Deutschland-Chef Günter Butschek über den Zukunftstarifvertrag, eine Beschäftigungsgarantie bis Ende 2020 und mögliche Warnstreiks

Hamburg. Seit mehr als einem Jahr ringen die Geschäftsführung von Airbus Deutschland und die Arbeitnehmervertretung um einen Zukunftstarifvertrag. Er soll die sogenannte Siduflex-Betriebsvereinbarung ablösen, die unter anderem eine Beschäftigungssicherung bis 2012 vorsah. Am vergangenen Freitag sollte der Durchbruch gelingen - das hatten beide Seiten gehofft. Doch es kam anders: Nach zwölf Stunden wurden die Verhandlungen abgebrochen. Nun drohen Warnstreiks.

Vor einer Woche hatte der Verhandlungsführer der IG Metall Küste, Daniel Friedrich, im Abendblatt ein neues Angebot erläutert: Einsparungen von rund einer Milliarde Euro durch Produktivitätssteigerungen bis 2020. Als Gegenleistung forderte er eine Beschäftigungssicherung für den gleichen Zeitraum. Das Unternehmen ist nun zwar bereit, Letzteres zuzusichern, doch über die Bedingungen für die Produktivitätsverbesserung einigte man sich nicht. Das Abendblatt sprach mit Günter Butschek, Produktionsvorstand des Konzerns und Chef von Airbus Deutschland, über die neue Lage.

Hamburger Abendblatt:

Woran hat es gelegen, dass am Freitag keine Einigung gefunden werden konnte?

Günter Butschek:

Der Betriebsrat und die Gewerkschaften waren untereinander unzureichend abgestimmt, daher wurden am späten Abend von ihrer Seite die Verhandlungen erfolglos abgebrochen. Wir haben ein umfassendes Angebot auf den Tisch gelegt. Das sieht unter anderem eine Beschäftigungssicherung bis Ende 2020 vor. Also für die kommenden neun Jahre! Darüber hinaus sind wir bereit, die Zeitarbeit zu begrenzen und im kommenden Jahr weitere 300 Leiharbeitskräfte zu übernehmen. Und wir geben den Auszubildenden wie bisher eine Übernahmegarantie. Das ist aus unserer Sicht ein Paket, das in der Industrie seinesgleichen sucht. Wir haben aber auch sehr deutlich gemacht, dass wir so langfristige Vereinbarungen nur eingehen können, wenn wir gleichzeitig die Produktivität verbessern und unsere Flexibilität behalten können. Hier gibt es unterschiedliche Auffassungen.

Die Arbeitnehmerseite hatte Einsparungen von gut einer Milliarde Euro bis 2020 angeboten, was einem Produktivitätsfortschritt von zwei Prozent pro Jahr entspreche. Der Konzern aber fordere acht Prozent. Ist dies der Knackpunkt?

Butschek:

Wir fordern Produktivitätseinsparungen von 1,1 Milliarden Euro. So wie es auch von der Arbeitnehmerseite im Vorfeld der Verhandlung angeboten worden ist. Leider mussten wir aber feststellen, dass keine Einigkeit darüber herrscht, wie diese Einsparungen berechnet werden. Der Betriebsrat und die IG Metall haben plötzlich eine andere Berechnungsmethode gewählt. Obwohl wir in den letzten Jahren eine genau festgelegte Methode hatten, die auch der Gesamtbetriebsrat von Airbus akzeptiert hat. Danach liegt die von der Arbeitnehmerseite angebotene Einsparung weit unter einer Milliarde Euro. Das ist im Hinblick auf unsere weitreichenden Zusagen zur Beschäftigung nicht seriös und das können wir so nicht verantworten. Wir brauchen diese Einsparungen, um im weltweiten Wettbewerb bestehen zu können.

Warum? Die Auftragsbücher von Airbus sind prall gefüllt.

Butschek:

Ein volles Auftragsbuch ist keine Garantie für eine sichere Zukunft. Niemand kann vorhersehen, wie sich die wirtschaftliche Schwäche der USA und die Euro-Schuldenkrise in den nächsten Jahren auswirken. Zudem bringen Konkurrenten aus Kanada, Brasilien, China und anderen Ländern in den Jahren bis 2020 Flugzeuge auf den Markt, die gegen die für Hamburg und für Deutschland so wichtige A320-Familie antreten. Diesen Wettbewerb müssen wir ernst nehmen - und wir müssen das bei den weitreichenden Zusagen heute schon berücksichtigen.

Gab es zumindest bei den Höchstgrenzen für die Zeitarbeit eine Annäherung?

Butschek:

In diesem Punkt sind wir uns im Grundsatz einig: Mindestens 80 Prozent der regelmäßigen Arbeiten sollen durch die fest angestellten Beschäftigten ausgeführt werden. Unterschiedlicher Auffassung sind wir in einem Detail: In Sondersituationen, also zum Beispiel in der Anlaufphase neuer Flugzeugprogramme, müssen wir mehr Flexibilität haben.

Wie geht es jetzt weiter? Bereiten Sie sich auf Warnstreiks vor?

Butschek:

Wir müssen am Verhandlungstisch weiterkommen. Wir haben ein sehr gutes Angebot gemacht. Jetzt müssen die IG Metall und der Betriebsrat Verantwortung übernehmen. Ich bin mir auch sicher, dass die Belegschaft unser Angebot attraktiv findet und mit unserem Betriebsrat in den Dialog geht. Für Warnstreiks gibt es keine Grundlage. Wir haben einen ungekündigten Tarifvertrag mit dem Namen "Sicherheit durch Flexibilität". Gegen Warnstreiks würden wir uns daher mit allen rechtlichen Mitteln wehren.