Frühere Mitarbeiterinnen wollen alte Filialen als klassische “Tante Emma“-Geschäfte eröffnen. Jeder Laden soll eigene Mini-GmbH werden.
Stuttgart. Schlecker raus, Dorfladen rein: Rund 100 frühere Schlecker-Filialen im Südwesten könnten künftig als Tante-Emma-Laden weitergeführt werden. Wie die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi am Mittwoch in Stuttgart berichtete, soll dazu für jeden Laden eine eigene Mini-GmbH gegründet werden. Für die kleinere Variante der GmbH reicht bereits ein Euro Startkapital. Eine übergeordnete Holding soll dann beispielsweise die Buchhaltung und den Einkauf übernehmen. Nach Angaben der Dienstleistungsgewerkschaft interessieren sich bisher rund 40 frühere Schlecker-Mitarbeiterinnen für das Vorhaben.
Sie wollen frühere Drogeriemärkte mit neuem Logo und dem Sortiment eines klassischen Dorfladens neu öffnen. Bis Ende Oktober sollen mindestens drei Läden das Modell erproben. Weitere könnten nach den Plänen bis Weihnachten folgen.
„Wir wollen auf jeden Fall beteiligungsorientiert wirtschaften“, sagte Verdi-Landesbezirksleiterin Leni Breymaier. Startkapital kommt unter anderem von Verdi, der katholischen und der evangelischen Betriebsseelsorge sowie der Linkspartei. Zudem sollen auch Kunden Anteile erwerben können. Nach Angaben von Verdi werden etwa 3000 Euro Startkapital pro Filiale veranschlagt. Auch die IG Metall und die Landesregierung sind eingeschaltet.
Die baden-württembergische Landesregierung kündigte an, das Wirtschaftsministerium werde „ernsthaft prüfen, wie bestehende Förderangebote mit den besonderen Aufgaben in diesem Fall zusammenpassen“. Ein Sprecher von Minister Nils Schmid (SPD) erklärte: „Die Weiterführung ehemaliger Schlecker-Filialen als Element der Nahversorgung ist ein interessanter Ansatz.“
Ob frühere Schlecker-Mitarbeiterinnen dann als Angestellte oder selbst als Unternehmerin arbeiten, ist derzeit noch offen, wie Unternehmensberater Wolfgang Gröll sagte. Ebenfalls unklar sei, ob die Läden eigene Marken verkaufen oder auf bestehende Schlecker-Eigenmarken zurückgreifen.
Der Unternehmensberater Michael Gschwinder vom baden-württembergischen Handelsverband warnte vor überzogenen Erwartungen. „Schlecker raus, Laden rein, das klingt schön einfach, aber für die Umsetzung muss man sich jeden Standort ganz genau ansehen“, sagte er im Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa.
Die Option, dass ehemalige Mitarbeiterinnen die Filialen in eigener Regie weiterführen hält der Experte aber für machbar. „Dafür müssen jedoch zwei Dinge zusammenkommen: Der Standort muss passen und die Person muss stimmen.“ Nicht jede Filialleiterin tauge zur Unternehmerin. „Die Schleckermärkte sind ja nicht von ungefähr in Schieflage geraten.“
Das Vorhaben ist zunächst auf Baden-Württemberg begrenzt. Bundesweit gibt es Verdi zufolge aber rund 1000 Standorte, die für eine Weiterführung infrage kämen. Auch in Sachsen und Thüringen wird über die Gründung neuer Genossenschaften zur Übernahme früherer Schlecker-Filialen nachgedacht. Breymaier beschreibt die Interessentinnen wie folgt: „Ich bin zu alt für H&M, ich bin zu dick für Zara, aber ich will schaffen.“
Die frühere Schlecker-Mitarbeiterin Heike Hirning erklärte, die Nachfrage nach einem neuen Dorfladen sei groß. 20 Jahre habe sie in einer Filiale in Schwaikheim (Rems-Murr-Kreis) gearbeitet. „Da sind sehr viele Ältere und die vermissen das sehr.“
Ihre ehemalige Kollegin Doris Dolch sieht das ähnlich. Sie will eine Filiale im nahe gelegenen Plüderhausen als Tante-Emma-Laden neu öffnen. „Eine Sitz- und Spielecke“ wolle sie einrichten, sagte die 54-Jährige. „Ich bin noch eine Generation, die „Tante Emma“ kennt.“
Ob das alte Schlecker-Logo noch irgendwo im neuen Laden auftauchen soll? „Nein. Nichts Blaues, kein Schlecker“, betonte Dolch. „Dazu ist zu viel passiert.“