Schuldenkrisen und Angst um die Weltwirtschaft haben erneut die Börsen erschüttert. Auch die amerikanische Börse rutsche tief ins Minus.
Frankfurt/New York. Die Angst hat die Börsen weltweit weiterhin fest im Griff: An den hochnervösen Märkten sind die Kurse erneut abgestürzt. Der deutsche Leitindex Dax brach an diesem Schwarzen Donnerstag zeitweise um fast 7 Prozent ein und schloss mit einem Minus von 5,82 Prozent bei 5602,80 Punkten – der größte Tagesverlust in Prozent seit November
2008. An der Wall Street sackte der Dow Jones zwischenzeitlich um mehr als 4 Prozent ab. In Frankreich schoss die Aktie der Großbank Société Générale auch wegen anhaltender Gerüchte um Griechenland mehr als 12 Prozent in die Tiefe. Der Euro verlor ebenfalls derutlich an Wert. Hintergrund sind vor allem weltweiten Rezessionsängste und die Schuldenkrisen auf beiden Seiten des Atlantiks.
Schon Ende Juli und Anfang August hatte eine regelrechte schwarze Serie die internationalen Börsen in die Tiefe gerissen. Die Dimension der Kurseinbrüche hat mittlerweile das Niveau vom Herbst 2008 erreicht – also die Zeit der schweren Finanzmarktkrise im Zuge der Pleite von Lehman Brothers. Mit dem Verlust vom Donnerstag büßte der Dax nun einen großen Teil seiner Gewinne der vergangenen Woche wieder ein. Seit Anfang August verlor das Börsenbarometer mehr als 21 Prozent.
Der Dax war infolge negativer Vorgaben bereits schwach gestartet und brach am späten Vormittag plötzlich jäh ein. Unerwartet schwache Konjunkturdaten aus den USA beschleunigten die Talfahrt später noch einmal. Auch der MDax der mittelgroßen Werte und der Technologiewerte-Index TecDax sackten ab.
Am späten Vormittag hatte ein ganzer Schwall an Verkäufen im Dax-Future – das sind spekulative Wetten auf die künftige Entwicklung des Leitindex – den Dax tief ins Minus gedrückt. Als Auslöser des plötzlichen Sturzes galt zunächst eine versehentlich zu umfangreiche Verkaufsorder – ein sogenannter „Fat Finger“.
Börsianer sprechen von einem „Fat Finger Trade“ („Handel mit dickem Finger“), wenn einem Händler im temporeichen Computerhandel ein Eingabefehler unterläuft. Sie meinen damit eine fehlerhafte Wertpapier-Order, etwa durch einen Tippfehler. Werden versehentlich viel zu hohe Verkaufsaufträge gegeben, bleibt das nicht ohne Folgen für den Handel. Das trifft umso mehr bei sehr angespannten Markt-Situationen wie derzeit zu. Viele Händler in Frankfurt allerdings bezweifelten diese Version.
Verstärkend könnten sich im Computerhandel aber bestimmte Handelsoptionen auswirken: Viele Anleger geben ihrer Bank den Auftrag, Aktien automatisch zu verkaufen, sobald sie unter einen bestimmten Wert fallen – um drohende Verluste zu vermeiden. Bei fallenden Kursen gehen diese Verkäufe dann ohne menschliches Zutun über die Bühne und verstärken den Negativtrend noch. Fachleute sprechen dabei von „stop loss“ („den Verlust beenden“).
Nachrichten zu Unternehmen rückten angesichts des Dax-Absturzes in den Hintergrund. So litten die Aktien des Dax-notierten Baustoffherstellers HeidelbergCement, sie verloren 9,54 Prozent auf 29,125 Euro. Die Aktien der Commerzbank verloren 10,42 Prozent auf 1,899 Euro. Die im SDax gelisteten Titel von Air Berlin sanken in dem trüben Umfeld um 3,95 Prozent auf 2,455 Euro. Unternehmenschef Joachim Hunold tritt ab, der ehemalige Bahnchef Hartmut Mehdorn soll Interims-Nachfolger werden.
An der Wall Street in New York lag der Dow Jones Industrial bis gegen 19.00 MEZ bei minus 3,5 Prozent und knapp über 11 000 Punkten. Neben schwächer als erwartet ausgefallenen Konjunkturdaten lieferte die US-Bank Morgan Stanley mit ihrer gesenkten Prognose für das weltweite Wirtschaftswachstum einen weiteren Belastungsfaktor.
Letztlich schloss die Wall Street mit deutlichen Verlusten. Der Dow-Jones-Indey rutsche um 419 Punkte auf 10.990 Zähler, nachdem der Leitindex teilweise sogar um mehr als 500 Punkte abgestürzt war. Kaum besser erging es dem Index der Technologiebörse Nasdaq - er verlor 131,05 Punkte oder 5,2 Prozent und schloss bei 2.380.
Ein wichtiger Konjunkturindikator – der Philadelphia-Index – brach im August regelrecht ein: Das Geschäftsklima-Barometer sei von plus 3,2 Punkten im Vormonat auf minus 30,7 Punkte gefallen, teilte die regionale Notenbank von Philadelphia mit. Damit stand der sogenannte Philly-Fed-Index auf dem niedrigsten Niveau seit März 2009 – zu Zeiten der Finanzkrise.
Auch andere Börsen erlebten drastische Verluste. In Paris schoss die Aktie der Société Générale zeitweise um mehr als 13 Prozent nach unten, sie schloss am Abend mit einem Minus von 12,34 Prozent bei 21,60 Euro. Der Aktienkurs der Bank war vor wenigen Tagen schon einmal drastisch eingebrochen, dann hatte sich das Papier wieder etwas erholt. Allerdings sorgt ihr starkes Griechenland-Engagement weiter für Sorgen. Der französische Leitindex Cac 40 verlor 5,48 Prozent auf 3076 Punkte. Auch in Wien und Moskau ging es für die Märkte jeweils rund 5 Prozent in die Tiefe.
Angesichts der wachsenden Konjunktursorgen brachen auch die Ölpreise ein: Ein Barrel (159 Liter) der Nordseesorte Brent zur Oktober-Lieferung kostete zuletzt 107,48 US-Dollar – das waren 3,12 Dollar weniger als am Mittwoch.
Ein Rekordhoch gab es dagegen für deutsche Staatsanleihen, die von den Anleger-Ängsten beflügelt wurden: Der richtungweisende Euro-Bund-Future kletterte im Handelsverlauf bis auf 136,26 Punkte und damit auf den höchsten jemals erreichten Stand.
Belastet durch die Börsenturbulenzen verlor der Kurs des Euro stark: Die europäische Gemeinschaftswährung sank um mehr als zwei Cent auf 1,4275 US-Dollar. Im Vormittagshandel hatte der Euro noch zeitweise 1,4512 Dollar gekostet. Die Europäische Zentralbank (EZB) hatte den Referenzkurs auf 1,4369 (Mittwoch: 1,4477) Dollar festgesetzt. Der Dollar kostete damit 0,6959 (0,6908) Euro. „Die Verunsicherung an den Finanzmärkten ist sehr groß und darunter leidet der Euro“, sagte You-Na Park, Devisenexpertin bei der Commerzbank.
Dagegen ließ der Börsen-Einbruch den Goldpreis auf das nächste Rekordhoch klettern: In der Spitze kostete eine Feinunze (rund 31 Gramm) 1826,45 US-Dollar. Angesichts des Einbruchs flüchteten sich die Investoren weiter in „sichere Anlagen“, kommentierten Experten.