Frauen bekommen 23,2 Prozent weniger Gehalt als ihre männlichen Kollegen. Die Bundesrepublik zählt damit zu den Schlusslichtern in Europa.
Berlin. Die EU-Kommission hat die ungleichen Einkommen von Männern und Frauen in Deutschland kritisiert. „Frauen in Deutschland verdienen im Durchschnitt 23,2 Prozent weniger als Männer. Der EU-Durchschnitt liegt bei 18 Prozent. Das ist inakzeptabel“, sagte die neue EU-Kommissarin für Justiz und Grundrechte, Viviane Reding (58).
Die Luxemburgerin betonte, dass „allein in Deutschland eine Beseitigung der Lohnunterschiede zu einem Anstieg des Bruttoinlandsprodukts von rund 30 Prozent führen könnte.“ Reding: „Deutschland ist eines der wirtschaftlich am weitesten entwickelten Länder und sollte mit gutem Beispiel vorangehen, anstatt Nachzügler zu sein.
Ich erwarte mehr Ambition und mehr Tatendrang.“ Die EU-Kommissarin kritisierte, dass sich die Lohnunterschiede zwischen den Geschlechtern in den vergangenen 15 Jahren kaum verringert haben und in einigen Ländern sogar noch zugenommen hätten. „In der derzeitigen Krisensituation kann sich Europa eine solche Lohndifferenz nicht leisten.“ Gleicher Lohn für gleiche Arbeit sei eines der ältesten Rechte und Werte.
Reding kündigte an, gegen die ungleiche Einkommensentwicklung von Männern und Frauen vorzugehen. „Zusammen mit den Mitgliedstaaten werde ich mich bemühen, die geschlechtsspezifischen Lohnunterschiede in der EU bis zum Ende meiner Amtszeit in dieser Kommission deutlich zu verringern.“
Deutschland gehört zu den Ländern mit der größten Ungleichheit bei der Bezahlung von Frauen und Männern. Nur in Österreich, den Niederlanden, Zypern, Tschechien und Estland sind die Unterschiede noch größer.
Die hohen Lohnunterschiede haben zahlreiche Ursachen. Ein wichtiger Grund für die Ungleichheit ist die hohe Teilzeitquote von Frauen.
Hinzu kommt ein hoher Frauenanteil im Niedriglohnbereich. Ein dritter Grund ist, dass vielen Frauen trotz sehr guter Ausbildung oftmals der Zugang zu Führungspositionen verwährt bleibt. Die Brüsseler Kommissionsbehörde hatte die Arbeitgeber in den vergangenen Jahren bereits mehrfach aufgefordert, ihr Verhalten in dieser Frage zu ändern – allerdings mit nur mäßigem Erfolg.
Nach Angaben der EU-Kommission ist die Beschäftigung von Frauen deutlich gestiegen – im Zeitraum zwischen 2000 und 2006 allein um 7,5 Millionen (Männer: 4,5 Millionen). 38 Prozent der Frauen arbeiten allerdings nur in Teilzeit (Männer: acht Prozent). Hauptgrund für die Teilzeitarbeit vieler Frauen ist, dass sie im Haushalt gefordert sind.
Laut Kommission arbeiten Männer nur sechs Stunden pro Woche im Haushalt, Frauen dagegen 25 Stunden. Immer wieder hatte die Brüsseler Behörde die EU-Regierungen in der Vergangenheit ermahnt, mehr zu tun für eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf.
„Obwohl die Frauen in der EU besser ausgebildet sind als Männer, sind sie schlechter bezahlt, ihre beruflichen Karrieren sind kürzer und verlaufen langsamer“, hatte immer wieder der frühere EU-Sozialkommissar Vladimir Spidla kritisiert. Erreichen konnte er aber nichts. Das soll sich unter Reding jetzt ändern. Sie will gemeinsam mit den EU-Ländern mehr Druck machen.