Möbelhaus verlässt die Edelmeile. Steigende Mieten verdrängen immer mehr Geschäfte. Chanel und Prada kommen. Der Neue Wall erreicht inzwischen Mieten von 300 Euro pro Quadratmeter.
Hamburg. Die Entwicklung des Neuen Walls zum Luxusstandort geht weiter. Das Möbelgeschäft Habitat verlässt die Shoppingmeile in der City. „Wir konnten die Mietansprüche beim besten Willen nicht mehr erfüllen“, sagt Geschäftsführer Thomas Kraus. Bei den Mietverhandlungen im Frühjahr hatte der Vermieter die Preise noch einmal deutlich angehoben. Zwar konnte Habitat eine Verlängerung um sechs Monate zu den alten Konditionen erwirken, um im Juni noch den Ausverkauf organisieren zu können. Dann aber heißt es für das Möbelhaus bis zum 31. Juli, Abschied zu nehmen – nach 13 Jahren.
Der Neue Wall erreicht inzwischen Mieten von 300 Euro pro Quadratmeter. Diese Preise zahlen heute nur noch internationale Luxuslabel, die sich nun noch stärker als bisher am Neuen Wall konzentrieren. Renommierte Namen wie Chanel oder Bottega Veneta gehören inzwischen zu den Nachbarn von Habitat. „Diese Geschäfte brauchen aber nicht die Laufkundschaft wie wir“, sagt Kraus. Mit dem Zuzug der sehr hochpreisigen Label seien die Frequenzen in der Straße gesunken, es kämen meist nur noch Touristen. Zwar sieht sich Habitat auch als Design-Anbieter, setzt aber eher auf eine breitere Zielgruppe. Zum Vergleich: Die kleinste Handtasche bei Bottega Veneta kostet mit 1200 Euro so viel wie ein Sofa bei Habitat. Die Möbelmarke, die zwischenzeitlich zur gleichen Gruppe wie Ikea gehörte, zieht nun ins Nikolai-Viertel, an den Großen Burstah. Aufgegeben wegen hoher Mieten am Neuen Wall haben zuletzt auch die Krawatterie, Joop! und die Schuhkette Görtz.
Derweil zielt die Entwicklung am Neuen Wall weiter eindeutig auf Luxus. Chanel und Dolce & Gabbana haben in diesen Tagen eröffnet, Giorgio Armani, Brioni und Mulberry folgen in Kürze. Weiter Richtung Binnenalster begrüßen künftig der Kofferhersteller Rimowa und Prada aus Italien die Kunden. Auch die Uhrenmarke Patek Philippe erwartet hier bald gut situierte Käufer.
„Wir sind hier am Neuen Wall in den vergangenen zwei Jahren auf 20 neue Mietabschlüsse gekommen“, sagt Philipp Hass, Direktor Einzelhandelsvermietung bei CBRE, die selbst am Neuen Wall sitzt. Das weltweit größte Dienstleistungsunternehmen auf dem gewerblichen Immobiliensektor beobachtet die Lage an der Einkaufsmeile schon seit Jahrzehnten, Philipp Hass selbst seit 16 Jahren. Die Dynamik, die der Straßenzug in den vergangenen Monaten entwickelt hat, überrascht aber sogar die Insider. „Es hat einen Ruck gegeben am Neuen Wall“, sagt Hass. Der Branchenexperte rechnet mit weiteren Zuzügen von Nobelmarken. Dior, Yves Saint Laurent oder Valentino fehlten hier schließlich noch.
Der Hintergrund für die Entwicklung: Neben dem E-Commerce bilde das Luxus-Segment den größten Wachstumstreiber im Handel. Die Spitzen der Gesellschaft in Ländern wie China, Indien oder Russland dehnten sich aus und begeisterten sich viel stärker als Europäer für Statussymbole. „Gerade in unserer Stadt spielen solche Dinge ja nicht so eine große Rolle“, sagt Hass, alteingesessener Hamburger. Mit dem Zuzug der italienischen oder französischen Designer wird die Luft für die einheimischen Kaufleute dagegen dünner. Läden mit hanseatischen Wurzeln wie Porzellan Weitz, das Wäschehaus Möhring oder Schacht & Westerich bekommen in der Gegend Seltenheitswert. „Kleine, kreative Anbieter finden nach wie vor ihren Platz in den Stadtteilen“, kommentiert Hass den Trend in der City. Winterhude und Eppendorf punkten nach wie vor mit individuellen Geschäften, während die City austauschbarer wird, an der Mönckebergstraße mit Städten wie Köln oder Stuttgart, am Neuen Wall mit Metropolen wie Paris oder London.
Mit diesen Weltstädten konkurriert die Hansestadt auch um die Luxuslabel, die sich attraktive Standorte problemlos leisten können: Hinter Marken wie Chanel und Louis Vuitton stehen nicht nur häufig kapitalstarke Konzerne, sondern sie profitieren auch von ganz anderen Margen. „Wenn ein wohlhabender Kunde bei Dior drei Anzüge für 4000 Euro kauft, muss ein Händler im Massenmarkt 50 Anzüge verkaufen, um auf den selben Gewinn zu kommen“, sagt Hass. Die Edelshops seien durchaus keine Marketingspielereien für die Marken, sondern rechneten sich trotz der hohen Mieten. Es sei daher nicht verwunderlich, dass die Konzerne, die hier ihre Einkaufspaläste eröffneten, die Preise für Immobilien am und rund um den Neuen Wall in immer höhere Sphären treiben könnten. Zumal die Immobilienkosten an der Elbe immer noch günstiger seien als an der Themse oder der Seine.
Für Habitat stellt der Umzug in Hamburg indes bundesweit eine Sondersituation dar. „Wir haben gerade parallel in Stuttgart, Köln und Düsseldorf die Konditionen neu verhandelt“, sagt Thomas Kraus. An allen diesen Standorten, ebenfalls in Eins-a- und Eins-b-Lagen, seien die Mieten nicht so sehr gestiegen wie in Hamburg.