Das Niveau der gesetzlichen Rente sinkt, mehr private Vorsorge soll vor Altersarmut schützen. Das Abendblatt beantwortet die wichtigsten Fragen.
Hamburg. Dass die gesetzliche Rente zum Lebensunterhalt ab 65 oder 67 in Zukunft nicht reichen wird, ist eine Binsenweisheit. Doch auch die Riester-Rente und die kapitalgedeckte Vorsorge sind in die Kritik geraten, weil in Zeiten der Finanzkrise die Renditen sinken. Gleichzeitig wachsen die Reserven der gesetzlichen Rentenversicherung auf ein Rekordhoch. Wie passt das zusammen? Das Abendblatt beantwortet die 15 wichtigsten Fragen.
Wie berechnet sich überhaupt die gesetzliche Rente?
Was ein Rentner herausbekommt, hängt von dem ab, was er im Arbeitsleben einzahlt. Die Rentenversicherung verschickt Jahr für Jahr Prognosen zur individuellen Rentenhöhe. Vom derzeitigen Beitrag von 19,6 Prozent vom Bruttoverdienst zahlen Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Hälfte. Bis zur Höhe von 5600 Euro Monatsgehalt (4800 im Osten) müssen Beiträge gezahlt werden. Kindererziehungszeiten werden angerechnet, für Zeiten von Arbeitslosigkeit werden für ein Jahr geringe Beiträge entrichtet. In die Rentenkasse fließen pro Jahr etwa 80 Milliarden Euro aus dem Bundeshaushalt für "versicherungsfremde Leistungen" wie die Anrechnung von Kindererziehungszeiten für die Rente. Ein Standardrentner (45 Versicherungsjahre, jedes Jahr das Durchschnittseinkommen verdient) erhält derzeit 1230 Euro aus der gesetzlichen Rente. Wer vor der Altersgrenze von 65 oder 67 Jahren Rente beziehen will, muss Abschläge in Kauf nehmen: 0,3 Prozent pro Monat, den man früher geht.
Was ist die Rentenformel?
Sie zeigt an, wie die Rente jedes Jahr steigt und richtet sich nach der Entwicklung der Löhne. In die Rentenformel sind ein Nachhaltigkeits- und ein Riesterfaktor eingebaut. Das heißt, dass eine Rentensteigerung nie so hoch ausfällt wie möglich. Der Nachhaltigkeitsfaktor besagt, dass es in Zukunft deutlich mehr Rentner und weniger Arbeitnehmer geben wird, die die Renten finanzieren. Der Riester-Faktor weist darauf hin, dass die Arbeitnehmer einen Teil ihres Einkommens in eine private Altersvorsorge stecken können, bevor dafür Beiträge zur Rentenkasse gezahlt werden. Deshalb kommt vom Gehalt nicht so viel in der Rentenkasse an wie früher. Diese Faktoren "dämpfen" die Rentensteigerung.
Was unterscheidet gesetzliche Rente und Beamtenpension?
Beamte zahlen nicht in die Rentenkasse. Sie erhalten je nach Zahl der Dienstjahre bis zu 71 Prozent des letzten Gehalts als Pension. Davon müssen sie Beiträge an ihre private Krankenversicherung abführen (Rentner zahlen auch in die gesetzliche Kranken- und Pflegeversicherung) und die Pension voll versteuern. Der Steueranteil der gesetzlichen Rente steigt ebenfalls.
Hat die Rentenkasse Reserven?
Sie dürften sich durch die gute Konjunktur Ende 2012 auf 28,8 Milliarden Euro angehäuft haben. Laut Gesetz müssen bei dem 1,5-Fachen einer Monatsausgabe (etwa 18 Milliarden Euro) die Beiträge gesenkt werden. 2013 sollen sie 19,0 Prozent betragen. Daran gibt es Kritik, weil das Geld lieber gespart werden soll, finden SPD und Gewerkschaften sowie Teile der CDU.
Wie hoch ist die Rendite der gesetzlichen Rente?
Sie liegt zwischen 3,0 und 3,8 Prozent - das ist viel im Vergleich zu manchen Anlageformen, die wegen der Finanzkrise schrumpfen.
Wie wird sich die gesetzliche Rente entwickeln?
Das Standardrentenniveau senkt sich von 51 auf 43 Prozent im Jahr 2030. Das bedeutet, ein Standardrentner verdient nur noch 43 Prozent vom Gehalt eines Durchschnittsverdieners. Rentenversicherung und Experten dringen darauf, die "Rentenlücke" zu schließen, die zwischen gesetzlichem Anspruch und Bedarf zum Lebensunterhalt besteht. Private Vorsorge sollte deshalb gleich mit Berufseintritt beginnen.
Wie viele arme Rentner gibt es?
Etwa 2,4 Prozent der 20 Millionen Rentner bekommen die Grundsicherung. Die Zahlen sind seit einigen Jahren recht stabil, sollen aber steigen. Denn die Zahl der Niedriglöhner und prekär Beschäftigten in Deutschland nimmt ebenfalls zu. Verlässliche Szenarien gibt es nicht.
Was bedeutet die Zuschussrente?
Nach dem Modell von Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) bekommt derjenige künftig 850 Euro im Monat, der 40 Versicherungsjahre hat, davon 30 Beitragsjahre. Ab 2023 sind 45 bzw. 35 Jahre erforderlich. Eine private Altersvorsorge ist ab 2018 verpflichtend. Diese wird am Ende nicht auf die gesetzliche Rente angerechnet. Nach Ministeriumszahlen gibt es im Jahr 2013 insgesamt 26 000 Menschen, die die Zuschussrente beziehen, 2025 sind es 934 000, und im Jahr 2030 werden es 1,35 Millionen Menschen sein.
Warum privat vorsorgen?
Die gesetzliche Rente allein wird für den Lebensunterhalt der meisten Bürger nicht mehr reichen, weil die Gesellschaft altert und die Lebenserwartung steigt. Die rot-grünen Rentenreformen begünstigen die private Altersvorsorge, ob Riester-Rente oder Betriebsrente. Wer in diese Verträge einzahlt, darf vom Lohn bis zu vier Prozent abziehen, ehe die Sozialabgaben fällig werden. Bei der Riester-Rente kommen staatliche Zuschüsse und Kinderzuschläge dazu.
Welche Möglichkeiten gibt es, selber für das Alter vorzusorgen?
Hier muss man unterscheiden zwischen staatlich geförderten Vorsorgeprodukten - dies sind vor allem die Riester-Rente, die sogenannte Rürup-Rente und die betriebliche Altersvorsorge - sowie die Varianten ohne direkte Förderung wie etwa Fonds sowie Lebens- und Rentenversicherungen. "Man muss wissen, dass ungeförderte Produkte durchaus eine bessere Rendite bringen können als geförderte", sagt dazu Achim Tiffe, Geschäftsführender Direktor des Instituts für Finanzdienstleistungen (iff) in Hamburg. Bei langen Anlagezeiträumen von mehr als 25 Jahren könnten Sparpläne auf Indexfonds eine gute Alternative sein: "Sie bieten zwar keine Garantie auf Kapitalerhalt, aber dafür sind die Kosten sehr niedrig und man bleibt flexibel, weil man sich nicht festlegt."
Lohnt sich das Riestern?
Seit 2002 sind 45 Milliarden Euro an Beiträgen und staatlichen Zulagen in Riester-Verträge geflossen. Davon waren 13,2 Milliarden vom Staat. Zurzeit gibt es 15,5 Millionen Verträge - Tendenz weiter steigend. Zahlen der Zulagenstelle belegen: Geringverdiener und Frauen profitieren auch von Riester. Jeder dritte Riester-Sparer mit staatlicher Förderung verdient weniger als 10 000 Euro im Jahr brutto. 70 Prozent haben ein Einkommen unter 30 000 Euro, also unter dem Durchschnittsverdienst. "Der Kinderzuschlag kommt bei den Familien an", sagte Sabine Ohsmann von der Deutschen Rentenversicherung. Von jedem Euro Staatsförderung flössen gut 40 Cent als Kinderzulage. Wegen der geringen Kosten halten Experten Riester-Produkte auf Basis von Banksparplänen für sinnvoll.
Für wen eignet sich die Rürup-Rente?
Die Rürup-Rente (offiziell: Basisrente) zielt vor allem auf Selbstständige. Nicht selten jedoch seien die Kosten sehr hoch, hat Tiffe beobachtet: "Bei Provisionen für den Vermittler von zum Beispiel 7500 Euro ist zumindest in den ersten zehn Jahren keine nennenswerte Rendite zu erwarten." Häufig werde die Rürup-Rente aber auch zum Steuersparen von gut verdienenden Menschen gegen Ende ihrer Karriere genutzt, die dann hohe Einmalbeiträge einzahlen.
Ist die betriebliche Altersvorsorge der Königsweg?
An der betrieblichen Altersvorsorge per Entgeltumwandlung gefällt dem Hamburger Finanzexperten Tiffe besonders das simple Prinzip: "Die Beiträge werden direkt vom Bruttogehalt abgezogen, es gibt keine Bürokratie wie etwa Förderanträge." Er rät Arbeitnehmern aber dazu, sich selbst die Mühe zu machen, die Kostenstruktur des vom Arbeitgeber vorgeschlagenen Produkts mit denen anderer Anbieter zu vergleichen. Für das Unternehmen sei es kein großer Aufwand, die Beiträge in eine andere Pensionskasse als die per Rahmenvertrag vorgesehene zu leiten.
Sind Lebensversicherungen noch empfehlenswert?
Traditionell sind sie noch immer die wohl am weitesten verbreitete Form der privaten Altersvorsorge: Mehr als 93 Millionen Verträge gibt es in Deutschland, im Jahr 2011 wurden Leistungen von 85 Milliarden Euro ausgezahlt. Lebens- und Rentenversicherungen sind nach Auffassung von Tiffe aber "zu unflexibel": Der Kunde erleide in der Regel hohe Einbußen, wenn er den Vertrag ruhen lassen oder kündigen wolle. Inzwischen sei auch die garantierte Verzinsung - die bei Neuverträgen nur noch 1,75 Prozent beträgt - kein sehr gutes Verkaufsargument mehr.
Schützt eine Immobilie vor Altersarmut?
"Wenn sie abbezahlt ist, tut sie das", sagt Tiffe. Bis zum Erreichen des Rentenalters sollte es aber möglichst so weit sein, fügt er an. Allerdings müsse man berücksichtigen, dass auch Rücklagen etwa für ein neues Dach oder andere notwendige Renovierungen gebildet werden sollten. "Es soll sich aber niemand nur durch die aktuell niedrigen Bauzinsen und durch den jüngsten kräftigen Immobilienpreisanstieg verleiten lassen, jetzt eine Wohnung oder ein Eigenheim zu kaufen", warnt Tiffe. "Man muss sich schon einigermaßen sicher sein, dass man die Anschlussfinanzierung auch noch tragen kann, wenn die Zinsen dann spürbar höher sind."