Das Finanzministerium wurde wohl schon Anfang Oktober über die Buchungsfehler informiert. Regierung nimmt die Vorfälle “sehr, sehr ernst“.
Berlin. Noch immer herrscht in der Politik Unruhe nach dem Milliarden-Schock bei der HRE. Das Bundesfinanzministerium warnt nach dem Buchungsfehler von 55,5 Milliarden Euro bei der Bad Bank der verstaatlichten Hypo Real Estate (HRE) vor vorschnellen Urteilen. Es wäre derzeit der falsche Moment zu sagen, „wer hat Fehler gemacht und wer nicht“, sagte der Sprecher von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) am Montag in Berlin. „Wir nehmen diesen Vorgang sehr, sehr ernst“, betonte Schäubles Sprecher.
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Diplomatisch ausgedrückt sei der Vorgang „ärgerlich“. Zugleich versicherte der Sprecher: „Ich gehe fest davon, dass dieser Fehler, der jetzt aufgetreten ist, sich nicht wiederholen wird.“ Doch der Skandal könnte noch weitere Kreise ziehen. Denn: Offensichtlich wurde das Ministerium breits am 4. Oktober erstmals informiert. Das heißt: Schäuble wusste seit Wochen über das Milliarden-Debakel bescheid. Öffentlich gemacht wurde der astronomisch hohe Buchungsfehler bei der Münchner Abwicklungsanstalt FMS Wertmanagement, der Bad Bank, in der die HRE ihre milliardenschweren Altlasten ausgelagert hat, aber erst vergangene Woche.
„Wir haben nicht 55 Milliarden mehr“, betonte der Sprecher und ergänzte: „Wir sind leider nicht allesamt um 55 Milliarden reicher geworden“. Die Summe entlaste lediglich die Passiv-Seite der Bilanz bei der FMS und damit die der EU gemeldete Staatsschuld, weil es sich um eine Gesellschaft in Staatsbesitz handelt. Das Portfolio der FMS Wertmanagement betrage rund 300 Miliarden Euro, das im Interesse des Bundes zu möglichst guten Konditionen verkauft werden soll. Der Buchwert beträgt 160 Milliarden Euro. Bilanzen von Gesellschaften würden aber nicht vom Bundesfinanzminister aufgestellt und testiert, wies der Sprecher eine direkte Verantwortung Schäubles zurück.
Plus und Minus vertauscht
Am Montagnachmittag wird es zur weiteren Aufklärung eine Telefonkonferenz und am Mittwoch eine Besprechung des Ministeriums mit Verantwortlichen der FMS Wertmanagement, der zuständigen Wirtschaftsprüfer von PwC, der HRE und der Finanzmarktstabilisierungsanstalt geben.
Es kam zu dem Fehler, weil die "Bad Bank" der HRE, die FMS Wertmanagement, versehentlich Kursgewinne ihrer Wertpapiere als Verluste verbucht hatte. Man vertauschte Plus und Minus. Der Milliarden-Schock um die Fehlbuchungen hat ein politisches Nachspiel. Die Opposition forderte von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) Aufklärung darüber, wieso sich die Banker um 55,5 Milliarden Euro zulasten der Bundesrepublik verrechneten. Nach einem Bericht des Nachrichtenmagazins "Spiegel" bestellte Schäuble HRE-Manager zum Rapport ein. Die Union kündigte eine Untersuchung im Bundestagsfinanzausschuss an. Am Freitag war bekannt geworden, dass die deutschen Staatsschulden nach der Korrektur eines Bilanzfehlers geringer ausfallen als bisher gedacht. Der offizielle Schuldenstand sinkt um 2,6 Prozentpunkte auf 81,1 Prozent des Bruttoinlandsprodukts.
Die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PwC teilte am Sonntagabend mit, dass sich im Rahmen der Prüfung keine Anhaltspunkte für Fehler im Jahresabschluss zum 31. Dezember 2010 ergeben hätten. Im Zusammenhang mit dem verkürzten Halbjahresabschluss zum 30. Juni 2011 seien jedoch Geschäftsvorfälle identifiziert worden, bei denen die Verrechnung von Forderungen und Verbindlichkeiten aus Derivategeschäften gegenüber demselben Vertragspartner unterblieben sei.
Die mit diesen Geschäftsvorfällen im Zusammenhang stehenden Buchungen seien vor Veröffentlichung des verkürzten Zwischenabschlusses von der FMS korrigiert worden. Dadurch hätten sich die Forderungen und Verbindlichkeiten gegenüber Kreditinstituten sowie die Bilanzsumme der FMS Wertmanagement um jeweils 55,5 Milliarden Euro reduziert.
Die Opposition kritisiert Verhalten der Regierung
Die Opposition warf der Regierung einen unverantwortlichen Umgang mit den Staatsfinanzen vor. "Das ist kein Betrag, den die schwäbische Hausfrau in einer Keksdose versteckt und vergisst", sagte der parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, Thomas Oppermann . Das war eine Anspielung auf Bundeskanzlerin Angela Merkel, die bei einem CDU-Parteitag die Sparsamkeit einer schwäbischen Hausfrau als Vorbild genannt hatte. Oppermann sagte, der unbefangene Beobachter gewinne den Eindruck, dass das Finanzministerium in der Euro-Rettung die Übersicht verloren habe. "Das neue Motto der Bundesregierung ist: Milliarden sind nicht mehr so wichtig. Wir rechnen in Billionen."
Unionsfraktionsvize Michael Meister hat die für die Bilanz der HRE-„Bad Bank“ zuständige Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PwC scharf kritisiert. „Auf diese Bilanz hat ja nicht nur einer geschaut. Auch die Rolle der Wirtschaftsprüfer muss aufgeklärt werden“, sagte der CDU-Politiker der „Rheinischen Post“. Ein Fehler in dieser Größenordnung hätte auffallen müssen. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) treffe jedoch kein Vorwurf. „Er muss nun aber rückhaltlos aufklären, wie und warum das passieren konnte.“
Der Finanzobmann der Unions-Bundestagsfraktion, Hans Michelbach , forderte von den Verantwortlichen der Bank, dem Finanzausschuss des Bundestages Rede und Antwort zu stehen. "Der Vorgang ist geeignet, das Vertrauen in die Führung der Bank schwer zu erschüttern" sagte der CSU-Politiker. Er sprach auch von personellen Konsequenzen. Zugleich nahm er Schäuble gegen die Kritik in Schutz. Nicht der Minister trage die Verantwortung, sondern die Spitzen der Bank.
Hintergrund der milliardenschweren Falschbuchungen ist die Abwicklung der HRE, die auf dem Gipfel der Finanzkrise 2008 vom bundeseigenen Bankenrettungsfonds SoFFin gerettet wurde. Die eigentlich insolvente, aber "systemrelevante" Pfandbriefbank wurde mit milliardenschweren Bürgschaften vor dem Zusammenbruch bewahrt und als erstes Institut in der Bundesrepublik verstaatlicht.
Danach wurde die Bank aufgespalten: Die milliardenschweren Risiken in Form fauler Kredite sind nun Teil einer sogenannten "Bad Bank" namens FMS Wertmanagement, sie sollen in den kommenden Jahren abgewickelt werden. Der gesunde Teil der Bank führt einen Teil des früheren Geschäfts unter dem neuen Namen Deutsche Pfandbriefbank weiter.