Athen muss weiter bangen. Statt den Griechen mehr Zeit einzuräumen, fordert die Bundesregierung weiter die Umsetzung aller Auflagen.
Berlin. Die Bundesregierung hat Griechenland erneut zur Einhaltung aller Spar- und Reformauflagen aufgefordert. Bei einem Besuch in Berlin wurde Finanzminister Ioannis Stournaras am Dienstag gemahnt, keine Abstriche zuzulassen. Frankreichs Staatspräsident François Hollande dagegen macht Athen durchaus Hoffnung.
Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) erklärte nach einem Treffen mit seinem griechischen Kollegen: „Zentral ist, dass Griechenland seine Verpflichtungen vollständig umsetzt.“ Außenminister Guido Westerwelle (FDP) betonte später: „Wir wollen, dass die Eurozone zusammenbleibt. Wir wollen, dass wir nicht ausfransen in der Eurozone.“ Der Schlüssel dafür liege aber „natürlich in Athen“.
Kanzlerin Angela Merkel (CDU) beriet sich am selben Tag in Berlin mit EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy. Themen des etwa zweistündigen Gesprächs waren die Lage in den Krisenländern, die Weiterentwicklung der Währungs- und Bankenunion sowie die finanzielle Vorausschau. Van Rompuy bereitet die Gipfeltreffen der EU vor und leitet diese.
Nach dem Premier- und dem Außenminister war Stournaras der dritte wichtige Regierungspolitiker aus Athen, der innerhalb weniger Tage nach Berlin kam. Er informierte über griechische Fortschritte bei der Einhaltung der Auflagen des zweiten Hilfsprogramms.
Die Umsetzung wird derzeit von der „Troika“ aus Internationalem Währungsfonds (IWF), EU-Kommission und Europäischer Zentralbank (EZB) bewertet. „Derzeitige Planungen gehen davon aus, dass der Bericht im Oktober vorgelegt werden kann“, heißt es in der Mitteilung des Finanzministeriums. Von dem Bericht hängt ab, ob Athen die nächste Hilfstranche von etwa 31,5 Milliarden Euro erhält.
Griechenland fordert angesichts der schweren, mehrjährigen Rezession mehr Zeit für das Spar- und Reformprogramm. Zuletzt hatte Athen darauf gepocht, die Defizitvorgaben der internationalen Geldgeber erst bis 2016 statt bis 2014 erfüllen zu müssen.
Hollande sagte nach einem Treffen mit Italiens Regierungschef Mario Monti in Rom, es sei möglich, Griechenland mehr Zeit zu geben. Das gelte dann, wenn die „Troika“ Athen Anstrengungen und Glaubwürdigkeit bescheinige.
+++ Griechenland: Beratungen um Hilfsgelder laufen auf Hochtouren +++
+++ Troika-Bericht kommt frühestens im Oktober +++
Wirtschaftsminister Philipp Rösler forderte: „Jetzt muss sich auch Griechenland entscheiden, ob Staat und Gesellschaft wirklich bereit für die notwendigen Haushalts- und Strukturreformen sind.“ Zentral seien etwa ein einfacheres Steuersystem und sichtbare Fortschritte bei der Privatisierung, schrieb der FDP-Chef im „Handelsblatt“.
Sollte sich nach dem „Troika“-Bericht zeigen, dass das nicht der Fall ist, könne es keine weiteren Finanzhilfen geben: „Der Euro darf nicht an Griechenland scheitern.“ Eine Leistung ohne Gegenleistung kann es nach Röslers Worten nicht geben: „Die Konsequenzen daraus müssen jedem klar sein. Es ist ein Gebot der Ehrlichkeit, das offen und rechtzeitig auszusprechen.“
In Griechenland löste ein Bericht über angebliche neue Vorschläge der Geldgeber zur Ankurbelung der Wirtschaft des pleitebedrohten Landes Empörung aus. Nach einem Bericht der Athener Wochenzeitung „To Vima“ ist von einer weiteren Kürzung des Mindestlohns und einer Abschaffung der Fünf-Tage-Woche die Rede. Das Athener Finanzministerium wollte das Dokument nicht kommentieren. „Darüber wird nicht verhandelt“, sagte ein Mitarbeiter der Nachrichtenagentur dpa lediglich. Der größte griechische Gewerkschafts-Dachverband GSEE reagierte scharf.
In der Unionsfraktion werden die Chancen für eine Zustimmung zu einem möglichen dritten Griechenland-Hilfspaket skeptisch beurteilt. „Die Spekulationen darüber, ob Griechenland noch ein zusätzliches Paket braucht oder nicht, sind zur Zeit aus meiner Sicht nicht besonders hilfreich“, sagte der Parlamentarische Geschäftsführer Michael Grosse-Brömer (CDU) der dpa. „Es wäre allerdings auch schwierig, bei uns in der Fraktion ein solches Paket durchzusetzen.“