Die Ratingagentur Moody's droht Frankreich mit dem Verlust seiner Spitzenbonität, sollte die zweitgrößte Volkswirtschaft Europas keine Wirtschafts- und Fiskalreformen auf den Weg bringen. Derweil ringen Deutschland und Frankreich um die Griechenland-Rettung.

Paris. Der Finanzschock mitten in der Schuldenkrise: Die Ratingagentur Moody's zweifelt an dem bisher stabilen guten Ausblick für die Kreditwürdigkeit Frankreichs und stellt das Top-Rating (Aaa) der zweitgrößten europäischen Volkswirtschaft auf den Prüfstand. Wirtschaftliche und haushaltspolitische Reformen seien notwendig, um das Vertrauen in die Kreditwürdigkeit des Landes wieder herzustellen. Der französische Ministerpräsident Francois Fillon räumte ein, die Spitzenbonität des Landes sei nicht selbstverständlich. Wirtschaftsminister Francois Baroin prophezeite eine niedrigere Wachstumsprognose für 2012 als angenommen. Derweil ringen Deutschland und Frankreich um die Griechenland-Rettung. Deutschland hemmt die Erwartungen, Frankreich stemmt sich gegen einen Schuldenschnitt für das marode Land.

Die Ratingagentur Moody's hat vor einer Herabstufung der Kreditwürdigkeit Frankreichs gewarnt. Sowohl wirtschaftliche als auch fiskalische Reformen seien entscheidend, damit die zweitgrößte Volkswirtschaft der Euro-Zone auch weiterhin einen stabilen Ausblick behalten könne, hatte Moody's erklärt. In Paris musste Wirtschaftsminister François Baroin einräumen, dass die Wachstumsprognose Frankreichs für 2012 wahrscheinlich erneut gesenkt werden muss. Frankreich werde das Bruttoinlandsprodukt (BIP) nicht um 1,75 Prozent steigern können. Es bestehe die Gefahr, dass das Wachstum unter 1,5 Prozent liegen werde. Das Land werde dennoch alles tun, um die Top-Kreditwürdigkeit zu behalten.

Daraufhin stiegen die Risikoaufschläge für französische Staatsanleihen: Im Vergleich zu den als besonders sicher geltenden deutschen Papieren muss Frankreich derzeit die höchste Risikoprämie seit Euro-Einführung zahlen. Die Aufschläge zu deutschen Anleihen stiegen erstmals auf mehr als 100 Basispunkte oder mehr als einen Prozentpunkt.

Auch nach Einschätzung des französischen Ministerpräsidenten Francois Fillon ist Frankreichs Spitzenbonität nicht selbstverständlich. Die Bestnote AAA für die Kreditwürdigkeit sei nicht garantiert, sagte Fillon am Dienstag. Trotz seines hohen Defizit und seines Schuldenstandes sei Frankreich eines von zehn Industrieländern, das bei Investoren höchste Kreditwürdigkeit genieße. Das sei ein sehr wertvolles Gut, das man nicht gefährden dürfe, sagte Fillon. „Und es ist nicht unantastbar.“ Mit der gegenwärtigen Krise stünden die Zukunft Europas und des Euro auf dem Spiel, fügte Fillon hinzu.

Deutschland und Frankreich uneins über Euro-Rettung

Vor dem EU-Gipfel verschärfen die reichen Euroländer den Ton: Bundeskanzlerin Angela Merkel hat Schutzwälle zur Eindämmung der Euro-Schuldenkrise gefordert. Staaten, denen Schulden erlassen werden könnten, müssten dann Einschränkungen ihrer Souveränität hinnehmen. Sie könne sich vorstellen, dass es künftig eine Art „permanente Troika“ in Krisenländern geben könne, sagte die Kanzlerin nach Teilnehmerangaben in einer Sitzung der Unionsfraktion am Dienstag in Berlin. Zuvor betonte die niederländische Regierung laut „Welt“, dass bei dem Treffen am Wochenende viel strengere Regeln für die Eurozone erarbeitet werden müssten.

Die Bundesregierung hatte zuvor die Erwartungen an den Euro-Krisengipfel am Sonntag zu dämpfen versucht. Zu den bevorstehenden Entscheidungen hatte Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag gesagt: „Das sind wichtige Arbeitsschritte auf einem langem Weg.“ Jetzt sagte Merkel, der Gipfel werde nicht der letzte, aber unter Umständen ein wichtiger Schritt zur Lösung der Schuldenkrise sein. Eine mögliche Umschuldung Griechenlands dürfe nicht zu einer Ansteckung in anderen Euro-Ländern führen.

Offenbar gibt es noch grundlegende Meinungsunterschiede zwischen Berlin und Paris über eine Lösung der Krise. Man müsse sich „Millimeter um Millimeter vorarbeiten“, sagte Merkel nach Angaben von Teilnehmern am Dienstag vor der Unionsfraktion in Berlin. Die Aufgabe sei jetzt, „nicht mehr Schaden anzurichten“ als Nutzen erwartet werde. Gleichzeitig nannte die Kanzlerin Bedingungen für einen möglichen Schuldenschnitt.

In diesem Fall müsse Griechenland klar sein, dass die nationale Souveränität nicht in vollem Umfang erhalten bleiben könne, machte Merkel den Angaben zufolge deutlich. Vorstellbar sei möglicherweise eine „permanente Troika“, welche die Privatisierungsbemühungen überwache. Merkel sagte weiter, dass man sich beim Gipfel mit der Zukunft der EU und einer möglichen Änderung der EU-Verträge befassen werde. So sei etwa ein zeitlich „beschränkter Konvent“ vorstellbar.

Der EU-Gipfel am Wochenende sei ein wichtiger Schritt, aber sie glaube, dass weitere Schritte auch danach folgen werden, sagte die CDU-Politikerin am Dienstag in Berlin nach einem Treffen mit Uruguays Staatspräsidenten José Mujica. „Die Staatsschulden sind in Jahrzehnten aufgebaut worden und deshalb werden sie nicht mit einem Gipfel beendet sein können. Dies werde “harte, langfristige Arbeit voraussetzen„.

Deutschland dringt nach Angaben aus EU-Kreisen darauf, dass Banken einen Wertabschlag von 50 bis 60 Prozent bei den griechischen Staatsanleihen hinnehmen sollen. Frankreich, dessen Institute zu den größten Inhabern griechischer Staatsanleihen gehören, will demnach hingegen nur technische Änderungen der beim Spitzentreffen im Juli erzielten vorläufigen Einigung vornehmen. Diese würde die Verluste auf 21 Prozent begrenzen. Auch Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann, der Vorsitzender des internationalen Bankenverbandes IIF, der auch die Juli-Einigung für die Banken ausgehandelt hatte, war am Dienstag zu Gesprächen in Brüssel.

Die EU-Kommission besteht auf einem großen Notpaket. „Wir erwarten eine umfassende Antwort“, sagte eine Sprecherin. Ähnlich äußerten sich die Niederlande: „Wir sollten uns nicht irren: Die Märkte erwarten eine langfristige Lösung. Das Gesamtpaket muss daher eine weitreichende und unumkehrbare Einigung über eine künftige verstärkte Kontrolle der Eurozone beinhalten“, sagte Finanzminister Jan Kees de Jager der „Welt“ (Dienstag).

EU-Kommissionschef José Manuel Barroso hatte in der vergangenen Woche einen Fünf-Punkte-Plan für den Gipfel vorgelegt. Dazu gehören die Rettung Griechenlands vor der Pleite, die Stärkung des Krisenfonds EFSF, die Absicherung der Banken oder die Verstärkung der wirtschafts- und finanzpolitischen Zusammenarbeit in der Eurozone. Mit Blick auf den EU-Gipfel will Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) voraussichtlich am Freitag eine Regierungserklärung abgeben.

Die FDP pocht beim erweiterten Rettungsschirm EFSF auf eine starke Beteiligung des Bundestages. „Für uns ist unerlässlich, dass die Fiskalhoheit Deutschlands beim Bundestag liegt. Nirgendwo anders“, sagte FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle mit Blick auf Forderungen von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) nach einer „Fiskalunion“ in Europa. Die Unionsfraktion soll am Donnerstag über Details des erweiterten Euro-Rettungsschirms EFSF informiert werden.

Der Haushaltsausschuss des Bundestages soll nach Angaben aus der Union an diesem Freitag oder Samstag – und damit noch kurz vor dem Brüsseler Gipfel – über die sogenannten Leitlinien zur Ausgestaltung des EFSF-Fonds beraten.

Bei den EFSF-Regeln geht es auch darum, wie der Fonds möglichst effektiv genutzt werden kann, ohne dass sein Garantievolumen von 780 Milliarden Euro nochmals aufgestockt werden muss. So könnte über einen „Hebel“ das Hilfsvolumen vervielfacht werden.

Unionsfraktionschef Volker Kauder sagte, bei der Bankenrettung benötigten deutsche Geldhäuser staatliche Hilfen in überschaubarem Umfang: „Also alles kein Problem.“ „Es geht da ausschließlich um strategische Banken, nicht um Volksbanken, nicht um Sparkassen.“

Nervöse Stimmung an der Börse

An der Frankfurter Börse herrschte am Dienstag eine nervöse Stimmung: Der Dax geriet zunächst mehr eineinhalb Prozent ins Minus, ehe er ins Plus drehte und kurzzeitig 5900 Punkte übersprang. Zum Schluss lag er dann mit einem Aufschlag von 0,31 Prozent auf 5877,41 Punkte leicht im Plus.

Düstere Nachrichten hatte es zuvor von der Konjunktur gegeben: Finanzexperten schätzen die Aussichten so schlecht ein wie seit drei Jahren nicht. Als Grund gibt das ZEW die schwelende Staatsschuldenkrise an. Diese verunsicherte die europäischen Verbraucher zuletzt wieder stark. Vor allem die Diskussionen über eine Rettung Griechenlands sowie die verschärfte Schuldenkrise in Frankreich und Italien hätten im dritten Quartal dazu beigetragen, sagte GfK-Konsumexperte Rolf Bürkl. Eine positive Ausnahme sei allerdings Deutschland. Die Angaben beruhen auf einer repräsentativen Umfrage der GfK in 12 EU-Staaten.

Griechenland steht unterdessen vor einer noch größeren Streikwelle - als Protest gegen den Sparkurs. Die Fluglotsen wollten an diesem Mittwoch für zwölf Stunden streiken. Ob und für wie lange sie auch am Donnerstag die Arbeit niederlegen, war zunächst noch unklar. Der Reiseveranstalter TUI und mehrere Airlines kündigten einen Ersatzflugplan an.

Mit Material von dpa/dapd/rtr