Auch nach zehn Jahren gilt der Euro im Land als “Teuro“ – die Krise kratzt zusätzlich am Image. Befürworter sind dennoch von ihm überzeugt.
Frankfurt/Main. Euro gleich „Teuro“. Kaum waren die neuen Münzen und Scheine 2002 im Umlauf, hatte die europäische Gemeinschaftswährung ihren Ruf weg. Währungshüter und Statistiker konnten noch so viel argumentieren: Beim Einkaufen und Tanken, in der Kneipe oder beim Friseur wurden Verbraucher das Gefühl nicht los, die alten D-Mark-Preise seien 1:1 in Euro umgerechnet worden. Das prägnante Wortspiel wurde so populär, dass „Teuro“ gleich im Jahr der Euro-Bargeld-Einführung zum „Wort des Jahres“ gekürt wurde.
Heute, fast zehn Jahre später, nähren Schuldenkrise, Notgipfel und milliardenschwere Rettungspakete das Misstrauen gegenüber dem Euro. Jeder zweite Bundesbürger wünscht sich Umfragen zufolge die „gute, alte D-Mark“ zurück.
+++ Wo stünde Deutschland heute mit der D-Mark? +++
+++ Euro-Rettung auf Kosten der Einigkeit +++
„Der Euro ist für die gesamte deutsche Volkswirtschaft von überragender Bedeutung. Etwa 80 Prozent der deutschen Ausfuhren werden in Euro abgewickelt – weit mehr als wir in die Eurozone und die EU liefern“, heißt es dagegen beim Bundesverband Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen (BGA). Kosten für Währungsumtausch und Absicherung von Wechselkursschwankungen fielen weg. Zudem profitiert die Exportnation Deutschland davon, dass der Euro die Wirtschaft anderer europäischer Staaten ankurbelte. Für Urlauber indes macht ein starker Euro zum Beispiel Reisen in die USA tendenziell günstiger.
Vor der größten Geldtauschaktion aller Zeiten war die Aufregung in der Bevölkerung riesig. Als am 14. Dezember 2001 in Frankreich und den Niederlanden Probetütchen mit den blitzblanken Münzen in Umlauf gebracht wurden, reiste mancher Deutsche über die Grenze, um ein „Starter-Kit“ zu ergattern. Denn erst drei Tage später wurden die Münzmischungen im Wert von 20 D-Mark (10,23 Euro) in Deutschland unters Volk gebracht – erster offizieller Besitzer: Wolfgang Clement, damals SPD-Ministerpräsident Nordrhein-Westfalens. Sein Kommentar: „Die Euros sind flotter und eleganter, ohne viel Schnörkel.“
In der Neujahrsnacht 2002 gab es das neue Bargeld in zwölf Staaten. Noch als die Böller knallten, bildeten sich Schlangen an den Geldautomaten. Mehr als 300 Millionen Menschen von Lappland bis Sizilien zahlen seit dem 1. Januar 2002 mit dem gleichen Geld. Inzwischen sind es sogar mehr als 330 Millionen Menschen in 17 Staaten – und die nächsten acht Beitrittskandidaten stehen auf der Warteliste, darunter Polen, Ungarn, Tschechien und Rumänien.
„Trotz aller Turbulenzen halte ich fest: Der Euro hat sich bewährt. Er ist stabil und wertbeständiger als die D-Mark“, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel im September 2011 bei der Automesse IAA in Frankfurt. „Der Euro sorgt für Wirtschaftswachstum, er sorgt für Arbeitsplätze und damit für Wohlstand in Deutschland.“
Euro-Kritiker wie Joachim Starbatty sehen das naturgemäß anders. „Euro-Fighter“ gehört zu den Spitznamen des Volkswirtschaftlers. 1998 klagte er mit drei Kollegen gegen die Euro-Einführung – ohne Erfolg. CSU-Mann Peter Gauweiler verspottete 1990 die Idee einer gemeinsamen Währung als „Esperanto-Geld“. In diesem Jahr gehörte der Bundestagsabgeordnete zu einer Klägergruppe gegen die deutsche Euro- Rettungspolitik: ein Haushaltsloch und damit die Handlungsunfähigkeit des Staates drohe. Das Bundesverfassungsgericht folgte dem nicht.
Auch die Zahlen sprechen für den Euro. Die Europäische Zentralbank (EZB) weist gerne darauf hin, dass sie ihr hehres Ziel bislang erreicht hat: Verkraftbare Inflation und eine stabile Währung zu garantieren. Bislang gelang es der Notenbank, die jährliche Teuerungsrate im Euro-Raum unter der kritischen Marke von 2,0 Prozent zu halten. Die durchschnittliche jährliche Inflationsrate der D-Mark lag in den 50 Jahren ihres Bestehens mit etwa 2,8 Prozent höher. „Der Euro ist stabiler als die D-Mark“, bilanziert der Bankenverband BdB.
Dennoch hat sich bei vielen der Eindruck verfestigt, der Euro habe ihr Leben vor allem teurer gemacht. Erst kürzlich machte das Magazin „Focus“ eine Studie zu diesem Thema publik. Das Magazin ließ 2001 und 2011 einen Marktforscher tausende von Preisen erheben. Das Fazit: Der entscheidende Schub für Preiserhöhungen gehe auf die Zeit direkt vor der Bargeldumstellung von D-Mark auf Euro zurück. Wer zum Beispiel gerne Kokosnüsse isst, muss heute 95 Prozent mehr bezahlen als 2001. Andererseits wurden etwa Computer und Haushaltsgeräte billiger.
Die „gefühlte Inflation“ liegt in der Regel deutlich über der amtlich gemessenen Teuerungsrate, weil vor allem Preise für häufig gekaufte Güter gestiegen sind: Lebensmittel, Benzin, Tageszeitungen.
Otmar Issing, ehemaliger Chefvolkswirt der Deutschen Bundesbank und der EZB und damit einer der Architekten der Währungsunion, sieht die eigentliche Leistung des Euro in der friedlichen Integration Europas. Heute, mitten in der Euro-Schuldenkrise, sagt Issing: „Der Euro ist nach wie vor eine stabile Währung und wird es auch bleiben.“ Issing ist überzeugt: „Den Euro wird es noch sehr lange geben. Weniger sicher kann man in der Frage sein, wie viele Länder auf Dauer dazugehören werden.“ (dpa/abendblatt.de)