Wegen Steuerhinterziehung müssen die Eigentümer des italienischen Luxusmodehauses 500 Millionen Euro zahlen
Rom. Es steckt schon im Namen: Dolce & Gabbana steht für die Sehnsucht nach dem Dolce Vita. Die beiden Modedesigner Domenico Dolce, 54, und Stefano Gabbana, 50, bedienen seit mehr als 30 Jahren die weitverbreiteten Klischees über ihre Heimat Italien. Das sind Sophia Loren, Pasta und Sizilien. Üppige Entwürfe, präsentiert in Werbekampagnen, die eine nudelkochende Madonna oder durchtrainierte Körper am Mittelmeerstrand zeigen.
Jetzt aber steht Dolce & Gabbana für ein weiteres, weit weniger schönes Stereotyp: Steuerhinterziehung. Ein Gericht in Mailand verurteilte die beiden in erster Instanz zu einer Haftstrafe von 20 Monaten. Auch die Vorstandschefin Cristiana Ruello, der Finanzchef Giuseppe Minoni, der Justiziar Luciano Patelli und der Bruder von Domenico Dolce, Alfonso Dolce, wurden bestraft. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, die Anwälte teilten zudem mit, in Berufung gehen zu wollen. Doch selbst wenn das Urteil bestätigt würde, müssten die Designer vermutlich nicht ins Gefängnis. In Italien werden Haftstrafen unter drei Jahren in Hausarrest oder gemeinnützige Arbeit umgewandelt.
Bedrohlich für Dolce & Gabbana ist das Urteil trotzdem. Das Gericht verhängte eine Strafzahlung von knapp 500 Millionen Euro an die italienische Steuerbehörde. „Weil die beiden Designer gar nicht über dieses Geld verfügen, wird die Steuerbehörde höchstwahrscheinlich den wertvollsten Teil ihres Vermögens angreifen, ihre Anteile an dem Unternehmen Dolce & Gabbana“, schreibt das Verteidigerteam um Massimo Dinoia. „Wir wagen gar nicht uns auszumalen, was das für wirtschaftliche und soziale Folgen hätte.“
Die Modedesigner bedienen seit mehr als 30 Jahren Klischees über Italien
Die Justiz heizt ein Thema an, das schon seit Langem diskutiert wird: Wie geht es langfristig mit Dolce & Gabbana weiter? Das Unternehmen, das jährlich rund eine Milliarde Euro umsetzt, ist ein Außenseiter in der modernen Modewelt. Die unabhängigen Häuser in Hand einer Familie oder der Gründer verschwinden. Das Kapital allein reicht nicht, um viel versprechende Märkte in Asien bedienen zu können. Die Expansion nach Fernost ist nicht nur teuer, sondern auch zunehmend riskant. In China wird der Wettbewerb im Luxussektor härter, weil die Kundschaft wählerischer wird. Laut dem italienischen Modeverband Altagamma und der Beratungsgesellschaft Bain wächst der chinesische Markt dieses Jahr nur noch um sechs bis acht Prozent. 2012 lag das Plus bei rund 20 Prozent.
Die Modehäuser werden deshalb entweder an große Gruppen verkauft, gehen an die Börse oder holen sich eine Beteiligungsgesellschaft an Bord. Beispiele für die drei Modelle gibt es in Italien zuhauf. Der Schmuckhersteller Bulgari wurde von dem französischen Luxuskonzern LVMH geschluckt. Prada, der Schuhhersteller Salvatore Ferragamo und der Kaschmirkönig Brunello Cucinelli wagten den Gang aufs Börsenparkett.
Italien macht Front gegen Steuerhinterziehung, um in der Schuldenkrise die Staatskasse zu füllen. Nach Angaben der Steuerbehörden entgingen dem Fiskus im vergangenen Jahr durch versteckte Vermögen in Offshore-Paradiesen 17 Milliarden Euro. Die Modeindustrie steht auf den Listen der Fahnder ganz weit oben. 2012 gingen die Ermittler gegen den Marzotto-Clan vor und beschlagnahmte Villen und Luxuswohnungen. Bei dem Verkauf des Modehauses Valentino im Jahr 2007 soll die Familie ein Luxemburger Vehikel dazwischengeschaltet haben, um Steuern zu sparen. Die Familie bestreitet die Vorwürfe.
Das Unternehmen ist ein Außenseiter in der modernen Modewelt
Der Fall von Dolce & Gabbana ist ähnlich gelagert: Er bewegt sich im Zeitraum 2004 bis 2007, im März 2004 gründeten Dolce & Gabbana die Gesellschaft Gado in Luxemburg, auf die sie Markenrechte im Wert von 360 Millionen Euro übertrugen. Damit zahlten die Modedesigner für ihre Lizenzeinnahmen nicht mehr den italienischen Steuersatz von 32 bis 33 Prozent, sondern nur noch den Luxemburger Satz von drei bis vier. Bei Gado lief über drei Jahre ein Nettogewinn von insgesamt 144 Millionen Euro auf, wie aus den Handelsregisterauszügen hervorgeht. Für Staatsanwältin Laura Pedio handelt es sich bei Gado um eine Briefkastenfirma, die ganze Konstruktion sei ein „ausgeklügeltes Manöver des Steuerbetrugs“. Dolce & Gabbana bestreiten das.