Notenbanker senken ihre Inflationsprognosen. Der Leitzins bleibt wie erwartet bei 1,5 Prozent. Sogar eine Zinssenkung ist möglich.

Frankfurt,. Nach zwei Zinserhöhungen im April und Juli reagiert die Europäische Zentralbank (EZB) nun mit einer möglicherweise längeren Zinspause auf die schwächelnde Konjunktur. Zugleich ließen sich die Währungshüter etwas überraschend sogar ein Hintertürchen für Zinssenkungen in den kommenden Monaten offen. „Wir erwarten, dass der Euro-Raum moderat wachsen wird, allerdings begleitet von besonders hoher Unsicherheit und verstärkten Abwärtsrisiken. Noch vor einem Monat haben wir die Wachstumsrisiken für ausgeglichen gehalten, das ist heute nicht mehr der Fall“, sagte EZB-Präsident Jean-Claude Trichet am Donnerstag nach der vorletzten Sitzung des EZB-Rats unter seiner Führung. „Unsere Einschätzung der wirtschaftlichen Lage hat sich signifikant geändert.“

An der Preisfront gab der Franzose hingegen Entwarnung: Zwar werde die Inflationsrate in diesem Jahr noch über zwei Prozent bleiben, 2012 dann aber deutlich zurückgehen und „unter zwei Prozent fallen“, erklärte der im Spätherbst aus dem Amt scheidende Zentralbankchef in Frankfurt. Die EZB sieht stabile Preise bei einer Teuerungsrate von „knapp unter zwei Prozent„ als gegeben an. Am frühen Nachmittag hatten die Notenbanker den Leitzins für die Euro-Zone erwartungsgemäß bei 1,5 Prozent belassen – eine Entscheidung, die laut Trichet einstimmig vom EZB-Rat getroffen wurde. Am Devisenmarkt gab der Euro teilweise um mehr als einen halben Cent auf Kurse um 1,3950 Dollar nach. An der Frankfurter Börse fiel der DAX deutlich.

Bereits vor der EZB hatte am Mittag die Bank von England ihren Schlüsselzins wie erwartet bei 0,5 Prozent bestätigt. Sie hatte sich kürzlich ähnlich wie die Federal Reserve in den USA de facto darauf festgelegt, diese Politik des billigen Geldes noch etwa die nächsten beiden Jahre fortzusetzen.

In den USA denkt Notenbankchef Ben Bernanke derzeit wegen der anhaltenden Wirtschaftsflaute und der miserablen Lage auf dem Arbeitsmarkt intensiv über Vor- und Nachteile einer weiteren geldpolitischen Lockerung nach. Das nächste Treffen des entscheidenden Offenmarktausschusses der Fed wurde auf zwei Tage verlängert, unter anderem weil die Führungsspitze der Zentralbank so zerstritten ist über den weiteren geldpolitischen Kurs wie seit mehreren Jahrzehnten nicht mehr. Eine dritte Runde geldpolitischer Lockerung – im Fachjargon QE3 (quantitative easing) genannt – ist im Kampf gegen einen Rückfall in die Rezession gut denkbar.

Für die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) ist die Lage eindeutig: Die Notenbanken in den Industriestaaten sollten bei anhaltender Konjunkturflaute ihre Zinsen senken. Sollte es dafür keinen Spielraum mehr geben - wie etwa in den USA – könnten die Währungshüter weitere Eingriffe etwa auf dem Anleihenmarkt vornehmen, empfahl die Organisation am Donnerstag in ihrem Zwischenbericht zum Wirtschaftsausblick. Darin nannte sie zwar konkret keine Notenbank, dürfte aber die EZB und die Fed gemeint haben.

Deutscher Mittelstand begrüßt Zinspause der EZB

Der deutsche Mittelstand hat den Kurswechsel der Europäischen Zentralbank begrüßt. „Die Zinspause ist das richtige Signal der EZB an die Finanzmärkte“, sagte der Präsident des Dachverbandes BVMW, Mario Ohoven, am Donnerstag zu Reuters. Eine Zinserhöhung hätte die Refinanzierung der Banken verteuert und sich dadurch negativ auf die Kreditfinanzierung des Mittelstands ausgewirkt. „Eine Politik des billigen Geldes wiederum würde die Inflation anheizen“, sagte der Chef des Bundesverband mittelständische Wirtschaft (BVMW).

Nach zwei Zinserhöhungen im April und Juli legte die EZB ihre Straffung der Geldpolitik vorerst auf Eis und begründete dies vor allem mit der großen Unsicherheit und der konjunkturellen Abkühlung dem schwächen Wachstum. „Unsere Einschätzung der wirtschaftlichen Lage hat sich signifikant geändert. Diese Änderung ist natürlich bedeutend“, sagte EZB-Präsident Jean-Claude Trichet. Die Währungshüter senkten ihre Wachstumsprognosen für 2011 und 2012.

Als gefährlichen Irrweg bezeichneten die Mittelständler die EZB-Politik gegenüber den Schuldenstaaten in der Eurozone. „Der ungehemmte Ankauf von Staatsanleihen dieser Länder verstößt nicht nur gegen geltendes EU-Recht, sondern bestärkt die jeweiligen Regierungen auch noch in ihrer Politik des Schuldenmachens“, kritisierte Ohoven. „Damit muss jetzt endlich Schluss sein.“ (rtr/abendblatt.de)