München/Berlin/Hamburg. Der Flugzeugbauer erstattet Anzeige wegen des NSA-Skandals. Opposition spricht von Lügen der Bundesregierung. De Maizière unter Druck.

Es ist ein unglaublicher Verdacht, dem nun die Ermittlungs-Behörden offiziell nachgehen müssen. Denn auch der Wirtschaftsstandort Hamburg könnte betroffen sein. Die Affäre um den US-Geheimdienst NSA und seinen vermeintlichen ebenfalls im Verborgenen arbeitenden deutschen Helfer Bundesnachrichtendienst (BND) weitet sich immer weiter aus. Nachdem der Verdacht aufkam, der BND habe den amerikanischen Schlapphüten heimlich beim Ausspionieren der EU und auch europäischer Firmen geholfen, hat nun der Flugzeugbauer Airbus erklärt: „Wir haben die Bundesregierung um Auskunft gebeten. Wir werden jetzt Strafanzeige gegen Unbekannt wegen des Verdachts der Industriespionage stellen“, sagte ein Airbus-Sprecher am Donnerstagabend in München.

Der Hintergrund sind Medienberichte, nach denen die NSA mittels der BND-Spähtechnik im bayerischen Bad Aibling auch Wirtschaftsspionage betrieben haben könnte, unter anderem gegen den auch im Rüstungsgeschäft aktiven Luftfahrtkonzern.

„Wir sind uns bewusst, dass wir als großes Unternehmen unserer Branche Ziel und Gegenstand von Ausspähmaßnahmen sind. Hier sind wir allerdings alarmiert, weil der konkrete Verdacht der Industriespionage im Raum steht“, sagte der Sprecher. Eigene Erkenntnisse dazu habe man nicht.

Auslöser des Skandals war ein "Spiegel"-Bericht, wonach die NSA mit Wissen des Bundesnachrichtendienstes jahrelang Konzerne wie den Airbus-Vorgänger EADS ausspionierte. Das für den BND zuständige Kanzleramt kritisierte daraufhin den deutschen Auslandsgeheimdienst ungewöhnlich scharf. Zuletzt berichtete die "Süddeutsche Zeitung", in der Affäre gebe es nur vereinzelt Hinweise auf Wirtschaftsspionage. Ziel seien vielmehr hochrangige Beamte in Frankreich und der EU-Kommission gewesen.

"Das muss von den deutschen Behörden, einschließlich dem Parlament, gelöst werden", sagte EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker in Brüssel. SPD-Fraktionsvize Rolf Mützenich warnte vor einer Beschädigung der deutsch-französischen Beziehungen.

Juncker antwortete mit einem knappen "Ja" auf die Frage, ob er dem Satz von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zustimme, wonach Ausspähen unter Freunden gar nicht gehe. Das französische Außenministerium wollte zu den Berichten keine Stellung nehmen. Ein Sprecher erklärte am Donnerstag lediglich: "Wir stehen bei diesem Thema mit unseren deutschen Partnern in engem Kontakt." Der bekannte Linkspolitiker Jean-Luc Mélenchon forderte allerdings Ermittlungen in Frankreich – und eine Entschuldigung von Kanzlerin Merkel.

Neben Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) rücken auch weitere ehemalige Chefs des Kanzleramts in den Fokus, darunter Ronald Pofalla (CDU). De Maizière soll am kommenden Mittwoch vor dem Parlamentarischen Kontrollgremium (PKG) des Bundestages aussagen.

Der Unions-Obmann im Innenausschuss, Armin Schuster (CDU), sagte im Deutschlandfunk, vor diesem Termin sei es noch zu früh, über mögliche Konsequenzen zu reden. Linken-Fraktionsvize Jan Korte sprach von einer "Krise der parlamentarischen Demokratie" und forderte eine Regierungserklärung Merkels. Die Linke wirft der Bundesregierung vor, auf zwei Anfragen zur BND-Affäre unwahr geantwortet zu haben.

Der Grünen-Obmann im NSA-Untersuchungsausschuss, Konstantin von Notz, sagte im Deutschlandfunk, das Parlament habe eine Kontrollfunktion und müsse deshalb ehrliche Antworten bekommen. Seinen Erkenntnissen zufolge müsste die Bundesregierung bereits seit 2005 von der Übergriffigkeit der NSA gewusst haben. (HA/rtr/AFP/dpa)