Durch den Stellenabbau soll das finnisch-deutsche Unternehmen saniert werden. NSN-Betriebsrat kündigt Gegenwehr in Deutschland an.

Espoo. Mit der Streichung von nahezu jedem vierten Arbeitsplatz versuchen Siemens und Nokia im dritten Anlauf ihre Gemeinschaftstochter Nokia Siemens Networks (NSN) zu sanieren. Der angeschlagene Netzwerkausrüster will im Rahmen eines Restrukturierungsprogramms bis Ende 2013 ungefähr 17.000 seiner insgesamt 74.000 Stellen weltweit abbauen. Das teilte das Unternehmen am Mittwoch im finnischen Espoo mit. Wie viele Stellen in Deutschland gestrichen werden, stehe noch nicht fest, sagte eine Firmensprecherin. Betriebsbedingte Kündigungen seien nicht auszuschließen.

Die IG Metall und der NSN-Betriebsrat sehen in den massiven Kürzungsplänen des schwächelnden Netzwerk-Ausrüsters eine Kampfansage an die Mitarbeiter. Schuld an der Misere bei dem finnisch-deutschen Konzern sei das Management, das seit Jahren falsche Weichenstellungen vorgenommen habe, sagte der Vorsitzende des deutschen Gesamtbetriebsrats, Georg Nassauer, am Mittwoch in München. Zumindest an den deutschen Standorten werde es Gegenwehr gegen die geplante Stellenstreichung geben. Hierzulande sind nach Schätzungen der Gewerkschaft tausende Stellen bedroht. "Die Situation ist dramatisch“, sagte Nassauer. Im gesamten Unternehmen können Gewerkschaft und Betriebsrat allerdings nur bedingt aktiv werden, denn der finnische Konzern wird nicht in Deutschland geführt.

Konzentration auf mobile Breitband-Technologie

Erst Ende September hatten die beiden Mütter Siemens und Nokia NSN eine Geldspritze von insgesamt einer Milliarde Euro zugesagt, um "die strategische Flexibilität, Produktivität und Innovationen insbesondere im mobilen Breitbandgeschäft“ von NSN zu verbessern.

Auf dieses Geschäft wolle man sich nun mit dem Programm konzentrieren, kündigte Vorstandschef Rajeev Suri an. Die Randbereiche sollen verkauft oder verwertet werden. Mit den Maßnahmen will Suri eine Milliarde Euro an Kosten bis Ende 2013 einsparen. Hauptsächlich sollten diese Einsparungen von der organisatorischen Verschlankung kommen, aber auch Bereiche wie Immobilien, Informationstechnologie, Beschaffungskosten für Produkte und Dienstleistungen sowie allgemeine Verwaltungsausgaben habe man im Blick.

"Trotz der Notwendigkeit, Teile unseres Unternehmens zu restrukturieren, bekennen wir uns weiter zu Forschung und Entwicklung. Die Investitionen in mobile Breitband-Technologie werden in den nächsten Jahren wachsen“, versicherte der NSN-Vorstandsvorsitzende Rajeev Suri.

In der Vergangenheit waren mehrfach Verkaufsversuche gescheitert. Im dritten Quartal hatte das Unternehmen einen operativen Verlust von 114 Millionen Euro verzeichnet.

Siemens: Jahrhundertelange Geschichte geht zu Ende

Der neuerliche Schritt kommt Siemens erneut teuer zu stehen. Finanzchef Joe Kaeser hat für sein Haus schon vorsorglich rund eine halbe Milliarde Euro an Kosten veranschlagt. Der Münchener Technologiekonzern unterstütze NSN auf dem eingeschlagenen Weg, seine Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen. Seit der Gründung von NSN hat sich die Firma zu einem Milliardengrab für beide Mütter entwickelt.

Mit dem NSN-Ausstieg aus dem klassischen Festnetzgeschäft geht eine jahrhundertelange Geschichte zu Ende: Werner von Siemens war Mitte des 19. Jahrhunderts mit dem Zeigertelegrafen der kommerzielle Durchbruch gelungen. Im Jahr 2007 brachte Siemens das Geschäftsfeld nach einem rapiden Abwärtstrend in das Joint Venture mit Nokia ein, in dem die Finnen die Federführung haben. Mehrere zehntausend Arbeitsplätze sind seither gestrichen worden, der Netzwerkbauer kämpft allerdings weiterhin mit Verlusten. Vor allem die Billigkonkurrenz aus China setzen dem weltweit zweitgrößten Anbieter von Mobilfunknetzen zu. Die Übernahme des Netzwerksgeschäft der amerikanischen Nokia hat bislang nicht zu dem erwarteten Erfolg auf dem US-Markt geführt.

Seit September steht der dänische Telekommunikationsmanager Jesper Ovesen an der Spitze des NSN-Verwaltungsrat. Er löste in der Funktion den langjährigen Nokia-Chef Olli-Pekka Kallasvuo ab.

Mit Material von dpa, rtr und dapd