Der in die Kritik geratene Gerhard Cromme will keine Konsequenzen aus den Milliardenverlusten und Affären im Konzern ziehen.
Essen. ThyssenKrupp-Aufsichtsratschef Gerhard Cromme lehnt trotz der Milliardenverluste beim größten deutschen Stahlkonzern persönliche Konsequenzen kategorisch ab. Er werde nicht zurücktreten, sagte Cromme dem Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“. „Ich bin keiner, der vor Verantwortung wegläuft.“ Unterstützung bekam der 69 Jahre alte Chefaufseher erneut von ThyssenKrupp-Patriarch Berthold Beitz. Cromme und ThyssenKrupp-Vorstandschef Heinrich Hiesinger hätten sein Vertrauen, bekräftigte Beitz im „Spiegel“.
Die Aktionärsvereinigung DSW hatte in der vergangenen Woche eine „offene Diskussion auch über die Rolle von Aufsichtsratschef Gerhard Cromme“ verlangt. Die DSW, die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz, will Vorstand und Aufsichtsrat bei der nächsten Hauptversammlung nur dann entlasten, „wenn die notwendige Transparenz geschaffen wurde“. Das Aktionärstreffen ist für den 18. Januar in Bochum geplant.
Mit Blick auf das Milliardendebakel beim Bau von Stahlwerken in Brasilien und den USA räumte Cromme im „Spiegel“ zwar ein, als Aufsichtsrat ständig informiert worden zu sein. „Nur hat sich jetzt gezeigt, dass viele Informationen über Jahre hinweg deutlich zu optimistisch waren und sich später als falsch herausgestellt haben“, sagte Cromme.
Der Chefaufseher verteidigte die Entscheidung des Kontrollgremiums, dass drei Vorstände und damit der halbe Vorstand vorzeitig ihren Posten räumen. Der Aufsichtsrat habe damit den Weg für einen Neuanfang unter ThyssenKrupp-Chef Hiesinger ebnen wollen.
Der Essener Stahlkonzern muss ein Rekordminus von fünf Milliarden Euro für das zurückliegende Geschäftsjahr 2011/2012 (30. September) verkraften. Hintergrund sind vor allem die massiven Verluste beim Bau der Stahlwerke. Nachdem der Konzern bereits im vorigen Geschäftsjahr 2,1 Milliarden Euro abschrieb, kamen nun weitere 3,6 Milliarden hinzu. Cromme sprach von Fehlern im Projektmanagement, von denen der Aufsichtsrat bis zum Jahr 2008 vom zuständigen Vorstand nicht informiert worden sei. „Wir bekamen immer nur die Information, dass alles in bester Ordnung sei“, sagte Cromme dem „Spiegel“.
Neben den Verlusten machen ThyssenKrupp Kartellvorwürfe zu schaffen. Dabei geht es um unerlaubte Absprachen im Edelstahlsektor, bei Rolltreppen und bei Schienen. In Bezug auf die Kartellvorwürfe sagte Cromme: „Vieles von dem, was hochkam, regt mich wahnsinnig auf. Vor allem, weil der Aufsichtsrat wirklich alles unternommen hat, um solche Verstöße zu verhindern.“ Dazu zähle auch der Schritt, Hiesinger von Siemens an die Spitze von ThyssenKrupp geholt zu haben. „Einen Kulturwandel schaffen Sie nur durch Leute von außen.“
Besorgt zeigt sich dem „Spiegel“ zufolge auch der Chef der Krupp-Stiftung, Berthold Beitz. „Was ich fühle, ist eine große Enttäuschung über die eingetretene Entwicklung“, habe der 99-Jährige auf Anfrage dem Magazin mitgeteilt. Auf die Frage, ob Cromme und Hiesinger sein Vertrauen hätten, habe Beitz knapp mit „Ja“ geantwortet. Dem „Handelsblatt“ hatte Beitz zuvor gesagt: „Cromme bleibt“. Cromme und Hiesinger seien ein gutes Gespann.
Cromme gilt als designierter Nachfolger von Beitz für den Vorsitz in der Krupp-Stiftung. Sie ist mit gut 25 Prozent der Anteile wichtigster Aktionär des Dax-Konzerns und hat maßgeblichen Einfluss auf die Unternehmenspolitik.