Hat allein die Ankündigung des Streiks bereits Schaden verursacht? Die Lufthansa prüft das momentan. Den Lotsen droht Ärger mit der Airline.
Frankfurt. Den streikbereiten Fluglotsen droht möglicherweise Ärger mit der Lufthansa. Juristen untersuchen, ob Deutschlands größter Airline Schadenersatz zustehen könnte. Es gehe darum, dass allein schon die Ankündigung eines Streiks zu Verunsicherungen und Problemen bei den Fluggästen geführt habe, sagte ein Konzernsprecher am Dienstag. „Wir prüfen sorgfältig, wie viel Schaden wir hatten.“ Bereits nach dem ersten Streik-Anlauf der Fluglotsen in der vergangenen Woche hatte der Dax-Konzern angekündigt, Schadenersatzansprüche zu prüfen.
Die Fluglotsen hatten zwar beim zweiten Versuch vor Gericht grünes Licht für einen Streik bekommen, nach einem Verhandlungsmarathon rief die Deutsche Flugsicherung (DFS) aber kurz nach Mitternacht die Schlichtung an. Und vereitelte damit den Ausstand wenige Stunden vor seinem geplanten Beginn: Ursprünglich wollten die Fluglotsen von 6.00 bis 12.00 Uhr bundesweit die Arbeit niederlegen. Während der Schlichtung, die voraussichtlich vier Wochen dauern wird, gilt die sogenannte Friedenspflicht – gestreikt werden darf nicht. Schlichter ist der Münchner Juraprofessor Volker Rieble.
Auswirkungen auf den Flugbetrieb hatte die kurzfristige Absage nicht. In der Hauptverkehrszeit am Morgen sei bei der Lufthansa alles „völlig reibungslos“ gelaufen, sagte ein Konzernsprecher. Die 1800 für Dienstag geplanten Flüge dürften wie vorgesehen abheben. Keine großen Probleme gab es an den Flughäfen. Am Frankfurter Flughafen seien lediglich einige Maschinen früher gestartet, sagte ein Sprecher. Vor allem Chartergesellschaften hatten bereits am Vorabend beschlossen, ihre Maschinen noch vor dem geplanten Streikbeginn in die Luft zu bringen. In München musste einem Airport-Sprecher zufolge nur einer Flug der insgesamt 1100 angesetzten Flüge annulliert werden. Auch in Stuttgart laufe der Betrieb normal, sagte ein Flughafensprecher.
Er soll es schlichten: Rechtsprofessor Volker Rieble
Der Münchner Rechtsprofessor Volker Rieble soll nach dem Willen der Deutschen Flugsicherung (DFS) bei der Schlichtung im Streit mit den Fluglotsen vermitteln. Der 49-jährige Jurist ist Inhaber des Lehrstuhls für Arbeitsrecht und Bürgerliches Recht an der Uni München sowie Direktor des Zentrums für Arbeitsbeziehungen und Arbeitsrecht (ZAAR). Getragen wird das ZAAR von einer Stiftung, die von Arbeitgeberverbänden gegründet wurde.
Einer breiteren Öffentlichkeit bekannt ist der Freund klarer Worte durch seine Äußerungen im Fall der gefeuerten Berliner Supermarktkassiererin Babara E., bekannt als „Emmely“. Rieble bezeichnete die Frau, die zwei von Kunden verlorene Pfandbons zu ihren Gunsten eingelöst haben soll, in einem Aufsatz als „notorische Lügnerin“. Die Kassiererin hatte in ihrem Prozess Kolleginnen bezichtigt, ihr die Pfandbons untergeschoben zu haben. Die DGB-Gewerkschaften reizte er mit kontroversen Expertisen zur Zeitarbeit.
Klare Position bezog Rieble, der in Freiburg Rechtswissenschaften und Volkswirtschaft studierte, auch in den jüngsten Plagiatsaffären. So bescheinigte er unlängst Niedersachsens Kultusminister Bernd Althusmann (CDU), sich bei seiner Doktorarbeit großzügig bei fremden Quellen bedient zu haben, ohne dies deutlich zu machen – die Universität Potsdam untersucht derzeit den Fall.
Die Gewerkschaft der Flugsicherung (GdF) äußerte Vorbehalte, weil sich mit Rieble ein Jurist an der Schlichtung versuchen soll. Es seien eher vermittelnde Fähigkeiten gefragt, sagte Verhandlungsführer Dirk Vogelsang. Die seien eher bei Ex-Politikern zu finden. Die Tarifpartner dürfen jeweils abwechselnd den Schlichter für die jeweilige Tarifrunde benennen. Die GdF hatte zuletzt die ehemalige Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin (SPD) gestellt. (rtr/dpa)