Wenn Wissenschaftler nachdenken, dann bringen sie nicht selten Ideen zu Papier, die sich in der Theorie interessant lesen, aber leider den Bezug zur Realität vermissen lassen. Zum Beispiel gestern. Da überreichte der Sachverständigenrat ein mehr als 400 Seiten dickes Wirtschaftsgutachten der Bundeskanzlerin, in dem nicht nur zahlreiche ökonomische Prognosen stehen, sondern auch eine Lösung für das europäische Schuldenproblem vorgestellt wird. Das Zauberwort der Wissenschaftler heißt "Tilgungsfonds". In diesen Topf soll jedes Euro-Land seine Staatsschulden, die oberhalb von 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts liegen, auslagern. Der Clou: Alle Länder haften zusammen für diese Verbindlichkeiten, und das oberste Ziel soll es sein, die gemeinsamen Schulden in den nächsten 20 bis 25 Jahren zurückzuzahlen.
Hört sich ein wenig nach einem Zaubertrick von Harry Potter an. Europa packt einen Teil seiner Schulden in ein neues Gefäß, schüttelt kräftig oder beschwört den Geist der Konsolidierung - und schwups sind die roten Zahlen plötzlich schwarz. Funktionieren wird der Hokuspokus selbstverständlich nicht. Für den notwendigen Abbau der exorbitant gestiegenen Schulden hilft kein neuer Fonds, sondern nur ein harter Sanierungskurs, den jedes Schuldenland für sich selbst durchziehen muss. Es muss endlich Schluss sein mit Sonderfonds und Schattenhaushalten. Sparbeschlüsse müssen her, die Politik darf nicht länger mit Blick auf die nächsten Wahlen Steuergeschenke und Subventionen verteilen. Europa ist überschuldet und braucht keinen neuen Zaubertopf, sondern schmerzhafte Entscheidungen verantwortungsvoller Politiker.