Deutsche Spitzenbanker sind in Alarmbereitschaft - Josef Ackermann und Ulrich Schröder sehen Zeichen für eine neuen Finanzkrise.
Frankfurt. Die Zeichen seien deutlich, sagen die deutschen Spitzenbanker - und schlagen Alarm. Heftigen Kursverluste an den Aktienmärkten, mangelndes Vertrauen der Institute untereinander - das sind die selben, düsteren Vorbedingungen wie im Herbst 2008, sagt der Deutsche Bank-Chef Josef Ackermann. Damals erreichte die Finanzkrise ihren Höhepunkt, nachdem die US-Investmentbank Lehman Brothers zusammengebrochen war. Einen Schritt weiter geht der Chef der staatlichen Förderbank KfW, Ulrich Schröder: „Die Lage ist viel dramatischer als 2008“, sagt er auf einer Bankenkonferenz. Viele Staaten wären heute wegen ihrer eigenen Schuldenprobleme nicht mehr in der Lage, Geldhäuser in einer ähnlichen Krise aufzufangen. „Die Banken sind nicht aus der Gefahrenzone heraus.“
Sind es ernste Sorgen oder nur die Vorbereitungen auf umfassende Strukturmaßnahmen innerhalb der Institute, wie einige Kommentatoren vermuten? Für die Deutsche Bank beispielsweise schloss Ackermann ein Sparpaket nicht aus - sollten die Turbulenzen an den Finanzmärkten anhalten: „Wenn es ganz negativ weitergeht wie im August, werden wir solche Maßnahmen ins Auge fassen müssen.“ Am Wochenende hatten bereits die Weltbank und der Internationale Währungsfonds (IWF) Alarm geschlagen. Weltbank-Präsident Robert Zoellick hatte angesichts von Schuldenkrise und abflauender Konjunktur erklärt, es bestehe das Risiko, „in diesem Herbst in eine neue Gefahrenzone“ zu rutschen. IWF-Chefin Christine Lagarde warnte gar vor einem Rückfall in die Rezession. Deshalb müssten etwa wachstumsfördernde Maßnahmen ergriffen werden, „um eine drohende Abwärtsspirale abzuwenden“.
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Zwar schränkte Ackermann die gezogenen Parallelen zu der Situation 2008 umgehend selbst ein, aber die Warnung traf am Montag den Nerv der Märkte. Der deutsche Leitindex brach ein. Der Dax sackte auf ein Zweijahrestief - den tiefsten Stand seit September 2009 und verlor zwischenzeitlich bis zu 5,8 Prozent. Auf der „Handelsblatt“-Tagung „Banken im Umbruch“ rechnete Ackermann am Montag in Frankfurt vor, dass der jüngste Einbruch der Aktienmärkte weltweit 5 Billionen Euro ausgemacht habe. Der deutsche Aktienmarkt habe mehr als ein Fünftel seines vorherigen Börsenwertes verloren. „Seit Jahresbeginn haben manche europäische Banken sogar ein Drittel und mehr ihrer Marktkapitalisierung eingebüßt“, sagte er. Ins Bild passe, dass die Märkte für Staatsanleihen stark schwankten, auch in Deutschland und den USA. Selbst der Aufwärtstrend des Goldpreises verlaufe nicht stetig. „All dies erinnert an den Herbst 2008, obwohl der europäische Bankensektor im Vergleich zu damals heute deutlich besser kapitalisiert und weniger von kurzfristiger Liquidität abhängig ist“, sagte Ackermann. Zudem hätten die Banken weniger Giftpapiere in ihren Bilanzen als damals, und das Risikomanagement habe sich verbessert.
Trotz der anhaltenden Sorgen an den Finanzmärkten bekennt sich Josef Ackermann, Chef der Deutschen Bank klar und deutlich zur europäischen Union. Und das, obwohl seine Branche an den milliardenschweren Rettungspaketen für Schuldensünder wie Griechenland beteiligt ist. „Die Kosten der Unterstützung schwacher Mitgliedstaaten sind auch und gerade aus der Sicht Deutschlands geringer als die Kosten der Desintegration.“ Ackermann betont, es sei eine gefährliche Illusion zu glauben, ein Land könnte sich besserstellen, wenn es sich an die EU abgegebene Souveränität zurückholt: „Wir müssen unseren Bürgern klar sagen, dass alle europäischen Staaten ohne die Europäische Union in einigen Jahren politisch wie wirtschaftlich nur noch Randfiguren in der Weltpolitik wären.“ Um einen erneuten Zusammenbruch des Finanzsystems zu verhindern, sind nach Ackermanns Überzeugung allerdings weitere Anstrengungen nötig. Damit sprach der Schweizer die Politik in Europa sowie in den konjunkturschwachen aber hoch verschuldeten Ländern USA und Japan an, aber auch die Banken. Sie seien von den Auswirkungen der Schuldenkrise in vielfältiger Weise betroffen, etwa durch ihr Engagement in den Schuldenländern. Die Aussichten für Europas Banken seien in ihren Heimatregionen nicht gerade rosig.
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Schon nach der Lehman-Pleite trauten sich die Finanzinstitute gegenseitig nicht mehr über den Weg. Auch heute leihen sich die Banken untereinander kein Geld, sondern bunkern es über Nacht bei der Europäischen Zentralbank (EZB) wie zuletzt im August 2010. Am Montag stiegen die eintägigen Einlagen bei der Notenbank von 121 Milliarden Euro am Freitag auf 151 Milliarden Euro, wie die EZB mitteilte. Dafür bekommen sie einen niedrigen Zins von aktuell 0,75 Prozent.
Ackermann sagte hingegen: „Es ist objektiv schwierig einzuschätzen, wie sich die Weltwirtschaft entwickeln wird. Zudem sei noch nicht klar, wie sich die Finanzmarktturbulenzen auf die Realwirtschaft auswirken. Eines sei angesichts der Löcher in den Staatshaushalten aber klar: Die Wirtschaftspolitik habe wenig oder gar keinen Spielraum, mit Steuersenkungen oder Subventionen gegen eine Wirtschaftsflaute vorzugehen. Er warnte davor, für die Verwerfungen an den Märkten nur einen Schuldigen auszumachen. Manche Beobachter wiesen die Schuld der vermeintlichen Unfähigkeit der Politik zu, andere der irrationalen Panik an den Märkten. Die Finanzbranche sei gut beraten, darüber nachzudenken, „inwieweit die Ursachen auch in von uns geschaffenen Strukturen, in Eigenheiten unserer Branche liegen könnten“. Allerdings werde die Nervosität an den Finanzmärkten anhalten, solange die Politik nicht klarmache, wie sie die Schuldenberge abbauen wird.
(dpa/abendblatt.de)