Berufsanfänger mit Hochschulabschluss müssen häufig Abstriche beim Gehalt machen. Gleichzeitig steigen die Anforderungen.
Hamburg. Von dem jungen Wirtschaftsprüfer war selbst der erfahrene Headhunter begeistert. Der Bewerber brachte alles mit, was auf der Checkliste ganz oben steht: Wirtschaftsstudium mit Auslandsemester, qualifizierte Praktika, drei Jahre Berufserfahrung bei einer renommierten Wirtschaftsprüfungsgesellschaft als Prüfungsassistent. Er war begabt und quirlig.
Mit 50.000 Euro stand auf seinem Gehaltszettel jedoch bei weitem nicht das, was er sich vorstellte und sicher auch nicht die Summe, die erfolgreiche Young Professionals verdienen können. Mit dem Wechsel in die Industrie erhoffte sich der junge Mann deshalb ein deutliches Plus und pokerte hoch. 75.000 Euro jährlich sollten es sein. Doch das Software-Unternehmen, das einen Assistenten der Geschäftsleitung suchte, machte bei 65.000 Euro dicht. Der Vertrag kam nicht zustande.
„Der Spielraum bei den Gehältern ist im Zuge der Finanzkrise deutlich geschrumpft“, sagt Jürgen Below, Geschäftsführer der Kienbaum Consultants International GmbH in Berlin. Zu guten Zeiten seien die Arbeitgeber viel eher bereit, für Top-Leute von ihrem Maximal-Angebot etwas abzuweichen. Gehaltssteigerungen seien gegenüber dem Vorjahr nicht zu erzielen.
Während Konzerne Absolventen heute in etwa gleich viel wie 2009 zahlten, sei der Mittelstand sparsamer geworden. Habe zum Beispiel ein Ingenieur 2009 nach dem Studium noch mit 40.000 Euro begonnen, könne er jetzt nur noch mit 35.000 Euro rechnen. Besonders schwer haben es bei den Hochschulabsolventen Betriebswirte, Juristen und Geisteswissenschaftler. Below: „Die Unternehmen sparen, obwohl sie wissen, dass Fachkräfte künftig knapp werden.“ Ausnahmen würden nur bei Ingenieuren und Naturwissenschaftlern gemacht, die flexibel einsetzbar seien.
Laut einer Kienbaum-Studie liegen die Einstiegsgehälter für Absolventen mit einem Fachhochschul- oder Bachelor-Abschluss bei 39.000 Euro im Jahr. Ihre Kollegen mit einem Universitätsabschluss erhalten 43.000 Euro. High Potentials werden mit einem durchschnittlichen Jahresbruttogehalt von 45.000 bis 50.000 Euro vergütet. Das Gehalt für High Potentials mit Promotion oder MBA liegt mit bis 65.000 Euro an der Spitze.
Etwas besser sieht die Gehaltslage für Young Professionals aus, die bereits einige Jahre Berufserfahrung vorweisen können. Sie verdienten zwischen 55.000 und 70.000 Euro und seien eigentlich immer gefragt, sagt Below. „Gehaltssprünge, wie sie noch vor zwei Jahren erzielt werden konnten, sind aber auch bei ihnen nicht mehr drin.“ Der Haken: Wenn Unternehmen Personal abbauen, gehören die Young Professionals häufig zu denjenigen, die als erste gehen müssen. Denn bei der Sozialauswahl können sie aufgrund ihres Alters und Familienstandes meist nicht punkten. Um den Anschluss zu finden, machen viele dann auch Abstriche beim Gehalt.
Nils Röpke treiben ganz andere Sorgen um als Personalabbau oder Gehaltskürzungen. Der Chef eines Kölner Systemanbieters, der bundes- und europaweite Entsorgungssysteme entwickelt und an Großkunden verkauft, sucht neue Leute und findet nicht so viele, wie er braucht. Pro Monat landen zwar nach der Vorauswahl durch die Personalabteilung rund 40 Bewerbungen auf seinem Schreibtisch. „Die Persönlichkeitsentwicklung ist aber das Hauptdefizit“, sagt der Geschäftsführer der Zentek GmbH & Co. KG. Es hapere an Motivation, Überzeugungskraft und Engagement.
Dabei suche er gar nicht den 24-jährigen MBA-Absolventen, der drei Fremdsprachen perfekt beherrsche, sondern nur Uniabgänger, die etwa ihr Studium selbst finanziert hätten. Kommt es zu einer Einstellung, sind niedrigere Gehälter als im Vorjahr kein Thema. „Dem Unternehmen geht es ja nicht schlechter“, sagt Röpke. Im Gegenteil. Im laufenden Jahr rechnet er mit einem Umsatzplus von gut 40 Prozent.
Wie Jürgen Below von Kienbaum beobachtet auch Heike Cohausz von der Düsseldorfer Personalberatung von Rundstedt, dass sich insbesondere Absolventen zurzeit sehr flexibel zeigen müssen. „Die Anforderungen steigen, das Gehalt sinkt.“ Vor allem die Soft Skills Organisations-, Kommunikations-, Kritik- und Teamfähigkeit würden immer wichtiger. Bei Führungskräften und Spezialisten würden die Spielräume für Gehaltserhöhungen jedoch steigen. „Seit Anfang des Jahres wird verstärkt gesucht.“ Vor allem Pharma- und Gesundheitsindustrie zahlten gut.
Zu den großen Themen des Jahres gehört für Cohausz die Festsetzung der Prämien. Die Angemessenheit von Bonifikationen für das Top-Management werde heute wesentlich kritischer geprüft als vor der Krise. Cohausz: „Immer stärker setzen sich jetzt Modelle durch, die die Boni am mittel- und langfristigen Erfolg des Unternehmens fest machen.“ Zudem zeichnet sich ein Trend ab, die variable Vergütung auf die Belegschaft auszuweiten. Unternehmer Nils Röpke etwa zahlt selbst Absolventen leistungsbezogene Gehälter.