Umweltverbände unterstützen Entwicklungsminister Niebel bei seinem Vorstoß für eine Abschaffung des Biosprits. Denn die Getreidesituation ist brenzlig.
Berlin. Öko-Rückenwind für Dirk Niebel: Wie der FDP-Minister fordert auch die Umweltorganisation Greenpeace wegen der hohen Getreidepreise ein sofortiges Aus für den Biosprit E10 in Deutschland. „Angesichts der weltweiten Getreideknappheit macht so ein Schritt Sinn“, sagte Greenpeace-Agrarexperte Martin Hofstetter in Berlin. Auch der Bund für Umwelt und Naturschutz in Deutschland (BUND) ist für einen E10-Stopp. Die Verbraucherzentrale nennt die E10-Einführung „gescheitert“.
Greenpeace verweist darauf, dass in Deutschland jährlich aus etwa 1,5 Millionen Tonnen Getreide Ethanol hergestellt werde. Zusätzlich importiere Deutschland rund die Hälfte des eingesetzten Ethanols aus dem Ausland: „Insofern entlastet tatsächlich ein E10-Verbot den Getreidemarkt“, sagte Hofstetter. Ein E10-Stopp könne auch für andere Länder mit Ethanolerzeugung richtungweisend sein – allein in den USA landeten 40 Prozent der Maisproduktion im Tank. „Wir haben es beim Getreide mit einem vollständig globalisierten Markt zu tun.“
+++ Zwischen Tank und Teller: Niebel will E10 aussetzen +++
Die Diskussion über einen E10-Stopp war diese Woche von Entwicklungsminister Niebel ausgelöst worden. Die Vorräte an Getreide sind laut Weltgetreiderat in den vergangenen Jahren drastisch geschmolzen – von 175 Millionen Tonnen 2010 auf aktuell nur noch etwa 100 Millionen Tonnen. Weltweit aber werden inzwischen 150 Millionen Tonnen Getreide jährlich zu Ethanol verarbeitet. Ohne die Ethanol-Erzeugung wären also die Getreidelager sehr gut gefüllt, und es gäbe keine Knappheit.
Das Hauptproblem in Deutschland ist laut Hofstetter die Beimischungsregelung: „Die Kraftstoffproduzenten müssen hohe Strafabgaben zahlen, wenn sie die staatlich vorgegebenen Biokraftstoffquoten nicht erreichen, und machen daher sogar an den Tankstellen E10 billiger als Normalbenzin, obwohl sie Agrosprit beim Einkauf viel mehr kostet als fossiler Kraftstoff“, sagte der Greenpeace-Experte. „Das ist ein Irrsinn, den die Autofahrer über insgesamt höhere Preise zahlen müssen.“
Als Alternative zum Biosprit fordert Greenpeace strengere CO2-Grenzwerte und sparsamere Autos. „Technisch ist es heute doch längst möglich, den Spritverbrauch drastisch zu senken. Allein es fehlt an der Umsetzung bei der Autoindustrie“, kritisierte Hofstetter. Gerade deutsche Autobauer setzten immer noch auf viel zu schwere, übermotorisierte Modelle. Daher müsse die EU endlich scharfe Grenzwerte für den Flottenverbrauch vorschreiben. „Und dass es in Deutschland immer noch kein vernünftiges Tempolimit gibt, ist natürlich auch ein Ding aus dem Tollhaus und der Lobbyarbeit der Autoindustrie zu verdanken“, betonte der Greenpeace-Experte.
Auch der Bundesverband der Verbraucherzentralen sieht die Einführung des Biosprits E10 in Deutschland als gescheitert an. „E10 hat nie funktioniert“, sagte Verkehrsreferent Otmar Lell der Deutschen Presse-Agentur. Sinnvoller sei es, die CO2-Grenzwerte für Autos auf EU-Ebene zu verschärfen. Mittel- bis langfristig führe kein Weg an Elektroautos vorbei.
Dagegen hatte BP-Europa-Chef Michael Schmidt der „WAZ“-Gruppe am Freitag gesagt, er rechne weiter mit einem Erfolg der neuen Mischung. „Ich bin mir sicher, dass sich E10 durchsetzen wird.“ Es sei davon auszugehen, „dass E10 in absehbarer Zeit der am häufigsten getankte Otto-Kraftstoff sein wird“.