Jetzt soll Europa Zypern retten. Das Land ist zwar ein Leichtgewicht im Kreis der Euroländer – doch es gibt ein paar Besonderheiten.

Nikosia. „Also wenn der Euro an der Hälfte Zyperns scheitern sollte, dann weiß ich nicht, ob es Sinn macht, über Europa zu sprechen.“ So reagierte am Freitagmorgen ein Diplomat in der zyprischen Hauptstadt Nikosia auf die jüngste Herabstufung Zyperns durch die Ratingagentur Standard & Poor's.

Der seit 1974 geteilte Inselstaat – der Nordteil ist von der Türkei besetzt – hat eine Wirtschaftsleistung im Umfang von knapp 18 Milliarden Euro. Auf diese Größenordnung wird auch die Höhe des geplanten Rettungsprogramms geschätzt. Genaue Zahlen soll es erst Mitte Januar geben. Spätestens dann werden sich die Finanzminister der Eurogruppe mit der zyprischen Variante der Euro-Krankheit befassen.

Das zyprische Finanzproblem hat seinen Ursprung hauptsächlich in der griechischen Krise. Einige Ökonomen sprechen von einer Metastase der Krankheit des Nachbarlandes mit der gleichen Sprache und Kultur. Zu sehr haben sich die zyprischen Banken in Griechenland verwickelt. Entsprechend hoch war auch der Schaden, den die Geldhäuser in Kauf nehmen mussten, als im März der griechische Schuldenschnitt kam. Wie hoch dieser Schaden ist, das prüft zurzeit die Investmentgesellschaft Pimco – mit Billigung der internationalen Helfer.

Zyperns Ziel ist es nach Informationen aus Kreisen der Regierung, nach dem Muster Spaniens eine direkte Rekapitalisierung seiner Banken durch den Euro-Rettungsfonds zu erhalten. Dies würde dann nicht die Staatsverschuldung Zyperns weiter erhöhen.

Der Inselstaat hat aber noch eine Besonderheit aufzuweisen: Erstmals könnte Russland eine größere Rolle in der Rettung eines Eurolandes spielen. Nikosia pflegt seit langem enge Beziehungen zum großen orthodoxen Bruder in Moskau. Bis in die 1990-er Jahre war die Kooperation auf die Ebene der Außenpolitik beschränkt. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion kam auch der Rubel nach Zypern: Die Russen sehen Zypern als eine Art Tor zur EU.

Entlang der Küstenstraße östlich der Hafenstadt Limassol wird häufig russisch gesprochen. Man sieht Läden mit Schmuck, Pelzen und Luxusgegenständen aller Art. Die neureichen Russen sind überall präsent. „Sie machen zwar nur acht Prozent der Ausländer der Insel aus, man kann sie aber nicht übersehen. Sie haben eben viel Geld“, sagt der Besitzer einer Taverne in Limassols Amüsierviertel.

Seit einiger Zeit schon gibt es Gerüchte über Schwarzgeldwäsche und russische Mafiabosse. Offiziell beweisen konnte solche Vorwürfe bislang niemand. „Wir sind eben hier Naher Osten. Viele sind fasziniert von den Märchen aus Tausendundeiner Nacht“, meint ein hoher Beamter des Finanzministeriums. Das Interesse Moskaus an dem Inselstaat ist jedoch real. Noch bevor Nikosia einen Rettungsantrag bei der EU stellte, hatte Moskau den Zyprern einen Kredit in Höhe von 2,5 Milliarden Euro zu einem Zinssatz von 4,5 Prozent für viereinhalb Jahre gewährt.

Mehr Geld wird es wohl aus Moskau nicht mehr in direkter Form geben. Russland agiert vorsichtig, da es um die inneren Angelegenheiten der EU geht. Denkbar wäre eine gemeinschaftliche Lösung: eine Beteiligung Moskaus an einem Rettungsprogramm von EU, Europäischer Zentralbank (EZB) und Internationalem Währungsfonds (IWF).

Die politische Lage auf der Insel ist derzeit ungünstig: Im Februar soll ein neuer Präsident gewählt werden. Er ist gleichzeitig Staatsoberhaupt, stellt die Regierung ein und führt sie auch, weil er direkt vom Volk gewählt wird. Der abgehende linke Präsident, Dimitris Christofias, ist vor allem wegen der Krise geschwächt und wird nicht mehr kandidieren. In allen Umfragen liegt der proeuropäische konservative Politiker Nikos Anastassiadis vorn.

Viele Fachleute sind der Ansicht, man könne Zypern trotz ihres geringen Gewichts im Kreis der Großen nicht fallen lassen. Die Insel spielt eine wichtige stabilisierende Rolle in der Region. Von dort aus wurden in den vergangenen Jahren Rettungsaktionen für Krisen im Nahen Osten organisiert und durchgeführt. Israel sieht den Inselstaat als eine Art Brücke zu Europa in Zeiten der Destabilisierung des gesamten arabischen Umfelds.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) könnte sich am 11. Januar selbst ein Bild von den Lage auf Zypern machen. In der Hafenstadt Limassol wird dann nämlich ein Sondergipfel der konservativen Parteien der EU stattfinden. Und es gibt noch einen Faktor, der in den kommenden Jahren eine wichtige Rolle für die Wirtschaft Zyperns spielen könnte: Südlich der Insel wurden reiche Erdgasvorkommen unter dem Meeresboden entdeckt. Experten gehen davon aus, dass das Gas erstmals in etwa drei Jahren gefördert werden könnte.