Die Hamburger Solarfirma verlangt 268 Millionen Euro Schadenersatz von ihren ehemaligen Spitzenmanagern.
Hamburg. Das Tagesgeschäft spielt bei Conergy, milde ausgedrückt, schon länger eine eher untergeordnete Rolle. Eine Hiobsbotschaft nach der anderen kommt aus dem Hamburger Solarunternehmen. Gestern auf der Hauptversammlung erreichte das Trauerspiel mit der Ankündigung einer Klage gegen ehemalige Vorstände des Unternehmens einen neuen Höhepunkt. Es geht um immerhin 268 Millionen Euro, die der Konzern von Hans-Martin Rüter, Heiko Piossek, Christian Langen und Albert Edelmann als Schadenersatz verlangt, eine Summe, die für das verschuldete Unternehmen angesichts seiner bereits Monate dauernden, meist vergeblichen Suche nach neuen Geldquellen nicht ganz unerheblich sein dürfte.
Der Aufsichtsrat hat die Schadenersatzklage beim Landgericht Hamburg eingereicht, teilte das Unternehmen am Freitag auf der Hauptversammlung mit. Den ehemaligen Vorstandsmitgliedern wird unter anderem vorgeworfen, für das Unternehmen existenzgefährdende Risiken eingegangen zu sein. Conergy war 2007 in eine schwere Krise geschlittert und stand kurz vor der Pleite.
Aktionärsschützer begrüßten die Klage. Sie sei "ein gutes Signal zur endgültigen Aufarbeitung der erheblichen Managementfehler der Vergangenheit", teilte die Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) mit. Der Gründer und ehemalige langjährige Vorstandschef, Hans-Martin Rüter, hatte einen Vergleich mit dem Unternehmen, das er nach Anfängen in seiner Wohnung zu einem zwischenzeitlich führenden Solaranlagenbauer aufgebaut hatte, zuvor abgelehnt. "Ich sehe im Vorgehen des Aufsichtsrats der Conergy den Versuch, durch nicht haltbare Vorwürfe im Wesentlichen Geld von der D&O-Versicherung zu erlösen sowie von eigenen eklatanten Versäumnissen abzulenken", sagte er dem Abendblatt. Eine D&O-Versicherung ist eine Manager-Haftpflichtversicherung, die ein Unternehmen für seine Organe und leitenden Angestellten abschließt. Zuvor hatten die Altvorstände bereits betont, es handele sich bei den vermeintlichen Pflichtverletzungen um falsche Unterstellungen.
Zudem habe Conergy die Forderungen "ohne fundierte Begründung schrittweise in immer absurdere Höhen getrieben", kritisierte Rüter. So wolle das Unternehmen "auf Kosten der Reputation der ausgeschiedenen Vorstände" zusätzliches Geld erzwingen. Mit dem laufenden Geschäft kann das Unternehmen, das inzwischen von Sebastian Biedenkopf und Alexander Gorski geführt wird, die Kosten schon länger nicht mehr tragen. Im ersten Halbjahr 2011 verbuchte die Gruppe einen Verlust nach Steuern von 41 Millionen Euro. Die Solarbranche leidet unter einer schwachen Nachfrage, Überkapazitäten und massivem Preisdruck durch die Konkurrenz aus Asien. Auf einer außerordentlichen Hauptversammlung im Februar 2011 war ein Refinanzierungspaket mit einer Kapitalerhöhung von 190 Millionen Euro beschlossen worden. Dadurch konnte Conergy nach eigenen Angaben seinen Schuldenberg und die Zinslasten deutlich senken und das Eigenkapital erhöhen.
Firmengründer Rüter hatte früher bereits eingeräumt, sich beim Ausbau des Unternehmens zu einem Mischkonzern mit Aktivitäten in Solartechnik, Biomasse, Windkraft und Geothermie verhoben zu haben. Er trat zurück und überließ Aufsichtsratschef und Mitgründer Dieter Ammer das Ruder, der bis Ende 2010 die Firma gesund zu schrumpfen versuchte.
Neben dem aktuellen Rechtsstreit schwelt ein Konflikt, bei dem auch Ammer ins Visier der Staatsanwaltschaft geraten ist. Die Hamburger Staatsanwaltschaft hat im Juli Anklage gegen Ammer und fünf weitere frühere Manager, darunter Rüter, erhoben. Die Behörde verdächtigt die Männer der Marktmanipulation, der Bilanzfälschung und darüber hinaus des verbotenen Insiderhandels. Die Beschuldigten sollen die Krise des Unternehmens in den Jahren 2006 und 2007 verschleiert und mit dem Verkauf eigener Conergy-Aktien insgesamt 42 Millionen Euro erlöst haben.
Auf der Hauptversammlung am Freitag ging es allerdings nicht nur um die Vorkommnisse in der Vergangenheit des Unternehmens. Die Mitarbeiter der Conergy-Fabrik in Frankfurt/Oder beklagten, sie wollten endlich Klarheit über die Zukunft ihrer Arbeitsplätze.