Es besteht der Verdacht der Bilanzfälschung und des Insiderhandels bei Conergy. Dieter Ammer und weitere Manager sind betroffen.
Hamburg. Die Hamburger Staatsanwaltschaft will nach Informationen des Abendblatts gegen sechs ehemalige Manager des Solaranlagenbauers Conergy Anklage erheben. Der Unternehmensgründer Hans-Martin Rüter, sein Verwandter Dieter Ammer, Ex-Finanzchef Heiko Piossek und drei weitere Manager oder Aufsichtsräte sollen laut der Ermittlungsbehörde entweder Bilanzfälschung oder Insiderhandel betrieben haben. Die Vorgänge reichen ins Jahr 2006 zurück. Einige der Beschuldigten stehen im Verdacht, die Zahlen geschönt und damit den Aktienkurs manipuliert zu haben.
Gegen Rüter, Ammer und Piossek wird hingegen wegen des Verdachts auf Insiderhandel ermittelt. Sie sollen Aktien des Unternehmens nach einem möglichen Aufhübschen der Bilanz, die 2007 veröffentlicht wurde, verkauft haben. Der Kurs der Papiere war zuvor wegen der veröffentlichten Kennzahlen gestiegen. Später sank der Börsenpreis der Aktie ins Bodenlose. Gestern notierte das Papier bei um die 30 Cent. In besten Zeiten lag der Kurs bei mehr als 20 Euro.
Conergy-Gründer Rüter hat das Unternehmen im November 2007 verlassen. Zuvor gab es viel Streit, vor allem mit Ammer, über die künftige Ausrichtung der Firma. Gestern sah Rüter die Anklageerhebung eher gelassen. "Ich habe die Schrift der Staatsanwaltschaft erhalten", sagte er dem Abendblatt. "Aber ich gehe fest von einem Freispruch aus. Denn zwei Wirtschaftsprüfungsgesellschaften haben uns die Vertretbarkeit und damit Richtigkeit der damaligen Bilanzierung bestätigt", so Rüter. Der umtriebige Conergy-Gründer ist inzwischen wieder an mehreren Firmen entweder ganz oder teilweise beteiligt.
Auch Ammer weist alle Anschuldigungen zurück. Er war während der betreffenden Vorgänge Vorsitzender des Aufsichtsrats von Conergy. Erst später leitete er das Unternehmen. "Die letzten Jahre habe ich mich vollständig für das Überleben der Conergy AG eingesetzt. Dies ist uns auch gelungen. Der Aufsichtsrat hat stets, auch im Krisenjahr 2007, nach Gesetz und Satzung gehandelt", sagte Ammer, der sich "mit allen juristischen Mitteln gegen die Vorwürfe zur Wehr setzen will". Seine Aufsichts- und Beiratsmandate in der deutschen Wirtschaft hat der ehemalige Chef von Tchibo und Becks Bier nach Bekanntwerden der Ermittlungen allerdings niedergelegt.
Die Verdächtigungen gehen auf zwei Strafanzeigen aus dem Jahr 2008 zurück. Die Staatsanwaltschaft durchsuchte daraufhin im Folgejahr mindestens 24 Wohn- und Bürogebäude von Conergy und dem Management. Dass das gefundene Material nun zur Erhebung einer Anklage ausreicht, wollte der Sprecher der Behörde gestern weder bestätigen noch dementieren. Denn offiziell darf die Staatsanwaltschaft ihr Handeln frühestens dann ankündigen, wenn alle Betroffenen ihre Anklageschrift erhalten und ihre Stellungnahme dazu abgegeben haben. Und das kann noch einige Tage dauern.
Neben den Vorgängen, die jetzt vor Gericht geklärt werden müssen, kam Conergy offenbar in den Folgejahren vor allem wegen unternehmerischen Fehlhandelns in die Krise. Nachdem 2007 ein Verlust von 248 Millionen Euro erwirtschaftet wurde, gab es auch danach keine Gewinne mehr - obwohl das Solarunternehmen zahlreiche Tochterfirmen verkaufte. Mit diesen Erlösen konnte der Jahresverlust aber immerhin auf zuletzt 42 Millionen Euro im Jahr 2010 verringert werden. Aber Ende des Jahres hing Conergy bereits am Tropf der Banken. Als die Geldgeber im Dezember dann auch noch eine Kreditlinie von 322 Millionen Euro kündigten, gingen bei dem Solaranlagenbauer fast schon die Lichter aus.
Doch Ammer, seit Oktober 2010 wieder im Aufsichtsrat, und Interimschef Sebastian Biedenkopf haben gekämpft und auf einer Hauptversammlung im Februar ein Rettungspaket geschnürt, das vor allem die Aktionäre schwer belastet. Nach einer Entschuldung des Unternehmens durch eine Herabsetzung und anschließende Wiederaufstockung des Grundkapitals dürften ihre Aktien noch weniger wert als heute sein. Nach diesem Schritt werden diverse Hedgefonds zu Mehrheitseigentümern von Conergy. Die Sanierung soll noch in diesem Sommer stattfinden. Bis dahin muss das Unternehmen den Geschäftsbetrieb und die Gehälter für die 1600 Mitarbeiter aus den laufenden Einnahmen finanzieren.