Nach dem Sex-Skandal bei der Ergo-Versicherungsgruppe versucht deren Chef Torsten Oletzky den Befreiungsschlag. Doch bei seiner Skandal-Bilanz wird ein neues Gerücht bekannt.

Düsseldorf. Verhaltenskodex für Vertreter, verdeckte Beratungstests und ein Anwalt für unzufriedene Kunden: Nach dem Sex-Skandal und einer nicht abreißenden Serie von Vorwürfen versucht Ergo-Chef Torsten Oletzky den Befreiungsschlag. Bei seiner Bilanz der internen und externen Untersuchungen stellt er am Mittwoch in Düsseldorf einen Maßnahmenkatalog vor, der allerdings überwiegend bereits bekannt ist. Von Wirtschaftsprüfern lässt sich Oletzky die Schulnote „Gut“ für die Aufklärung bescheinigen.

Einen radikalen Schnitt wie Rupert Murdoch wagt Oletzky aber nicht: An eine Auflösung des umstrittenen Strukturvertriebs der Hamburg Mannheimer (HMI), der zehn Prozent des Neugeschäfts in Deutschland abliefert, denke er nicht. Zugleich schließt er nicht aus, dass das Ende der Fahnenstange mit immer neuen Vorwürfen noch nicht erreicht ist. Nur Minuten später soll er Recht behalten.

Für die betriebliche Altersvorsorge soll sich der zweitgrößte deutsche Versicherer mit finanzieller „Landschaftspflege“ Zugang zu Personalabteilungen und Betriebsräten verschafft haben, haben Journalisten gehört. Dafür gebe es bislang keine ausreichend konkreten Anhaltspunkte, heißt es vom Podium, vor dem sich weit mehr Journalisten als zu den regulären Bilanz-Vorstellungen des Unternehmens drängen.

Die erfahren, dass die Sex-Sause nach Budapest 83 000 Euro gekostet hat und nun rückwirkend von der Ergo-Eigentümerin, der weltgrößten Rückversicherung Munich Re bezahlt wird. Den Versicherungsnehmern wurde der Betrag bei der Überschussbeteiligung gutgeschrieben. Außerdem habe die Ergo-Holding einen Betrag in gleicher Höhe einem Frauenhaus gespendet.

Vor der Ergo-Zentrale war am Mittwoch ein Polizeiaufgebot in Stellung gegangen. Aber nur eine Hand voll Spaß-Demonstranten nahm die Sex-Sause auf die Schippe. Blondine „Natasha“ schlürfte im Bademantel Sekt, und der NRW-Landeschef der Satire-Gruppe „Die Partei“, Mark Benecke, erklärte: „Wir sind Brüder im Whirlpool.“ Es gehe darum, Anreize zu schaffen und sie von anderen bezahlen zu lassen.

Drinnen bemüht sich Oletzky vergeblich, sich die Details des Treibens seiner Top-Vertreter in Budapest zu ersparen. Dort waren die altehrwürdigen Gellert-Thermen mit Himmelbetten in ein Bordell verwandelt worden. 20 Prostituierte verwöhnten die erfolgreichsten Vertreter des Hamburg Mannheimer Strukturvertriebs.

Ja, es habe Armbändchen für die Prostituierten gegeben, aber nicht farblich gestaffelt nach Firmen-Hierarchie. Ob die Damen nach jedem sexuellen Dienst am Vertreter einen Stempel auf den Arm erhielten, darüber gebe es unterschiedliche Aussagen. Andere Teilnehmer hätten von einer „Strichliste“ berichtet. Sex-Darbietungen auf einer Bühne habe es definitiv nicht gegeben.

Natürlich sei die Reise „gänzlich inakzeptabel“ gewesen. „Das ist den Organisatoren auch bewusst gewesen, denn sie haben sich alle Mühe gegeben, keine Spuren zu hinterlassen“, so der Vorstandschef.

Man habe die Vorwürfe, die bereits am 20. April in einer Zeitungsanzeige publiziert wurden, unterschätzt, räumt Oletzky ein. „Viele Vorwürfe hatten einen wahren Kern.“ Erstmals gibt er zu, dass hinter den Vorwürfen ein Streit um finanzielle Ansprüche ehemaliger Vertreter steckt. Klein beigeben will er angesichts der wochenlangen Negativ-Schlagzeilen aber nicht: „Unberechtigte Ansprüche werden wir nicht erfüllen, auch wenn jemand dann zur Presse geht.“

Die Aufklärung bei Ergo geht unterdessen weiter. Nächste Woche bekommt Oletzky Besuch: Die Finanzaufsicht BaFin hat sich zu einer Prüfung angekündigt.