Der scheidende Chef der Europäischen Zentralbank Jean-Claude Trichet belässt den Leitzins vorerst bei 1,5 Prozent. Dafür stützt er massiv die kriselnden Banken.

Berlin. Die Europäische Zentralbank greift den Finanzinstituten massiv unter die Arme: Um die Banken vor dem Sog der Schuldenkrise zu schützen, packt die EZB ihre Kriseninstrumente wieder aus und pumpt billiges Geld in das System – mit langen Laufzeiten und in unbegrenzten Mengen. Damit soll ein Austrocknen des Kreditmarktes verhindert werden.

Der EZB-Rat traf sich heute zum letzten Mal unter der Ägide des scheidenden Präsidenten Jean-Claude Trichet. Die letzte Zins-Entscheidung Trichets war geprägt von vorläufiger Stabilität: Die Zinsen im Euro-Raum bleiben bei 1,5 Prozent. Zuvor hatten Ökonomen angesichts der Staatsschuldenkrise und der drohenden Rezession gefordert, ihre jüngsten Leitzinserhöhungen von 1,0 auf nun 1,5 Prozent zurücknehmen. Doch der Rat blieb bei der erwarteten Linie. Auch wenn man ankündigte, man mache sich über eine Zinswende Gedanken. Aber nicht zuletzt die hohe Inflation von 3,0 Prozent dürfte die Notenbank dazu bewegt haben, den wichtigsten Zins zur Versorgung der Geschäftsbanken im Euro-Raum mit Zentralbankgeld vorrübergehend nicht wieder zu senken. Denn die Teuerung liegt auf dem höchsten Stand seit drei Jahren und weit über dem Zielwert der Währungshüter. Die EZB sieht die Preisstabilität bei eine Jahresteuerung knapp unter 2 Prozent gewahrt.

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„Die jüngsten Zahlen zur Inflationsentwicklung dürften den Befürwortern einer Rücknahme der vorangegangenen Zinserhöhungen durch die EZB den Wind aus den Segeln nehmen“, hatte Postbank-Volkswirt Marco Bargel deshalb prophezeit. Niedrige Zinsen verbilligen Kredite. Das erhöht die Investitionsneigung von Unternehmen und die Konsumfreude der Verbraucher – und kurbelt so die Konjunktur an. Damit befeuern niedrige Zinsen aber gleichzeitig die Inflation.

Dafür greift die EZB den Banken in der Schuldenkrise mit neuen Milliardenhilfen unter die Arme. Trichet teilte mit, dass die Zentralbank ein 40 Milliarden Euro schweres Ankaufprogramm für Pfandbriefe und andere gedeckte Anleihen auflege. Zudem können die Banken sich über neue langfristige Kreditlinien bei der EZB-Tränke mit Liquidität versorgen, da es zuletzt am Geldmarkt hakte. Beide Instrumente hatten sich bereits in der Finanzkrise bestens bewährt.

Die EZB sieht die Konjunktur der Euro-Zone im Sog der Staatsschuldenkrise in schwerem Fahrwasser: „Der Ausblick für die Wirtschaft bleibt vor allem von großer Ungewissheit und stärkeren Abwärtsrisiken geprägt.“ Zugleich werde das Wachstum nur „sehr moderat ausfallen“, betonte Trichet. Wegen der akuten Vertrauenskrise am Geldmarkt greift die EZB auf altbewährte Maßnahmen zurück und legt zwei langfristige Refinanzierungsgeschäfte auf: eines mit einer Laufzeit von zwölf Monaten im Oktober und ein weiteres über 13 Monate im Dezember. Die Banken sollten dabei so viel Geld bekommen, wie sie benötigten, und Planungssicherheit in Zeiten der Krise erhalten.

Der sogenannte 12-Monatstender hatte sich bereits in der Finanzkrise als Hilfe bewährt, da sich die Banken wegen des grassierenden Misstrauens untereinander kaum noch Geld liehen. Im Sog der Staatsschuldenkrise hakt es am Geldmarkt erneut: Insbesondere Finanzinstitute aus den schuldenbeladenen Randstaaten der Euro-Zone wie Griechenland, Irland und Portugal sind weitgehend auf den Gang zur Tränke der EZB angewiesen, da andere Banken ihnen kaum mehr Geld leihen wollen. Denn kaum jemand weiß, welche Risiken in den Bilanzen der Banken schlummern, die viele Staatsanleihen von Risikostaaten wie Griechenland in ihren Büchern haben. In der Finanzkrise legte die Notenbank insgesamt drei Zwölf-Monatstender auf: Beim ersten besorgten sich mehr als 1000 Banken aus der gesamten Euro-Zone die Riesen-Summe von 442 Milliarden Euro.

Mit einer Neuauflage ihres Pfandbrief-Ankaufprogramms kommt eine weiteres Instrument zum Einsatz, mit dem die Notenbank bereits in der Finanzkrise gute Erfahrungen machte. Zwischen Juni 2009 und Juni 2010 kaufte die EZB solche Papiere im Volumen von 60 Milliarden Euro und belebte damit den Markt. Das neue, etwas schmaler dimensionierte Programm startet im November und soll im Herbst 2012 auslaufen.

Der Ankauf dieser als sehr sicher geltenden Papiere steht im Kontrast zum umstrittenen Erwerb von Staatstiteln der Euro-Schuldenländer. Wie lange diese auch von der deutschen Notenbank heftig kritisierten Käufe in der Grauzone zwischen Geld- und Fiskalpolitik noch weitergehen sollen, ließ Trichet offen. Das Programm sei aber „temporär“ angelegt, betonte der EZB-Chef.

Auf der nächsten regulären Zinssitzung in Frankfurt im November wird dann bereits der neue Präsident Draghi im EZB-Rat das Zepter schwingen. Trichet tritt nach acht Jahren an der Spitze der Zentralbank Ende des Monats ab.

(abendblatt.de//dpa/Reuters)