In Deutschland fallen derzeit Zehntausende Jobs im Handel weg und auch aus der Energiebranche gab es mehrere Hiobsbotschaften.

Nürnberg. 25.000 Stellen bei Schlecker , 2400 bei Neckermann.de , 2000 Jobs bei Karstadt und 900 bei Metro – allein im Handel werden in Deutschland derzeit mehrere Zehntausend Arbeitsplätze abgebaut oder stehen auf der Kippe. Bei den Stromversorgern RWE und Eon sind es noch einmal 16.000, zahlreiche weitere sollen ausgelagert werden. Gibt es etwa eine grundlegende Trendwende auf dem bislang erstaunlich starken Arbeitsmarkt? Experten geben Entwarnung: Mit der Konjunktur hätten die Entlassungen bei den Großkonzernen nur wenig zu tun.

„Das sind branchen- und unternehmensspezifische Besonderheiten statt eines generellen Trends“, sagt etwa Hans-Peter Klös vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln. Die Probleme bei RWE und Eon etwa seien der Energiewende und dem damit verbundenen Ausstieg aus der Atomenergie geschuldet. „In weiten Teilen des verarbeitenden Gewerbes, der Industrie sehe ich jedoch eine Fortsetzung des Expansionskurses“, betont Klös.

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Aus den Schwierigkeiten einer Handvoll Unternehmen lässt sich seiner Ansicht nach nicht ableiten, dass es eine rapide Klimaeintrübung am Arbeitsmarkt gibt. Das sieht auch Dominik Groll vom Kieler Institut für Weltwirtschaft so: „Die schlechten Nachrichten in den Zeitungen müssen kein Widerspruch sein dazu, dass der Arbeitsmarkt gut läuft. Denn das sind im Vergleich zum gesamten Arbeitsmarkt kleine Zahlen.“

„Gerade bei Karstadt und Schlecker sind das ja keine konjunkturellen Gründe. Das würde ich eindeutig auf Managementfehler und strukturelle Gründe zurückführen“, sagt Groll. Die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung in Deutschland stieg zuletzt weiter an. Die Zahl der Arbeitslosen ging nach jahrelangem Job-Boom auch in den vergangenen Monaten weiter zurück auf zuletzt 2,81 Millionen, auch wenn die um jahreszeitliche Faktoren bereinigte Erwerbslosigkeit leicht zunahm.

„Bislang sieht das so aus, als ob es trotz einiger prominenter Fälle mit Entlassungen ein normaler Strukturwandel ist“, urteilt denn auch Alexander Koch von der HypoVereinsbank. Allerdings ein Anpassungsprozess mit großer psychologischer Wirkung: „Wenn bei einem der „Schlachtrösser“ was passiert, ist das medial sehr präsent. Aber die kleinen Dienstleister, die ständig zulegen, werden nicht erwähnt.“

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Diese Asymmetrie in der öffentlichen Wahrnehmung betont auch Heinrich Alt, langjähriges Vorstandsmitglied der Bundesagentur für Arbeit (BA). Er weist noch auf einen weiteren Effekt hin: „Wir sehen, dass ein großer Versandhandel – Neckermann, der mal einen Riesennamen hatte -, dass der im Moment erhebliche Probleme hat, weil sich der Handel umstrukturiert.“ Es gebe jedoch auch hier eine andere Seite der Medaille: „Immer mehr Menschen bestellen im Internet. Amazon hat angekündigt, in diesem Jahr 20 000 Menschen einzustellen.“

Dennoch seien die Gefahren für den Arbeitsmarkt inzwischen größer als in den vergangenen Jahren, räumt Alt ein. „Die Risiken bestehen insbesondere darin, dass wir unsicher sind in der Einschätzung über die Entwicklung der Weltwirtschaft. Was ist mit dem Euro – und was ist mit den Risiken, die die Bundesrepublik Deutschland angehen?“

Erst am Donnerstag hatte die Wirtschaftsauskunftei Creditreform gemeldet, dass die Zahl der durch Insolvenzen bedrohten Arbeitsplätze in diesem Jahr um 27 Prozent auf gut 300 000 steigen wird. Doch selbst wenn die Konjunktur heftiger schwächeln sollte, müsse das für den Arbeitsmarkt keine Katastrophe bedeuten, unterstreicht Analyst Koch. „Wenn es wieder eine vorübergehende Schwäche von bis zu einem Jahr ist, vor allem wegen eines Vertrauensverlusts und nicht wegen eines Abwärtsstrudels der Weltwirtschaft, kann sich die robuste Entwicklung aus der letzten Krise wiederholen.“

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Auch IW-Experte Klös kann sich eine Neuauflage des „deutschen Jobwunders“ in einer möglichen Rezession vorstellen. „Wir haben Einiges an Reformen gemacht, haben von der Demografie-Seite eine strukturelle Entlastung, und wir haben in der Krise neue Maßnahmen erprobt“, schildert der Geschäftsführer des IW. Das Politik, Arbeitgeber und Arbeitnehmer umfassende Bündnis habe weltweit Beachtung gefunden. „Mit dem Ansatz hat man gute Erfahrungen gemacht.“