Germanwings hat die Trendwende geschafft. Der designierte Lufthansa-Chef Spohr witzelt über die Konkurrenz von Ryanair, muss aber die Sanierung fortsetzen.

Frankfurt/Main. Carsten Spohr nimmt Kurs auf das Lufthansa-Cockpit: Der aussichtsreichste Anwärter auf die Nachfolge von Christoph Franz bringt das Passagiergeschäft der Fluggesellschaft wieder auf Vordermann. Wichtigster Coup ist der bei Vielfliegern umstrittene, aber wirtschaftlich erfolgreiche Neustart des Billigablegers Germanwings. Damit empfiehlt sich der ausgebildete Pilot für Höheres.

Noch-Chef Franz geizt nicht mit Lob: Im Lufthansa-Passagiergeschäft sei es gelungen, den Trend umzukehren. „Erstmals seit fünf Jahren schreiben wir im Lufthansa-Europaverkehr wieder schwarze Zahlen – dank der Fortschritte mit Germanwings.“

Die Geschäftszahlen untermauern den Erfolg. Wegen der laufenden Konzernsanierung und Erlössteigerungen schnellte der operative Gewinn der Lufthansa-Passagiersparte und ihrer Billigtochter Germanwings in den ersten neun Monaten um 170 Prozent auf 300 Millionen Euro. Der Umsatz stieg um ein Prozent auf 13,2 Milliarden Euro. Der Bereich, der im Unternehmen Lufthansa Passage heißt, steht für knapp 60 Prozent des Konzernumsatzes.

Den Rest der Geschäfte machen die Töchter wie Austrian Airlines, Swiss oder der Wartungs- und Reparatur-Marktführer Lufthansa Technik aus. Inklusive der Ableger schrumpfte der operative Gewinn der Lufthansa – wie bekannt – im Zeitraum von Januar bis Ende September um 27 Prozent auf 660 Millionen Euro. Grund für das Minus waren hohe Extrakosten für den Konzernumbau, etwa für Abfindungen beim Abbau von Stellen. Die Kranich-Airline steckt derzeit im größte Umbau ihrer Geschichte und streicht 3500 Jobs.

Dem 46-jährigen Spohr trauen viele im Konzern und Aufsichtsrat den Top-Job zu. Der selbstbewusst auftretende Manager ist seit 2011 im Vorstand der Lufthansa. Der Passagierbereich muss in Folge des Sparprogramms die härtesten Einschnitte verkraften. Der Diplom-Wirtschaftsingenieur und Airbus-Pilot kennt sich nach zwei Dekaden bei der Lufthansa in jeder Ecke des 117.000 Mitarbeiter großen Konzerns aus. Ihm wird auch zugetraut, die nach den harten Sanierungsschritten von Franz zerstrittenen Tarifparteien wieder an einen Tisch zu bringen.

Schlagfertig ist er auch: Auf die Frage nach dem Unterschied zwischen der konzerneigenen Billigairline Germanwings und Ryanair antwortete der Manager: „Der Unterschied ist: Unsere Piloten tanken.“ Zuvor waren einige Ryanair-Maschinen wegen Spritmangels notgelandet.

Chancen dürfen sich auch Swiss-Chef Harry Hohmeister und Cargo-Chef Karl Ulrich Garnadt ausrechnen. Franz wechselt im Frühjahr zum Schweizer Pharmariesen Roche. Einblicke in die Suche nach einem Nachfolger oder den Zeitplan für seine Ablösung wollte er nicht gewähren. Der Aufsichtsrat fahnde im Unternehmen und extern nach Kandidaten, sagte er.

Sein Meisterstück liefert Spohr nun mit der Sanierung des darbenden Europa-Geschäfts, das auch Flüge in Deutschland umfasst. Hier häufte der Konzern in der Vergangenheit jährlich Verluste von bis zu 300 Millionen Euro an. Germanwings auf sich allein gestellt ist aber noch nicht am Ziel. Die Billigtochter wird erst 2015 in die Gewinnzone fliegen – nach 200 Millionen Euro Verlust im vorigen Jahr. Der Ableger übernimmt seit Juli schrittweise alle Lufthansa-Verbindungen abseits der Drehkreuze Frankfurt und München.

Der Start ist gut gelaufen. In den drei Monaten seit der offiziellen Markteinführung habe die Auslastung bei 74,5 Prozent gelegen, sagte Konzernfinanzchefin Simone Menne. Die Vorausbuchungen seien ebenfalls zufriedenstellend. Damit hat die Lufthansa erstmals Zahlen über die Tochter veröffentlicht, die Ryanair Konkurrenz machen soll. Von der Auslastung des Billig-Marktführers ist der Newcomer aber noch weit entfernt – die lag im gleichen Zeitraum bei über 85 Prozent. Das heißt: Im Schnitt waren neun von zehn Sitzen in einem Ryanair-Flugzeug besetzt.

Aufwind gibt es nach langer Durststrecke auf dem Frachtmarkt. Im Cargo-Geschäft seien im laufenden Quartal die ersten Anzeichen einer Erholung auszumachen, sagte Menne. Die Cargo-Kapazitäten dürften um sechs Prozent wachsen. Das Geschäft mit Luftfracht leidet seit langem unter der schwachen Weltwirtschaft. Die Lufthansa betreibt eine eigene Cargo-Airline mit 18 Flugzeugen.

Skeptischer sieht das Air France-KLM. Die französisch-niederländische Fluggesellschaft teilte mit, neben der Mittelstrecke entwickele sich der Cargo-Bereich nicht wie gewünscht. Es werde dort im nächsten Jahr zwar eine „signifikante Reduzierung“ der Verluste geben. Allerdings werde die Gewinnschwelle – anders als zunächst vorhergesagt – noch nicht erreicht.

Air France-KLM befindet sich in einem größeren Umbau und hatte zuletzt den Abbau von knapp 2900 Stellen angekündigt, um die Kosten zu senken und so gegen die schwache Konjunktur und die scharfe Konkurrenz zu kämpfen. Im dritten Quartal kletterte der operative Gewinn um 29 Prozent auf 634 Millionen Euro. Der zuletzt zum Dollar stark gestiegene Euro senkte die Rechnung für Treibstoff um 109 Millionen Euro. Der Umsatz stagnierte allerdings bei 7,2 Milliarden Euro.