Hamburg. Anarchie am Burchardkai: Experten kritisieren, Hafenarbeiter hätten „maximale Freiheitsgrade bei der Freizeitgestaltung“.
Das Containerterminal Burchardkai der Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA) steht seit Längerem in der Kritik. Spediteure und Fuhrunternehmer bemängeln immer wieder Probleme bei der Abfertigung der Container. Ein Gutachten des HHLA-Vorstands kommt jetzt zu dem Schluss, dass die Organisationsstruktur am Terminal mangelhaft ist und den Beschäftigten zu viele Freiräume lässt.
Zwei Jahre lang hat das Beratungsunternehmen Metaplan im Auftrag des Vorstands die Probleme am Burchardkai untersucht. Sein Ergebnis ist für ein börsennotiertes Aktienunternehmen haarsträubend: Über viele Jahre sei der Containerterminal Burchardkai „sich selbst und seinen Beschäftigten überlassen“ gewesen. Deshalb hätten die Beschäftigten die Organisationszwecke und -ziele selbst definiert, heißt es in dem Papier, das dem Abendblatt exklusiv vorliegt.
"Maximale Freiheit bei der Freizeitgestaltung"
Was die Mitarbeiter daraus machten, wird deutlich beschrieben: „Containerumschlag, Gewinnerzielung und Beschäftigungssicherung sind für viele Beschäftigte nachgeordnete Organisationszwecke. An erster Stelle steht die Chance auf außerordentlich hohe private Einkommen bei maximalen Freiheitsgraden in der Freizeitgestaltung – und das alles bei relativ geringem Zeitaufwand.“
Änderungen sind offenbar nur schwer durchsetzbar: „Jede Veränderung wird vom Einzelnen auf Nachteile abgeklopft. Bei Nachteilen wird die Veränderung entweder verweigert oder wird eine hohe Kompensation gefordert“, heißt es in dem Gutachten.
Arbeitszeiten von vier oder sechs Stunden waren normal – bislang
Was das im Einzelnen bedeutet, zeigte sich bei der Abschaffung des sogenannten Pensums. Viele Monate musste der Arbeitsdirektor der HHLA, Personalvorstand Heinz Brandt, mit den Arbeitnehmervertretern über eine Einführung von Arbeitszeiten verhandeln, die in der freien Wirtschaft völlig normal sind. Dazu musste das Pensum abgeschafft werden. Diesem zufolge konnten die Terminal-Mitarbeiter nach Hause gehen, wenn bestimmte Umschlagmengen erreicht wurden – egal ob sie sechs oder nur vier Stunden brauchten. Dieses wurde inzwischen durch reguläre Arbeitszeiten ersetzt.
Das Gutachten wirft den HHLA-Verantwortlichen vor, mit einer mangelnden Führungsstruktur die Bildung solcher Missstände zugelassen zu haben. Mit der 2011 eingeführten Organisationsstruktur am Burchardkai, die im Wesentlichen vom Containerterminal Altenwerder übernommen wurde, habe sich die Arbeitgeberseite „ein schlechtes Zeugnis“ ausgestellt, resümiert das Gutachten. Der HHLA-Vorstand räumt Mängel ein und erklärt, bereits Gegenmaßnahmen eingeleitet zu haben. „Es hat Fehler auf allen Führungsebenen gegeben, wir haben daraus die Konsequenzen gezogen, und das Management wurde verändert“, sagte Vorstandsmitglied Brandt.