Wolfsburg. Volkswagen reagiert auf Drängen des Kraftfahrtbundesamtes. Warnte Zulieferer Bosch schon 2007? Winterkorn pocht auf sein Gehalt.

Der Druck seitens der Behörden auf Volkswagen in der Abgas-Affäre wächst: Das Kraftfahrtbundesamt (KBA) forderte das Unternehmen am Wochenende auf, alle betroffenen Dieselfahrzeuge umzurüsten, sodass sie den geltenden Abgasgesetzen entsprechen. Ein VW-Sprecher reagierte umgehend und sagte, der Autohersteller bereite für die kommenden Wochen eine Nachbesserungsaktion für die von den Abgasmanipulationen betroffenen Fahrzeuge vor. „Das kann eine Rückrufaktion sein, aber auch eine Serviceaktion.“ Die Kosten für die Nachbesserung werde Volkswagen übernehmen. Wie hoch diese für den Autobauer sein werden, stehe noch nicht fest. „Es sind gewaltige Kosten, aber es ist völlig selbstverständlich, dass die Kunden nicht auf den Kosten sitzen gelassen werden.“

Im Volkswagen-Konzern hat es Medienberichten zufolge schon lange Hinweise auf den Einsatz illegaler Software zur Manipulation von Abgastests bei Dieselfahrzeugen gegeben. Der Zulieferer Bosch und ein VW-Techniker haben nach Angaben von Sonntagszeitungen bereits vor Jahren vor der Praxis gewarnt, die den Wolfsburger Autobauer jetzt in die schwerste Krise seit Jahrzehnten gestürzt hat.

Kommentar: Politik steht mit am Pranger

Bei VW hieß es, man könne zum jetzigen Zeitpunkt nicht sagen, wer was wann gewusst habe. Ein Techniker von VW hat laut der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ bereits 2011 vor den Praktiken gewarnt. Dies gehe aus einem Prüfbericht der internen Revision von VW hervor, schreibt das Blatt unter Berufung auf Aufsichtsratskreise. Das Kontrollgremium sei darüber bei seiner Sitzung am vergangenen Freitag informiert worden. Es sei aber nicht geklärt worden, warum die Warnung damals ohne Folgen geblieben sei. Sollten die externen Ermittler Belege für ein Fehlverhalten aktueller oder ehemaliger Vorstände finden, drohten den Managern Schadenersatzforderungen des Konzerns.

Behörden in USA und Europa verschärfen Kontrollen

Bosch soll sogar schon 2007 vor der gesetzeswidrigen Verwendung der Technik zur Abgasnachbehandlung gewarnt haben. Die von Bosch gelieferte Software sei nur für Testzwecke vorgesehen gewesen, nicht für den normalen Fahrbetrieb, schrieb die „Bild am Sonntag“ unter Berufung auf ein VW-internes Dokument, auf das die interne Revision gestoßen sei. In einem Brief habe Bosch dem Konzern mitgeteilt, dass der geplante Einsatz illegal sei. Ein Bosch-Sprecher betonte am Sonntag, man sei im Rahmen der Geschäftsbeziehungen mit VW zur Vertraulichkeit verpflichtet.

Als Reaktion auf den VW-Abgasskandal wollen die Behörden in den USA und Europa nun nach eigenen Angaben die Emissionstests für Autos verschärfen. Die US-Umweltbehörde EPA wies in einem Schreiben an die Hersteller darauf hin, dass sie zusätzliche Prüfungen verlangen könne. In diesen würde dann untersucht, ob die Abgasnormen unter normalen Fahrbedingungen auf der Straße erfüllt werden – und nicht nur in Testlaboren. „Wir werden ihnen nicht erzählen, was für Tests dies sind. Das brauchen sie nicht zu wissen“, sagte EPA-Vertreter Chris Grundler. Auch EU-Industriekommissarin Elzbieta Bienkowska kündigte ein konsequentes Vorgehen an. „Unsere Botschaft ist klar: strenge Befolgung der EU-Regeln und null Toleranz bei Betrug.“ Eine Sprecherin der EU-Kommission betonte allerdings, die Brüsseler Behörde gebe nur den regulatorischen Rahmen vor, für die Umsetzung seien die Mitgliedsländer zuständig.

Der zurückgetretene VW-Chef Martin Winterkorn pocht einem Zeitungsbericht zufolge derweil auf die Auszahlung seines noch bis Ende 2016 laufenden Vertrags. Im Aufsichtsrat gebe es allerdings Widerstände gegen die Forderungen angesichts der Milliardenkosten, die dem Konzern aus der Abgas-Affäre drohten, hieß es in der „Bild am Sonntag“. Winterkorn verdiente im vergangenen Jahr 15,9 Millionen Euro und war damit Spitzenreiter unter den Chefs der 30 DAX-Unternehmen. Volkswagen selbst lehnte eine Stellungnahme zu dem Bericht ab.

Kollaborationsaffäre während Diktatur in Brasilien

Neben dem Abgasskandal nimmt nun auch die Kollaborationsaffäre von VW in Brasilien in den 1960er- und 1970er-Jahren Fahrt auf. Das Unternehmen soll mit der damaligen Militärdiktatur eng zusammengearbeitet haben. „Volkswagen bedauert in höchstem Maße, dass den Betroffenen während der Militärdiktatur – gegebenenfalls unter Beteiligung von Mitarbeitern der Volkswagen do Brasil – Leid zugefügt wurde oder si

e wirtschaftliche Nachteile erfahren mussten“, sagte der Chef-Historiker des Automobilkonzerns, Manfred Grieger. „Volkswagen wird auf die Betroffenen zugehen und ihre Sicht der Dinge erfragen“, sagte Grieger. Gegen den Konzern war vor Kurzem bei der Bundesstaatsanwaltschaft in São Paulo Anzeige erstattet worden. Kommt es zum Prozess, droht auch hier juristischer Ärger mit möglichen Entschädigungszahlungen.

In Brasilien soll Volkswagen mit der Militärdiktatur kollaboriert haben
In Brasilien soll Volkswagen mit der Militärdiktatur kollaboriert haben © dpa | Fotoreport

Nach Angaben der nationalen Wahrheitskommission zur Aufarbeitung von Verbrechen in der Zeit von 1964 bis 1985 wird dem Autobauer vorgeworfen, dem Regime Informationen über angeblich subversive Aktivitäten von Mitarbeitern übermittelt zu haben. Zudem geht es um das mögliche Decken von Repression gegen Angestellte und Vorwürfe wie Festnahmen am Arbeitsplatz in VW-Werken. Eingereicht wurde die Anzeige von einer Menschenrechtsgruppe. Volkswagen ist seit 1953 in Brasilien aktiv und beschäftigt dort rund 20.000 Menschen.