Die Mittelständler haben eine Deckungslücke von 4,1 Milliarden Euro. Die Lufthansa kappt die Betriebsrenten. Aber es gibt auch flexible Lösungen bei niedrigen Zinsen.
Frankfurt/Main. Das Dauertief bei den Zinsen nagt nicht nur am Ersparten, es bereitet auch Unternehmen Probleme bei der betrieblichen Altersvorsorge. Um das Versprechen eines auskömmlichen Ruhestandbeitrags für die Mitarbeiter zu halten, muss manche Gesellschaft Geld zuschießen. Immer weniger Firmen, die für die Altersversorgung geradestehen, garantieren ihren Beschäftigten daher ein festes Versorgungsniveau.
Schwierig ist die Lage vor allem für Unternehmen, die eigene Pensionskassen unterhalten. „Pensionskassen haben oft noch eine garantierte Verzinsung von 3,5 bis 4 Prozent der Beiträge zugesagt. In Zeiten anhaltend niedriger Zinsen kann es schwierig werden, diese garantierten Zinsen erwirtschaften“, sagt Stefan Oecking, Partner bei dem Beratungsunternehmen Mercer. Im Zweifelsfall müsse das Trägerunternehmen Geld nachschießen.
Nach Berechnungen des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK) droht in den kommenden 15 Jahren allein bei den Betriebsrenten der Mittelständler eine Deckungslücke von 4,1 Milliarden Euro. Die Pensionsverpflichtungen des Mittelstands belaufen sich laut DIHK auf insgesamt 24 Milliarden Euro, die eigentlich durch Kapitalanlagen abgesichert sein sollten. Da die Zinseinnahmen niedriger ausfallen dürften als erwartet, müssten die Firmen die fehlenden 4,1 Milliarden Euro ausgleichen, warnte der DIHK im Frühjahr.
Auf den Rekordwert von 311 Milliarden Euro beziffert Mercer die Pensionsverpflichtungen der 30 Dax-Unternehmen im vergangenen Jahr, 55 Milliarden mehr als 2011. Dem steht ein Pensionsvermögen von 193 Milliarden Euro gegenüber.
Maßstab für die Berechnung von Pensionslasten ist die Rendite von Unternehmensanleihen mit guter Bonität, die seit geraumer Zeit rückläufig ist. Sinkt die Rendite der Anleihen, steigt der in der Bilanz anzusetzende Gegenwert der Pensionsverpflichtungen. Seit 2008 hat sich Oecking zufolge dadurch der Verpflichtungsumfang um 30 bis 40 Prozent erhöht. Die Folge: die Unternehmen müssen mehr Rückstellungen bilden. Das nagt am Eigenkapital.
Die Altersvorsorgemodelle deutscher Unternehmen reichen von einem fest zugesagten Versorgungsniveau bis zu Modellen mit flexiblen Zinsen. „Generell geht der Trend dahin, die Mitarbeiter stärker an den Risiken der Kapitalmarktschwankungen zu beteiligen“, sagt Michael Braun, Experte für betriebliche Altersvorsorge bei der Kanzlei Rödl & Partner.
Beispiel Lufthansa: Europas größte Fluggesellschaft garantiert ihren Mitarbeitern im Inland bisher eine Verzinsung von sechs bis sieben Prozent der eingezahlten Beiträge. Den Tarifvertrag von 1994 will die Lufthansa nun kündigen und mit den Gewerkschaften eine neue Vereinbarung aushandeln – ohne Zinsgarantie.
Der Fall Lufthansa ist jedoch nicht repräsentativ. Beim Münchner Dax-Konzern Siemens etwa orientiert sich bei der Verzinsung der vollständig vom Unternehmen finanzierten Altersversorgung seit 2003 am Garantiezins für Lebensversicherungen – dieser ist mittlerweile auf 1,75 Prozent gesunken. Die Deutsche Bank verzinst den Versorgungsbeitrag neu eingestellter Mitarbeiter seit 2005 marktabhängig.
Bei Tarifverträgen ist eine Umstellung der Altersversorgung vergleichsweise einfach. Sind sich die Tarifparteien einig, kann sogar in bestehende Betriebsrenten eingegriffen werden, erläutert Jurist Braun. Schwieriger ist es bei Betriebsvereinbarungen. Dort hat die Rechtsprechung enge Grenzen gezogen. „Ein Eingriff in laufende Rentenzahlungen oder in bereits verdiente Leistungen ist nicht möglich“, sagt der Experte.
Dass Betriebsrenten bei Beschäftigten hierzulande hoch im Kurs stehen, zeigt eine Umfrage des Beratungsunternehmens Towers Watson aus dem Jahr 2012: Drei Viertel von 2000 befragten Angestellten deutscher Großunternehmen sind bereit, einen Teil ihrer Bezüge in eine garantierte betriebliche Rente umzuwandeln. Sie erwarten dafür sichere Anlageformen und flexible Auszahlungsmöglichkeiten sowie eine namhafte Beteiligung des Arbeitgebers.