Die Dänen verschieben den Bau des Offshore-Windparks “Borkum Riffgrund 2“. Amerikaner sollen Stromnetzfinanzierung sichern.
Hamburg. Der dänische Energiekonzern Dong stoppt vorerst den Bau seines Offshore-Windparks "Borkum Riffgrund 2", stellt aber den deutschen Markt nicht infrage. "Wir haben mit dem Netzbetreiber Tennet lange über eine Zwischenlösung für den Anschluss des Windparks an das Landnetz verhandelt", sagte Christoph Mertens, bei Dong zuständig für das deutsche Offshore-Geschäft, dem Abendblatt. "Aber letztlich trug das mögliche Provisorium keinen stabilen Geschäftsplan."
Dong will nach aktuellem Stand insgesamt sechs Windparkprojekte in der deutschen Nordsee realisieren und ist damit, gemessen an der Erzeugungsleistung, Marktführer im deutschen Offshore-Geschäft. Für das Projekt "Borkum Riffgrund 1" gut 54 Kilometer nördlich der deutschen Nordseeküste laufen die Vorbereitungen auf Hochtouren. Im Sommer 2013 soll das Gros der Bauarbeiten beginnen, Anfang 2014 soll der Offshore-Windpark mit 77 Anlagen und einem Investitionsvolumen von 1,2 Milliarden Euro den ersten Strom in das Landnetz einspeisen.
Bei "Riffgrund 1" werde der Zeitplan mit Tennet eingehalten, sagte Mertens. Das Geschäft in Deutschland stehe durch die Verzögerungen bei "Riffgrund 2" nicht infrage. Auch Dong-Managerin Christina Grumstrup Sørensen, zuständig für die Projekte in Deutschland und Dänemark, hatte kürzlich betont: "Wir setzen auf den deutschen Markt für Offshore-Windparks."
Gleichwohl steigt mit der Verschiebung von "Riffgrund 2" auch der politische Druck. Die Netzbetreiber, allen voran Tennet in Nordwestdeutschland, können offenbar nach wie vor die Landanschlüsse von Offshore-Windparks nicht im erforderlichen Maß garantieren. Ein Grund dafür ist Kapitalmangel für die enorm aufwendigen Projekte. Ein Landanschluss für einen Windpark wie "Borkum Riffgrund 2" kostet inklusive der Transformatorenstationen auf See und an Land sowie des Seekabels rund eine Milliarde Euro.
Das niederländische Unternehmen Tennet hatte wiederholt deutlich gemacht, dass es die nötigen Investitionen nicht allein aufbringen kann. Gestern räumte Tennet Kontakte zum US-Unternehmen Anbaric ein. Zuvor gab es Gerüchte, Anbaric wolle das Hochspannungsnetz von Tennet in Deutschland übernehmen. "Es hat einen Informationsaustausch gegeben - mehr aber nicht", sagte eine Tennet-Sprecherin.
Bislang sei keine Vereinbarung mit Tennet erzielt worden, sagte ein Sprecher von Anbaric. Es gebe ein Interesse von Investoren, sich an bis zu vier Netzprojekten in Deutschland mit bis zu vier Milliarden Euro Investitionen zu beteiligen. "Das wäre ein gutes erstes Paket", sagte er. Wer die Investoren sind, wollte er nicht mitteilen. Es handele sich aber weniger um Investmentfonds, sondern um institutionelle Investoren aus Amerika, Europa und Deutschland. Für diese sei die Verlässlichkeit der langfristigen Rendite entscheidend.
Tennet kann seine finanziellen Probleme bislang nicht überwinden, obwohl zum 1. Januar ein neues Fördergesetz für Offshore-Windparks in Kraft treten soll. Windparkbetreiber erhalten künftig eine Entschädigung für entgangene Umsätze, wenn die Landanschlüsse von Offshore-Parks nicht rechtzeitig fertiggestellt werden. Der Strom verteuert sich für deutsche Verbraucher dadurch per Umlage um bis zu 0,25 Cent je Kilowattstunde.
Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU) hatte nach seiner Amtsübernahme im Sommer eine neue politische Offensive für den Aufbau der Offshore-Windparks in der deutschen Nord- und Ostsee angekündigt. Bis zum Jahr 2020 sollten dort nach ursprünglichen Plänen der Bundesregierung 10 000 Megawatt Leistung installiert sein. Diese Größenordnung gilt mittlerweile als Makulatur. Bislang sind nur 200 Megawatt Leistung am Netz.
Kritisch wird die Lage inzwischen auch für das eine oder andere Zulieferunternehmen, das mit dem Ausbau der deutschen Offshore-Windparks kalkuliert hatte. So meldeten vergangene Woche die Siag Nordseewerke in Emden Insolvenz an. Die frühere Werft fertigt Stahlfundamente für Offshore-Turbinen. Dong-Manager Mertens erwartet, dass Tennet den Auftrag für den Landanschluss von "Riffgrund 2" frühestens im Januar vergibt, wenn das neue Bundesgesetz in Kraft ist. Der Bau der Konverterstationen und die Verlegung des Seekabels dürften, so Mertens, drei bis vier Jahre in Anspruch nehmen. Der Strom von "Riffgrund 2" wird für den Transport in Gleichstrom umgewandelt und an Land wieder in Wechselstrom.