Schritt für Schritt müht sich Europa aus der Krise und die Zuversicht steigt. Das ist aber auch gefährlich, warnt nicht nur EZB-Chef Draghi.

Frankfurt/Main. Die Anzeichen sind deutlich: Die Dauerkrise im Euroraum ist auf dem Rückzug. Trotz kleinerer Rückschläge geht es an der Börse seit Monaten nach oben, während die Banken aus den Krisenländern sich wieder leichter am Markt frisches Geld besorgen können.

Die Stimmung an den Finanzmärkten habe sich merklich verbessert, betont Bundesbank-Vorstand Joachim Nagel: „So sanken beispielsweise die Renditen italienischer und spanischer Staatsanleihen wieder auf ein Niveau, das sie zuletzt Ende 2010 erreicht hatten.“ Der Rückgang dieser Risikoprämien zeigt, dass immer weniger Kapitalgeber mit dem Kollaps der Währungsunion rechnen.

Gleichzeitig kletterten die Renditen für Staatsanleihen „sicherer“ Länder wie Deutschland auf den höchsten Stand seit Monaten. „Der treibende Faktor scheinen insbesondere die optimistischeren Zukunftsaussichten in der Anlegerschaft zu sein“, analysiert ING Investment Management.

Selbst EZB-Präsident Mario Draghi, der von Amtswegen nicht gerade zu überzogenen Bewertungen der wirtschaftlichen Lage neigt, gibt sich zuversichtlich: „Die dunkelsten Wolken über dem Euroraum haben sich verzogen“, stellte er im Januar fest. 2012 sei viel erreicht worden. Zugleich mahnte Europas oberster Währungshüter, niemand dürfe sich zurücklehnen: Europa brauche Durchhaltevermögen, Ehrgeiz und Geduld.

„Derartige Anpassungsprozesse sind schwierig, und der Weg ist noch lang“, betonte Draghi und appellierte an die nationalen Regierungen ebenso wie an die Politik in Brüssel: „Die Tatsache, dass die Finanzmärkte relativ ruhig sind, sollte nicht dazu führen, dass wir Abstriche an unserem ehrgeizigen Ziel machen, die strukturellen Mängel in der Ausgestaltung des Euroraums zu beheben.“

Die Erholung ist erkennbar, aber sie ist fragil. Auch Draghi dürfte mit Argusaugen beobachten, wie in seinem Heimatland Italien die Popularität von Ex-Regierungschef Silvio Berlusconi steigt. Denn an den Märkten wird angesichts der vollmundigen Wahlversprechen befürchtet, nach dem Reformeifer unter Mario Monti könnte mit Berlusconi in Rom wieder der Schlendrian einkehren.

Das wäre Gift für Europa. Bundesbank-Vorstand Nagel warnt: Die Maßnahmen der EZB hätten die Märkte beruhigt und den Staaten Zeit verschafft, die Ursachen der Krise seien aber nicht ausgeräumt: „Um die Situation nachhaltig zu verbessern, gibt es weiterhin einen großen Reform- und Sparbedarf, hier sind jedoch die nationalen Regierungen gefordert.“

Doch vorerst steigt die Zuversicht, und sie ist keineswegs auf professionelle Investoren aus Europa begrenzt. Auch aus anderen Weltregionen fließt wieder Geld in den Euroraum. Zudem hat sich die Stimmung in den Unternehmen verbessert. Das ist deshalb so wichtig, weil zum Höhepunkt der Schuldenkrise verunsicherte Unternehmer Investitionen zurückstellten und so die Konjunktur schwächten.

Zwar steckt der Euroraum noch in der Rezession, doch die Aussichten hellen sich auf. Und die Krisenländer machen auf dem Weg zu einer wettbewerbsfähigen Wirtschaft Fortschritte, analysiert die Ratingagentur Standard & Poor's: „Für 2013 sagen wir in Spanien, Portugal und Irland Überschüsse in der Leistungsbilanz voraus.“ Dadurch werde die Rückkehr zum Wirtschaftswachstum beschleunigt.

Selbst kleine Sparer und Unternehmer vertrauen den Banken in den Euro-Krisenstaaten nun wieder mehr Geld an – noch vor wenigen Monaten hatten viele Menschen ihre Konten aus Furcht vor einem Bankensterben geräumt. Nun fließt das Geld zurück – auch nach Griechenland oder Spanien. Ende Dezember summierten sich die Spareinlagen privater Haushalte und Unternehmen in den Euro-Staaten nach EZB-Zahlen auf rund 10,87 Billionen Euro – immerhin 100 Milliarden Euro mehr als im August 2012. In Italien wurde mit rund 1497 Milliarden sogar der höchste Stand seit Einführung des Euro erreicht.