Piloten der Lufthansa-Tochter streiken. Es geht um eine Vorruhestandsregelung. Die Gewerkschaft droht mit weiteren Arbeitsniederlegungen. 28 Germanwings-Flüge in Hamburg fallen heute aus.
Hamburg. Schon wieder leiden Tausende von Fluggästen am Hamburger Flughafen unter einem Pilotenstreik. Diesmal sind es Cockpitbesatzungen der Lufthansa-Billigtochter Germanwings, die an diesem Freitag zwischen 6.00 und 12.00 Uhr nicht zum Dienst antreten. 28 Flüge fallen dadurch in Hamburg aus.
Zwar hatten sich Vertreter der Pilotengewerkschaft Vereinigung Cockpit (VC) und der Lufthansa am Donnerstagvormittag noch einmal zu Verhandlungen über die umstrittene Vorruhestandsregelung getroffen. Doch am Nachmittag ging man ohne Ergebnis auseinander. „Wir sind sehr enttäuscht, dass wir den Streik nicht abwenden können“, sagte Lufthansa-Personalvorstand Bettina Volkens: „Es entsteht der Eindruck, dass für die VC der Streik bereits beschlossene Sache war“.
Hier die wichtigsten Fragen und Antworten zu dem Arbeitskampf.
Worum geht es in dem Tarifstreit?
Kern der Auseinandersetzung ist die so genannte Übergangsversorgung für die rund 5400 Piloten des Lufthansa-Konzerns. Nach der bisherigen Regelung dürfen sie mit 55 Jahren in den Ruhestand gehen. Um die Versorgungslücke bis zum Eintritt ins gesetzliche Rentenalter von 65 Jahren zu schließen, zahlte das Unternehmen einen Ausgleich von bis zu 60 Prozent des letzten Bruttogehalts. Um das zu finanzieren, hat die Lufthansa aus Gehaltsbestandteilen der Piloten Rückstellungen von 1,2 Milliarden Euro aufgebaut. Derzeit gehen die Lufthansa-Kapitäne im Schnitt mit knapp 59 Jahren in den Vorruhestand.
Allerdings hat der Europäische Gerichtshof 2011 das Höchstalter, bis zu dem Lufthansa-Piloten arbeiten dürfen, von 60 auf 65 Jahre hochgesetzt. Schon dadurch entfalle die Notwendigkeit der Übergangsversorgung in ihrer bestehenden Form, argumentiert die Lufthansa, und kündigte den entsprechenden Tarifvertrag. Nach den Vorstellungen des Konzerns soll das Mindestalter für den Vorruhestand schreittweise auf 61 Jahre angehoben werden.
Die Pilotengewerkschaft gesteht der Lufthansa zwar Kostensenkungen zu, will im Prinzip aber an der bisherigen Regelung festhalten. Die VC verweist auf die berufsbedingten Erschwernisse wie etwa ständige Zeitverschiebungen, Nachtflüge, Schichtdienst und Strahlenbelastung. „Aufgrund der hohen Belastung für Piloten ist es notwendig, dass jeder den richtigen Zeitpunkt für das Ausscheiden am Ende der Laufbahn selbst bestimmen kann“, sagte Ilona Ritter, Vorsitzende Tarifpolitik bei der VC – das sei auch im Interesse der Sicherheit der Passagiere.
Nach Auffassung der Gewerkschaft ist zudem die Übergangsversorgung für die Lufthansa fast kostenneutral, weil dadurch ältere Kapitäne mit Spitzenverdiensten von 260.000 bis mehr als 300.000 Euro pro Jahr früher ausscheiden. Ein Lufthansa-Sprecher wies diese Darstellung aber zurück. „Die Übergangsversorgung kostet im Schnitt sechs Prozent der gesamten Personalkosten pro Pilot. Langfristig ist das nicht mehr finanzierbar.“
Warum sind die Gespräche gescheitert?
Wegen der komplizierten Materie hatte Lufthansa-Personalchefin Bettina Volkens der VC angeboten, einen Verhandlungsprozess festzuschreiben, an dessen Ende eine fest vereinbarte Schlichtung stehen könnte. Die bisherigen Regelungen zur Übergangsversorgung sollen bis 2016 beibehalten werden. Dagegen warf die Pilotengewerkschaft der Lufthansa eine „fundamentale Blockadehaltung“ vor. „Es muss klar sein, dass damit jetzt Schluss ist und wir endlich zu Lösungen kommen“, sagte VC-Sprecher Jörg Handwerg.
Seit wann wird darum gerungen?
Vor einem Jahr hatte die Lufthansa den Tarifvertrag über die Vorruhestandsregelung zu Ende 2013 gekündigt. Nachdem sich keine Einigung auf eine Anschlussregelung abzeichnete, streikten Piloten von Lufthansa, Germanwings und der Frachttochter Lufthansa Cargo im April drei Tage lang. Während des schärfsten Streiks der Lufthansa-Geschichte fielen 3800 Flüge aus, betroffen waren 425.000 Fluggäste.
Was bedeutet der Streik für Passagiere?
Nach Germanwings-Angaben werden von den 164 Flügen an allen deutschen Flughäfen, die in den Streikzeitraum am Freitag zwischen 6.00 und 12.00 Uhr fallen, 116 gestrichen. Etwa 15.000 Passagiere könnten daher ihren Flug nicht antreten. In Hamburg fallen 14 Abflüge und 14 Ankünfte aus, die letzte davon um 18:30 Uhr. Welche Flüge betroffen sind, können Passagiere auf den Internetseiten von Germanwings und Hamburg Airport sehen. Die betroffenen Fluggäste hätten die Möglichkeit, auf die Bahn auszuweichen, teilte Germanwings mit. Sie könnten ihren Flug aber auch stornieren oder umbuchen. Flüge in die Urlaubsgebiete fänden statt. Es sei vorstellbar, dass es in den kommenden Tagen immer mal wieder zu ähnlichen Ausständen kommen könnte, sagte ein VC-Sprecher.
Welche Rechte haben die Passagiere?
Einen wegen Streiks gestrichenen Flug kann der Kunde stornieren, er bekommt sein Geld zurück. Wer trotzdem fliegen will, hat Anspruch auf einen späteren Flug. Es kann aber dauern, bis der Streik vorbei ist. Bei Annullierung, Überbuchung oder Verspätung ab drei Stunden haben Passagiere zwar laut EU-Verordnung Anspruch auf eine Entschädigung von bis zu 600 Euro. Aber die Fluggesellschaften werten Streiks als „außergewöhnlichen Umstand“. Entschädigung gibt es daher nicht.