Wirtschaftsweise halten 2012 bundesweit eine Rezession für möglich. Experten und Verbände in Hamburg schauen dagegen positiv nach vorne.
Hamburg/Berlin. Die fünf Wirtschaftsweisen zeigen sich äußerst besorgt. Ein Ende der Krise im Euro-Raum sehen sie nicht. Vielmehr haben sich die Probleme in Griechenland mittlerweile so stark ausgeweitet, "dass es zu einem Teufelskreis aus Staatsschulden- und Bankenkrise gekommen ist", mahnt der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung in seinem 435 Seiten starken Jahresgutachten, das gestern Bundeskanzlerin Angela Merkel überreicht wurde. Die deutsche Wirtschaft sei "hohen Risiken" ausgesetzt.
In diesem Jahr schlägt sich die Krise noch kaum in den Daten nieder. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) dürfte ein Plus von drei Prozent erreichen, prognostizieren die Wissenschaftler. Düsterer sieht es für 2012 aus. Die Probleme im Finanzsektor lägen wie "Mehltau auf der konjunkturellen Entwicklung". Für das nächste Jahr erwarten die Wirtschaftsweisen in Deutschland deshalb nur noch ein Wachstum von 0,9 Prozent. Bleibe die Krise nicht auf die Euro-Zone beschränkt, würde das BIP sogar um 0,5 Prozent sinken. "Im Falle einer Stagnation des Welthandels würde Deutschland in eine Rezession geraten." Den Arbeitsmarkt sehen die Wissenschaftler unterdessen auch für 2012 in Deutschland stabil. Die Verbraucherpreise würden zudem nur um 1,9 Prozent steigen, nach 2,3 Prozent in diesem Jahr. Wichtigste Herausforderung für die Politik sei die Stabilisierung des Euro-Raums. Hierzu müssten Strukturreformen eingeleitet werden, wozu die Wirtschaftsweisen die Gründung eines Europäischen Schuldentilgungspaktes vorschlagen.
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Die Hamburger Wirtschaft sieht sich derweil gut für 2012 gerüstet, wie eine Abendblatt-Umfrage unter Verbänden und Experten ergab. Nicht nur der Arbeitsmarkt zeigt sich robust - und dürfte es zunächst auch bleiben. "2011 werden wir durchschnittlich 73 600 Arbeitslose pro Monat zählen, mit der gleichen Größe rechne ich 2012", sagte der Chef der Agentur für Arbeit Hamburg, Sönke Fock. Sollte sich das Wirtschaftswachstum abschwächen, werde dies erst zeitverzögert am Hamburger Arbeitsmarkt sichtbar. "Ein einzelner monatlicher Spitzenwert von 78 000 wäre dann durchaus möglich." Im Oktober waren zuletzt 68 800 Menschen arbeitslos. Aktuell seien 16 000 Stellen nicht besetzt, jeden Monat würden zwischen 3500 und 5000 Jobs neu gemeldet. Eine hohe Nachfrage gibt es vor allem in den Bereichen Logistik, Gastgewerbe, Gesundheits- und Sozialwesen sowie im Groß- und Einzelhandel. IT-Kräfte wie Programmierer oder Pflegekräfte seien kaum mehr zu bekommen.
Die Mehrheit der Hamburger Unternehmen schätzt ihre aktuelle Geschäftslage für die nächsten zwölf Monate immer noch positiv ein, sagt Torsten König von der Handelskammer und stützt sich dabei auf die jüngste Konjunkturumfrage. Die Wirtschaft in der Hansestadt sei weiter in guter Verfassung. Beschäftigung und Investitionen sollen auch künftig zunehmen.
Auch beim Hamburger AGA-Unternehmensverband dominiert die Zuversicht. "Bis zum Frühjahr will jedes dritte Unternehmen im Groß- und Außenhandel weitere Mitarbeiter einstellen", sagt AGA-Sprecher Holger Eisold. Die Hälfte der unternehmensnahen Dienstleister erwarte in den kommenden sechs Monaten weiter steigende Umsätze. Aber auch viele Großhändler, Exporteure und Importeure rechneten mit Zuwächsen. "Die Geschäftslage wird von vielen Unternehmen besser eingeschätzt als von den Forschern vorhergesagt", so Eisold.
Der Einzelhandel zeigt sich noch zuversichtlicher. Im Weihnachtsgeschäft wollen die Hamburger bereits besser abschneiden als der Bundesdurchschnitt mit vorhergesagten 1,5 Prozent. "Wenn wir gut sind, schaffen wir ein Plus von 1,8 bis zwei Prozent", sagt der Hauptgeschäftsführer des Einzelhandelsverbands, Wolfgang Linnekogel. Viele Verbraucher ließen sich von der Finanzkrise die Kauflaune offenbar nicht verderben. Manche gönnten sich auch größere Anschaffungen, aus Furcht, mittelfristig durch Inflation ihr Geld zu verlieren. Linnekogel ist deshalb auch für das nächste Jahr zuversichtlich: "2012 dürfte so gut werden wie diese Jahr. Zwei Prozent Zuwachs sind durchaus möglich."
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Die Metallindustrie sieht unterdessen zwar eine nachlassende Nachfrage, erwartet aber keinen Absturz ins Minus, sagt der Sprecher des Unternehmensverbands Nordmetall, Peter Haas. Allein bei Airbus seien die Auftragsbücher für sechs bis acht Jahre gefüllt, wovon auch die Zulieferer profitierten.