Die Telefonkonferenz des Finanzministers mit EU, IWF und EZB endete überraschend schnell. Gibt es am Dienstag den Durchbruch?
Athen. Angst geht um in Athen: Die Griechen warten darauf, dass die Geldgeber von EU und IWF endlich zurückkehren. Die Prüfer sollen urteilen, ob die Sparanstrengungen für weitere Rettungsmilliarden ausreichen. Sie fordern harte Einschnitte und die Zeit wird knapp.
Angesichts der drohenden Staatspleite kämpft die griechische Regierung mit aller Macht um die dringend benötigten Milliarden aus dem Hilfsprogramm von EU und IWF. Der griechische Finanzminister Evangelos Venizelos zeigte sich am Montag zu harten Einschnitten bereit. Dazu gehört nach seinen Worten auch die Schließung von unrentablen Unternehmen, die von staatlichen Subventionen abhängen – bis zum Jahresende.
Am Abend verhandelte Venizelos mit der „Troika“ aus EU, Internationalem Währungsfonds (IWF) und Europäischer Zentralbank (EZB). Er will die Missionschefs bewegen, ihre Arbeiten in Athen wieder aufzunehmen. Nach dem überraschend schnellen Ende der Telefonkonferenz bewertete sein Ministerium die Gespräche als „substanziell und produktiv“. Nach Angaben des Ministeriums und der EU-Kommission sollen die Gespräche am Dienstagabend fortgesetzt werden.
Im Ringen um die Freigabe weiterer Milliarden-Hilfen erwarten Vertreter des hoch verschuldeten Griechenlands nach eigenem Bekunden dann einen Durchbruch. Ein Vertreter des Finanzministeriums in Athen sagte am Montagabend, die Telefonkonferenz mit der Gläubiger-Troika aus EU-Kommission, Internationalem Währungsfonds und Europäischer Zentralbank sei besser verlaufen als erwartet. „Wir sind nahe an einer Einigung, und wir hoffen, dass wir es morgen abschließen werden.“ Die griechische Regierung werde voraussichtlich am Mittwoch zu einer Kabinettssitzung zusammenkommen und danach eine Erklärung abgeben.
Ein positiver Bericht der Troika über die Athener Budgetsanierung ist Vorbedingung für die Auszahlung der nächsten Kredittranche von acht Milliarden Euro aus dem alten Hilfsprogramm von 110 Milliarden Euro. Fließen die Milliarden nicht, droht Griechenland nach offiziellen Angaben in Athen im Oktober die Zahlungsfähigkeit.
Die Delegation hatte die Regierung Anfang September aufgefordert, noch mehr für die Sanierung der Staatsfinanzen zu tun und war überraschend ohne positives Votum aus Athen abgereist. Die Hängepartie belastete am Montag auch den Euro sowie die Aktienmärkte.
Der portugiesische Ministerpräsident Pedro Passos Coelho warnte in einem Interview mit der französischen Zeitung „Le Figaro“ vor erheblichen Folgeschäden für die gesamte EU, sollte Griechenland in den Abgrund schlittern.
Frankreichs Wirtschafts- und Finanzminister François Baroin wies am Montag erneut jegliche Spekulationen über eine mögliche Zahlungsunfähigkeit Griechenlands zurück. „Das ist keine Arbeitshypothese. Das ist nicht unsere Strategie“, sagte er nach Angaben der französischen Nachrichtenagentur AFP bei einem Treffen mit afrikanischen Amtskollegen in Paris. Ziel sei es, die Ergebnisse vom EU-Gipfel am 21. Juli umzusetzen. Auf der anderen Seite kenne die griechische Regierung ihre Pflichten, Aufgaben und Verantwortlichkeiten gegenüber den Gläubigern.
Die EU-Kommission dringt gegenüber dem hoch verschuldeten Griechenland auf die vereinbarten Spar-, Reform- und Privatisierungsziele, wie ein Sprecher von EU-Währungskommissar Olli Rehn am Montag in Brüssel bekräftigte. „Falls es Unzulänglichkeiten geben sollte, müssen weitere Maßnahmen ergriffen werden.“ Zugleich trat der Sprecher Spekulationen entgegen, wonach die EU von sich aus mehr von Athen verlange: „Wir wollen eine volle Erfüllung der vereinbarten Ziele – nicht mehr, nicht weniger.“
Aus Kreisen des Finanzministeriums hieß es, die „Troika“ fordere die Einhaltung längst gegebener Zusagen. Darunter sei der Ausgleich des Preises für Heizöl (bislang rund 90 Eurocent) mit dem Treibstoffdiesel (etwa 1,40 Euro). Zudem sollen rund 50 000 Staatsbedienstete sofort und weitere 100 000 bis 2015 entlassen werden. 117 Betriebe, die vom Staatshaushalt unterstützt werden, müssen so bald wie möglich schließen.
Zentrale weitere Maßnahme für die Sanierung der Staatsfinanzen soll die bereits angekündigte Immobilien-Sondersteuer sein. Demnach soll jeder Grieche, der eine Wohnung oder ein Haus besitzt, in diesem und im kommenden Jahr eine Abgabe zwischen 50 Cent und 16 Euro pro Quadratmeter zahlen – je nach Wert der Immobilie. Auch Renten sollen weiter gekürzt werden, hieß es.
Venizelos unterstrich den Ernst der Lage. „Die Zeit drängt. Wir müssen in wenigen Wochen Reformen durchführen, die wir Jahrzehnte lang nicht gemacht haben“, sagte er auf einer Konferenz des britischen Wirtschaftsmagazins „Economist“, die vom griechischen Fernsehen übertragen wurde. Athen plant ein Bündel von Maßnahmen: Die Staatsausgaben sollen weiter verringert, Steuerhinterziehung soll penibel erfasst werden – allerdings ist die Umsetzung angesichts der Verwaltungsmängel schwierig.
Griechenland steckt tief in der Rezession. „Die Wirtschaft wird dieses Jahr um 5,5 Prozent schrumpfen“, berichtete Venizelos. Dies habe es seit Jahrzehnten nicht gegeben. Zuvor hatte die Regierung minus 5 bis 5,3 Prozent veranschlagt.
„Wenn sie (die Troika-Vertreter) nicht heute sagen, dass sie nach Athen kommen, dann haben wir ein gewaltiges Problem“, sagte ein Mitarbeiter des Finanzministeriums am Montag. (dpa/reuters)