Jeder achte Beschäftigte in Hannover muss gehen - vermehrte Internetbuchungen als Grund. Jetzt wird mit dem Betriebsrat verhandelt.
Hannover/Hamburg. Das Sommergeschäft läuft gut, trotzdem brauen sich über der TUI-Zentrale in Hannover dunkle Wolken zusammen. Denn der Reiseveranstalter plant einen massiven Stellenabbau. Das bestätigte TUI-Sprecher Mario Köpers dem Abendblatt.
Im Zuge einer strategischen Neuausrichtung müssen vor allem jene Mitarbeiter um ihren Job fürchten, die bislang an der Zusammenstellung und Vermarktung einfacher Pauschalreisen beteiligt waren. Genaue Zahlen nannte das Unternehmen nicht, Branchenkreisen zufolge stehen etwa 400 von rund 3000 Arbeitsplätzen am Standort Hannover auf der Kippe.
Begründet wird der Abbau vor allem mit dem verschärften Wettbewerb bei Standardreisen. "Der Markt hat sich dramatisch verändert. Heute können Sie schon mit etwas Software und einem Laptop vom Hamburger Hinterhof aus einen Reiseveranstalter betreiben", erklärt Köpers. Ein paar Klicks genügen dabei, um Flugsitze, Hotelbetten und Transfers zu Pauschalangeboten zu bündeln und diese dann preisaggressiv zu vermarkten. Aufwendige Kataloge mit unflexiblen Preislisten, die früher für Reisebüros und ihre Kunden unverzichtbar waren, würden heute nicht mehr benötigt. "Neuen Anbietern fällt es leicht, uns auf diesem Feld Konkurrenz zu machen", sagt Köpers.
Die TUI Deutschland GmbH, die mit einem Jahresumsatz von etwa 3,85 Milliarden Euro das Filetstück der in London ansässigen Muttergesellschaft TUI Travel plc. ist und rund 7,7 Millionen Kunden jährlich in den Urlaub schickt, ist hierzulande klarer Marktführer. Um das auch zu bleiben, hat TUI-Deutschland-Chef Volker Böttcher seinem Unternehmen das Strategie- und Wachstumsprogramm "GET 2015" verordnet und bereits im Februar eingeräumt, dass es dabei zum Personalabbau kommen könne. Jetzt laufen die Gespräche mit dem Betriebsrat, der in einer aktuellen Stellungnahme von einer "unerlässlichen Neuausrichtung" spricht, aber zugleich gegen betriebsbedingte Kündigungen kämpfen will. Konkrete Verhandlungsergebnisse und exakte Zahlen zum Stellenabbau werden erst für Ende September erwartet.
Klar ist bereits, dass eine etwa 60-köpfige IT-Einheit, TUI Interactive genannt, von Hannover nach Berlin verlagert und dort sogar noch vergrößert wird. "Auch ein Umzug nach Hamburg war im Gespräch, doch in der Hauptstadt sehen wir das größere Potenzial. Dort hat sich inzwischen eine Art Silicon Valley der E-Commerce-Szene entwickelt", sagt Köpers.
Die Maßnahme zeigt, dass TUI den neuen Gegenspielern das Feld keineswegs kampflos überlassen will. Mit "neuen Erlösmodellen, mehr innovativen Hotelprodukten, einer Vertriebsoffensive sowie mit einer schlankeren Produktion durch einen höheren Automatisierungsgrad" will sich das Unternehmen fit machen für die Zukunft. Neben dem Ausbau des Marktanteils gehe es dabei auch um eine Steigerung der Profitabilität - im Geschäftsjahr 2009/2010 lag die Umsatzrendite bei 2,1 Prozent. "Mit den geplanten Maßnahmen schaffen wir zukunftsfähige Arbeitsplätze und sichern somit langfristig die Beschäftigung am Standort Hannover", sagt Böttcher. Aktuell seien - trotz der Krise in Nordafrika - bereits erste Erfolge sichtbar, im Sommergeschäft wuchs der Umsatz um neun Prozent.
Mittelfristig soll sich TUI Deutschland auf zwei Säulen konzentrieren. Auf der einen Seite werden Marken wie Discount Travel, 1-2-Fly und XTUI aus den am Markt verfügbaren Einzelbausteinen tagesaktuelle Pauschalreisen zusammenbauen. Auf der anderen soll mit der Kernmarke TUI das Portfolio eigener Hotels, die auf anspruchsvolle Zielgruppen zugeschnitten sind und exklusiv vermarktet werden können, deutlich ausgebaut werden. Unter den Bezeichnungen Sensimar, Puravida und Best Family wurden hier bereits erste Konzepte entwickelt. Die Zahl der von TUI gemanagten Hotels soll von 41 zu Beginn des Jahres auf knapp 140 im Jahr 2015 mehr als verdreifacht werden. "Auch Robinson wird weiter eine wichtige Rolle spielen", sagt Köpers.
Bei den Reisebüros will der Konzern ebenfalls in die Offensive gehen. Von 400 auf 800 eigene Filialen soll das Angebot steigen.
Wie wichtig rechtzeitige Weichenstellungen für Reisekonzerne sind, zeigt aktuell die Entwicklung beim TUI-Konkurrenten Thomas Cook, zu dem auch Öger Tours in Hamburg und die Fluglinie Condor gehören. Thomas-Cook-Chef Manny Fontenla-Novoa schmiss Anfang August seinen Job hin, nachdem sein Unternehmen tiefrote Zahlen für die ersten neun Monate des Jahres verkünden musste. In der Folge stürzte die Aktie um 50 Prozent ab, zudem musste über eine neue Kreditlinie verhandelt werden. Kommissarisch soll nun Sam Weinhagen die Geschäfte führen, doch ein Nachfolger wird noch gesucht. Neben Thomas-Cook-Deutschland-Chef Peter Fankhauser sind laut "Manager Magazin" auch externe Kandidaten im Gespräch. Einer davon sollTUI-Mann Volker Böttcher sein.