahr 2011. Seit Jahresbeginn hat es um knapp fünf Prozent zugelegt. Proettel rechnet mit einem weiteren Anstieg auf 1300 Dollar in den nächsten Monaten. „Es ist davon auszugehen, dass in den kommenden Jahren die Inflation stärker ansteigen wird als die Zinsen, was unter dem Strich eine negative Realverzinsung bedeutet“, sagt Robert Hartmann, Chef des Edelmetallhändlers Pro Aurum. „Vor diesem Hintergrund stehen neun von zehn unserer Privatkunden weiterhin auf der Käuferseite.“

Gold ist aber eine spekulative Anlage und sollte immer nur einen kleinen Teil der gesamten Geldanlage ausmachen. Langfristige Vergleiche von Sal. Oppenheim zeigen, dass mit Gold nur bei einer Inflationsrate von mehr als acht Prozent eine überdurchschnittliche reale Performance im Jahr erreicht werden kann. Betrachtet wurde dazu der Zeitraum von 1900 bis 2015.

Lohnt der Kauf von Aktien?
In jedem der zurückliegenden fünf Jahre hat der Deutsche Aktienindex (DAX) zugelegt. Trotz der ungewöhnlich langen Folge von Gewinnjahren sind Analysten auch für 2017 vorsichtig optimistisch gestimmt. Wer sich fragt, ob er jetzt noch investieren sollte, sollte nach den Worten von Bernd Schimmer, Chef-Investment-Stratege der Haspa, eines bedenken: „Der Anlagehorizont schwebt über allem – für Geldbeträge, die man in einem Jahr oder in zwei Jahren braucht, kommt der Aktienmarkt nicht infrage.“ Idealerweise sollte eine Anlagedauer von mindestens zehn Jahren angepeilt werden.

„Wenn es gut läuft, kann man natürlich auch schon nach vier oder fünf Jahren verkaufen“, so Schimmer. Im Schnitt, über lange Zeiträume betrachtet, könne man am Aktienmarkt mit jährlichen Renditen von acht Prozent rechnen. „Auf jeden Fall gibt es mehr Jahre mit Kursgewinnen als Jahre mit Verlusten, aber es lässt sich eben nicht immer richtig einschätzen, wie das nächste Jahr verlaufen wird“, sagt der Haspa-Experte. Er rät dazu, über einen Sparplan mit monatlich festen Beträgen in Aktienfonds zu investieren – schon um eine psychologische Hürde auszuräumen: „Den genau richtigen Zeitpunkt für einen Einstieg in den Aktienmarkt mit einem Einmalbeitrag trifft man nicht.

Und mit einem Sparplan profitieren Anleger auch von zwischendurch niedrigeren Kursen, weil man dann mehr Aktien für das gleiche Geld erhält.“ Auch Dirk Ulbricht, Direktor des Institut für Finanzdienstleistungen (iff) in Hamburg, empfiehlt für Investments mit einem hinreichend langen Anlagehorizont Sparpläne für Fonds, die Aktienindizes wie den DAX nachbilden: „Damit kann man nichts falsch machen – außer die Nerven zu verlieren und zu verkaufen, wenn es mal einen Rücksetzer von zehn Prozent gibt.“ Wer auf diese Weise anlege, könne bis zu einem Drittel des Vermögens in Aktien investieren, so Ulbricht.

Bernd Schimmer,
Chef-Anlage-Stratege
der Haspa
Bernd Schimmer, Chef-Anlage-Stratege der Haspa © Michael Dannenmann

Wie wichtig ist die Aktien-Dividende?
„Die Dividendenrendite ist der neue Zins“ – diese Devise haben Anleger angesichts der Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank in den vergangenen Jahren immer häufiger zu hören bekommen. „Anders als die Rendite von Bundesanleihen sind die Dividendenrenditen jedenfalls nicht gesunken, sondern ungefähr gleich geblieben“, sagt Schimmer. Bei DAX-Titeln komme man im Schnitt auf rund drei Prozent, deutlich mehr böten allerdings die Allianz (4,6 Prozent), Daimler (4,7 Prozent) und ProSiebenSat1 (4,9 Prozent).

„Das Geschäftsmodell muss aber über einen langen Zeitraum stabil sein“, so Schimmer, „denn es nützt ja nichts, in einem Jahr sechs Prozent zu bekommen und dann zu erfahren, dass im nächsten Jahr die Ausschüttung ausfällt.“ In jedem Fall müsse geprüft werden, ob die Dividendenrendite wegen eines vorherigen Kursverfalls hoch ist. Auch für Anleger, die sich auf Titel mit überdurchschnittlichen Dividendenrenditen konzentrieren wollen, gebe es gut geeignete Fonds, erklärt Schimmer.

Ist der Kauf einer Immobilie sinnvoll?
Wer den Kauf einer Immobilie aus Anlagegesichtspunkten erwägt, sollte darauf achten, nicht in eine Spekulationsblase hinein zu investieren, warnt iff-Direktor Ulbricht: „Wenn die Kaufpreise spürbar stärker steigen als die Mieten, würde ich die Finger davon lassen.“ Für Hamburg ist dieses Kriterium seit mehreren Jahren zweifellos erfüllt. Für die meisten Menschen sei ein solches Investment schon deshalb nichts, „weil sie nicht die nötige Expertise haben, um abschätzen zu können, ob es sich um ein gutes Objekt handelt oder nicht“, sagt Ulbricht.

Schließlich gehe man mit dem Kauf einer Immobilie ein hohes „Klumpenrisiko“ ein: „Da steckt ja nicht nur das komplette Eigenkapital drin, sondern auch die Ersparnisse der nächsten 20 Jahre.“ Generell hält der Experte wenig von Immobilien als Anlageobjekt: „Wenn man Finanzierungs- und Erhaltungskosten mit berücksichtigt, schneiden Häuser und Wohnungen im Vergleich etwa zu einem langjährigen Investment in Aktienfonds nicht gut ab.“

Zu rechtfertigen sei der Kauf einer selbst genutzten Immobilie höchstens dann, „wenn man es als Wert an sich betrachtet, in den eigenen vier Wänden zu wohnen und die Kinder auf dem Rasen vor dem Haus spielen zu sehen.“ Als Kapitalanlage ist nach Auffassung von Ulbricht derzeit allenfalls eine Studentenwohnung in einer attraktiven Universitätsstadt geeignet – weil wegen der zunehmenden Alterung der Bevölkerung die Nachfrage nach familiengeeigneten Objekten tendenziell abnehmen werde.

Wie gut sind Immobilienfonds?
Zuletzt waren offene Immobilienfonds wieder gefragter: Im Jahr 2015 floß ihnen netto 3,3 Milliarden Euro neues Geld zu, 2016 sammelten sie allein bis Ende November schon netto 4,5 Milliarden Euro ein. Angesichts dieses Zustroms „gehen den Fonds allmählich die guten Kaufobjekte aus“, vermutet Ulbricht. Zudem unterlägen die Fonds, die zumeist in Büroimmobilien investieren, einem sogenannten Schweinezyklus, also einem ständigen Wechsel aus Knappheit und Überangebot ihrer Anlageobjekte: „Wenn die Mieten und Preise steigen und die Entscheidung fällt, eine neue Immobilie zu bauen, dauert es eben rund drei Jahre, bis sie fertig ist – und dann kann sich herausstellen, dass sehr viele andere ebenfalls gebaut haben.“

Als Konsequenz aus der Krise der offenen Immobilienfonds in den Jahren 2010 bis 2013 müssen Anleger neu gekaufte Fondsanteile mindestens 24 Monate halten, für die Rückgabe gilt eine Kündigungsfrist von zwölf Monaten. Trotz dieser Neuerungen ist Ulbricht weiterhin skeptisch: „Das ,Betongold’ bietet eine Scheinsicherheit, weil man es anfassen kann.“ Der Experte rät schon deshalb von einer Anlage in offene Immobilienfonds ab, weil sie selbst bei einer Rendite von drei oder vier Prozent nicht mit den am Aktienmarkt auf längere Sicht erzielbaren Wertsteigerungen mithalten könnten.


Wie wirkt sich die höhere Inflation auf
die Entwicklung des Reallohns aus?

Wer kaum Geld zum Anlegen hat, muss als Beschäftigter vor allem auf steigende Löhne setzen, um die Inflationsrate auszugleichen. „Die aktuellen Lohnforderungen, die schon auf dem Tisch liegen, bewegen sich zwischen 4,5 und sechs Prozent“, sagt Reinhard Bispinck vom Tarifarchiv der Hans-Böckler-Stiftung zu den anstehenden Lohnverhandlungen. Im vergangenen Jahr war das reale Lohnplus mit 1,9 Prozent sehr komfortabel. Der Wert ergibt sich aus der durchschnittlichen Tarifsteigerung von 2,4 Prozent abzüglich der Inflationsrate von 0,50 Prozent für 2016. „Die Tariferhöhungen lagen deutlich oberhalb der Preissteigerungsrate“, sagt Bispinck. Angesichts der zu erwartenden deutlich höheren Inflationsrate in diesem Jahr wird es aber schwierig, ein solches Ergebnis zu wiederholen.

Auf Vergleichsseiten wie www.fmh.de, www.verivox.de und www.check24.de können die Konditionen für verschiedene Anlagezeiträume nachgelesen werden. Die Verbraucherzentrale Hamburg bietet eine schriftliche Übersicht, die auch Filialbanken enthält. Kosten: drei Euro, abzuholen im Infozentrum an der Kirchenallee 22.