Nach massiver Kritik an seinem Kurs in der Euro-Schuldenkrise geht EZB-Präsident Mario Draghi in Berlin in die Offensive.
Berlin. Nach massiver Kritik an seinem Kurs in der Euro-Schuldenkrise geht EZB-Präsident Mario Draghi in die Offensive. Vor Industriemanagern in Berlin verteidigte Draghi den in Deutschland sehr umstrittenen Plan der Europäischen Zentralbank (EZB), notfalls unbegrenzt Staatsanleihen aus Krisenländern wie Spanien und Italien zu kaufen. Beim Tag der deutschen Industrie sagte BDI-Präsident Hans-Peter Keitel der EZB Rückendeckung zu, allerdings müsse der Ankauf zeitlich befristet sei. Draghi wie Keitel sehen die deutsche Wirtschaft 2013 auf einem stabilem Wachstumspfad.
„Wir sehen auch jetzt schon sehr positive Zeichen. Das zeigt, dass die Investoren im Grunde Vertrauen haben in die Richtung, die wir eingeschlagen haben“, sagte Draghi am Tag der deutschen Industrie des Wirtschaftsverbandes BDI. Die Maßnahmen der EZB sollen Stabilität erreichen. „Das größte Risiko ist nicht das Handeln, sondern das Nichthandeln. Und wir haben gehandelt.“ Die Alternative wäre gewesen: „Nein zu allem“, rief der Italiener den Managern auf deutsch zu.
Zuvor hatte sich Draghi mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) getroffen. Kritik an Anleihenkäufen kommt von Bundesbank-Chef Jens Weidmann, dem Merkel wiederholt Rückendeckung zugesagt hatte. Weidmann befürchtet eine durch die EU-Verträge verbotene Staatsfinanzierung durch die Notenbank und steigende Inflation.
Keitel sagte, auch die Industrie beobachte in den Krisenländern eine Trendwende bei vielen Indikatoren – selbst in Griechenland. „Ja, wir geben unsere Unterstützung, wenn diese Überbrückungsmaßnahmen nötig sind, um Vertrauen wieder herzustellen“, sagte Keitel. „Wir sehen diese nicht als Langzeitprogramm.“
Draghi trat Sorgen entgegen, die EZB könne gegen ihr Mandat verstoßen. „Wir sind unserem Mandat verpflichtet, das ist Geldstabilität.“ Es würden keine überschuldeten Staaten und deren Regierungen finanziert. „Wir werden Sie nicht enttäuschen“, sagte Draghi.
Mit Blick auf den Widerstand von Weidmann betonte Europas oberster Notenbanker, er habe großen Respekt vor der Bundesbank und akzeptiere die Sorgen. Es gebe aber nun einmal unterschiedliche Meinungen, wie zu reagieren sei. „Die Eurozone macht Fortschritte, die Investoren erkennen das an.“
Nach Einschätzung des BDI befindet sich die deutsche Wirtschaft trotz der Euro-Krise auf Wachstumskurs. Für das laufende Jahr geht der Verband unverändert von einem Plus von rund einem Prozent aus und sieht bis Jahresende keine Rezession aufziehen. Merkel erwartet wie die Industrie zwar eine leichte Eintrübung. Aber auch Europas größter Versicherer Allianz ist grundsätzlich optimistisch.
Auch Draghi sieht Anzeichen für eine bessere Stimmung an den Finanzmärkten. Die Wirtschaft schwenke 2013 wieder auf Wachstumskurs ein. Entscheidend sein, dass die Politik die nötigen Reformen fortsetze. Dann gebe es viele gute Gründe für Optimismus.
Keitel zufolge wird es auch 2013 aufwärts gehen. „Aus heutiger Sicht ist ein Einbruch der Konjunktur nicht zu erwarten.“ Zwar werde die Entwicklung im zweiten etwas schwächer als im ersten Halbjahr sein. „Aber insgesamt ist die Lage relativ stabil.“
Die Kanzlerin bewertete das ähnlich und sagte: „Wir spüren auch - Deutschland ist keine Insel.“ Eine starke Exportnation könne sich nicht abkoppeln von den Entwicklungen der Weltwirtschaft.
Merkel bekräftigte, das deutsche Staatsdefizit werde 2012 bei 0,9 Prozent der Wirtschaftsleistung liegen. Im Schnitt der Euro-Länder seien es 2,9 Prozent. Dagegen seien es 6,5 Prozent in Großbritannien und in den USA 7,1 Prozent. „Ich will das einfach nur ’mal anmerken.“
Wirtschaftsminister und Vize-Kanzler Philipp Rösler (FDP) mahnte dennoch weitere Schritte bei der Etatsanierung an. Wer von den Euro-Partnern eine Konsolidierung der Haushalte fordere, müsse selbst mit gutem Beispiel vorangehen. Kritisch beurteilte Rösler den EZB-Anleihenkauf. Mittelfristig könne schon Inflationsgefahr bestehen.