Während die globale Hungersnot weiter eskaliert, mischen Spekulanten die Märkte auf. Grundnahrungsmittel wie Mais werden immer teurer.

Frankfurt/Main. Ob Mais, Weizen oder Soja – die Jahrhundert-Dürre in den USA lässt die Preise für Agrarrohstoffe explodieren. Die Folge: Die Grundnahrungsmittel werden immer teurer – sehr zum Leidwesen der verarmten Regionen der Welt. Zugleich sind die lebenswichtigen Grundnahrungsmittel aber gewinnträchtige Renditeobjekte, auf deren Wertentwicklungen Spekulanten an den Finanzmärkten zocken.

Zu den Spekulanten gehören auch Allianz Global Investors und Deutsche Bank. Einige andeere deutsche Banken und Fondsanbieter haben sich mittlerweile aus dem Geschäft zurückgezogen.

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Die aktuelle Diskussion um Lebensmittelknappheit hat etliche kontroverse Facetten: Vom Klimawandel über Verschwendung, Exportsubventionen und Biosprit-Förderung in den Wohlstandsstaaten - das Empörungspotenzial ist hoch. Doch die Kombination von Hunger und Spekulation gilt als der ultimative Aufreger.

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Einige deutsche Banken haben sich deshalb zuletzt aus dem Geschäft zurückgezogen. Dabei ist das globale Finanzkasino bei der aktuellen Zuspitzung der Nahrungskrise nicht der Hauptverdächtige: „Der jüngste Preisanstieg bei Agrarrohstoffen geht vor allem eine massive wetterbedingte Verschlechterung der Ernteaussichten zurück“, sagt Experte Eugen Weinberg von der Commerzbank. Die Rekordhitze in den USA hat verheerende Folgen. Auch in anderen wichtigen Anbaugebieten in Südeuropa, den GUS-Staaten und Südamerika sind die Klimabedingungen ungünstig. Große Teile der Ernte fallen aus.

Das rapide sinkende Angebot lässt die Preise nach oben schießen. Mais und Weizen kosten mehr als 50 Prozent mehr als noch vor rund zwei Monaten. Soja hat sich um etwa ein Drittel verteuert. Das ruft Spekulanten auf den Plan. Zumal: Geld zum Anlegen ist genug da – die großen Notenbanken haben den Globus im Kampf gegen die Finanzkrise mit Liquidität geflutet. Zugleich befindet sich das Zinsniveau auf Rekordtief. „Investoren können angesichts der demografischen Entwicklung und der starken Nachfrage aus den Emerging Markets vom wachsenden Hunger nach Rohstoffen profitieren“, erklärt Rolf Tilmes, Vorstand des Financial Planning Standards Board Deutschland, einem Finanzberater-Verband.

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Was Vermögensverwalter als lukrativ preisen, prangern Entwicklungshelfer als Missstand an. Denn Rohstoffkontrakte bieten sich hervorragend zum Zocken an. „Rohstoffmärkte sind physische Märkte und weisen deshalb zusätzliche Besonderheiten auf“, sagt zwar Finanzberater Tilmes. Anders als bei Aktien oder Anleihen werden keine Anteile an Unternehmen oder verbriefte Schuldscheine gehandelt, sondern in der Regel reale Güter auf Termin. Dafür werden an den internationalen Rohstoffbörsen Warenterminkontrakte angeboten. Die heißen im Fachjargon „Futures“. Diese Instrumente gibt es schon seit Jahrhunderten. Sie haben ihre Berechtigung, da Produzenten und Agrarhändler sich damit gegen Preisschwankungen absichern können, indem sie frühzeitig Verträge über zukünftige Lieferungen vereinbaren.

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Aber: Spekulanten, die gar kein Interesse an der Lieferung der Waren haben, nutzen sie, um auf steigende oder sinkende Preise zu wetten. Zwar gilt ein gewisses Maß an Spekulation als erwünscht, da es die Märkte stabilisiert. Zudem bestreitet die Finanzlobby vehement jegliche Schädlichkeit von Agrarwetten. Doch seit Banken und Hedgefonds mit allen möglichen komplexen Finanzkonstrukten und hohen Fremdkapitalhebeln agieren, ist das Maß aus Sicht vieler Experten voll. Laut der Verbraucherschutzorganisation Foodwatch hat das Kapital an den Terminmärkten seit dem Jahr 2000, als diese Börsen für Investoren geöffnet wurden, von 15 Milliarden auf 600 Milliarden Dollar zugenommen.

Im Juli 2012, dem heißesten Monat seit Beginn der Wetteraufzeichnungen in den USA, stieg das Volumen der an der weltgrößten Warenterminbörse CBOT in Chicago gehandelten Futures auf Agrarrohstoffe im Jahresvergleich um 46 Prozent. Pro Tag wechselten im Durchschnitt 1,4 Millionen Kontrakte den Besitzer, wie aus der Monatsstatistik der Betreibergesellschaft CME hervorgeht. Foodwatch zufolge beträgt der Anteil der zu spekulativen Zwecken gehaltenen Futures 80 Prozent. Weltweit hungern etwa eine Milliarde Menschen. Jeder Prozentpunkt Preisanstieg geht zu ihren Lasten.