Deutschlands oberster Finanzaufseher Sanio gab der Behörde Gesicht und Profil – seine größte Herausforderung war die Finanzmarktkrise.
Bonn. Bei der Bundesanstalt für Finanzmarktaufsicht (BaFin) endet zum Jahreswechsel eine Ära. Nach fast zehn Jahren räumt der Präsident der Aufsichtsbehörde Jochen Sanio den Chefsessel. Seit der Gründung der BaFin im Jahr 2002 hatte er der Behörde Gesicht und Profil gegeben.
Selbstbewusst hatte der Jurist schon kurz nach seinem Amtsantritt im Mai 2002 angekündigt: „Solange ich hier Präsident bin, wird diese Institution beißen.“ Eine Ankündigung, der er auch Taten folgen ließ. In der Finanzszene sei Sanio am Ende „respektiert, manchmal auch gefürchtet“ worden, schrieb erst kürzlich das „Handelsblatt“.
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Die größte Bewährungsprobe war für den Aufseher zweifellos die weltweite Finanzkrise. Sanio war an vorderster Front dabei, als es darum ging, von der Pleite bedrohte Geldhäuser wie die IKB oder die Hypo Real Estate (HRE) zu retten. Die „Financial Times Deutschland“ lobte ihn deshalb als „eine der zentralen Figuren des Notfallkommandos für die deutsche Finanzbranche“.
Vor klaren Worten schreckte er dabei bis zuletzt nicht zurück, etwa als er in diesem Sommer den Rating-Agenturen vorwarf, „erbarmungslos versagt“ zu haben und eine globale Aufsicht forderte, „die richtig hart zur Sache geht“.
Allerdings musste Sanio in der Krise auch die Grenzen seiner Möglichkeiten erkennen. Denn die Fehlentwicklungen auf dem amerikanischen Immobilienmarkt, die die Finanzkrise auslösten, waren der deutschen Behörde völlig entgangen. „Was jenseits der deutschen Grenzen im Verborgenen geschieht, können wir nicht wahrnehmen“, klagte Sanio schon kurz nach dem Ausbruch der Finanzkrise.
Dass er die BaFin und das deutsche Bankensystem durch derartige Stürme steuern müsste, hatte Sanio am Beginn seiner Laufbahn wohl kaum erwartet. Der Jurist, der am 29. Januar seinen 65. Geburtstag feiert, hatte seine Karriere nach dem Studium beim Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen begonnen. Danach war er Schritt für Schritt die Karriereleiter hinaufgestiegen, bis er im Jahr 2000 Präsident der Behörde wurde.
Nach dem Zusammenschluss der drei Aufsichtsbehörden für das Kreditwesen, das Versicherungswesen und den Wertpapierhandel zur BaFin übernahm Sanio am 1. Mai 2002 dann auch die Leitung der neuen Superbehörde.
Die Finanzkrise wurde für Sanio zum Schlüsselerlebnis. Sie „war in ihrer Urgewalt so furchtbar, dass es nur ein Ziel geben kann: So etwas darf sich nicht wiederholen“, sagte er einmal.
Darum kümmern muss sich nun allerdings seine Nachfolgerin Elke König. Die international anerkannte Bilanzrechtsexpertin kann dabei auf einiges an Erfahrung mit den Finanzmärkten zurückblicken. Sie war vor dem Wechsel zur BaFin bereits Vorstandsmitglied der Hannover Rückversicherung, Direktorin und Partnerin bei der internationalen Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG und Mitglied im Londoner Gremium für internationale Rechnungslegung (IASB). Sanio kann sich dagegen künftig wohl häufiger seinem Hobby widmen: der klassischen Musik. (dapd/abendblatt.de)