Die Europäische Zentralbank hat wie erwartet den Leitzins angehoben. Ratenkredite und Baugeld dürften aber nicht teurer werden.
Hamburg. Es könnte die letzte Leitzinserhöhung unter der Regie von Jean-Claude Trichet gewesen sein: Die Europäische Zentralbank (EZB) hat ihren sogenannten Hauptrefinanzierungssatz, zu dem sich Banken im Euro-Raum Geld von der Notenbank leihen können, gestern wie erwartet von 1,25 auf 1,50 Prozent hochgesetzt. Dies war aus Sicht des EZB-Präsidenten trotz der anhaltenden Schuldenkrise unumgänglich, um die Preissteigerung unter Kontrolle zu halten.
Denn die Inflationsrisiken blieben "aufwärtsgerichtet", und diese Entwicklung werde man "genau beobachten", sagte Trichet. Diese Schlüsselwörter gelten bei Beobachtern der Notenbank als Hinweis auf eine weitere Zinsanhebung noch in diesem Jahr. Da sich zuletzt jedoch die Inflationsrate stabilisiert habe und das Wirtschaftswachstum gerade eine kleine Pause einlege, "wird die EZB mit dem nächsten Zinsschritt aber voraussichtlich bis Dezember warten", erwartet Christian Schulz, Volkswirt beim Hamburger Bankhaus Berenberg. Anfang November löst der Italiener Mario Draghi den bisherigen "Mr. Euro" Jean-Claude Trichet ab - und könnte gleich zu Beginn der Amtszeit seine Entschlossenheit im Hinblick auf die Stabilität der Gemeinschaftswährung demonstrieren.
Für Sparer ist die jüngste Leitzinserhöhung, die zweite in diesem Jahr, jedenfalls ein gute Nachricht. Die Geschäftsbanken würden bei den Tagesgeld-Konditionen nachziehen, sagte Max Herbst, Inhaber der FMH Finanzberatung in Frankfurt, dem Abendblatt: "Die nächste Erhöhungsrunde wird kommen." Schon seit der vorigen Leitzinsanhebung im April hätten die Banken ihre Tagesgeldzinsen im Schnitt um 0,33 Prozentpunkte erhöht - also stärker als die EZB ihren Hauptrefinanzierungssatz. Nach Auffassung von Herbst hat dies mit den neuen, strengeren Eigenkapitalanforderungen für die Kreditinstitute (Basel III) zu tun: "Sie sammeln lieber mehr Kundengelder ein, als sich zum Beispiel über Anleihen zu refinanzieren."
Einige Institute, darunter die Commerzbank, haben allerdings den Schritt der EZB bereits vorweggenommen. Bei manchen Direktbanken gibt es 2,5 oder gar 2,6 Prozent auf das Tagesgeld, in der Regel jedoch nur für Neukunden.
Auf der Sollseite wird der Dispo-Zins nach Einschätzung des Finanzexperten Herbst wahrscheinlich ebenfalls anziehen, weil er an den sogenannten Euribor gekoppelt ist. Dies ist ein Zins, zu dem sich Banken untereinander Geld leihen. Er liegt üblicherweise etwas oberhalb des EZB-Leitzinses. Auch die Dispo-Konditionen haben laut FMH seit April bereits angezogen, wenn auch nur vergleichsweise geringfügig von rund 11,22 auf nun gut 11,3 Prozent. "Bei den Ratenkrediten wird sich dagegen wohl nichts tun", meint Herbst. Dafür werde der harte Wettbewerb sorgen.
Auch Eigenheimkäufer könnten unbesorgt sein: "Die Hypothekenkredite haben mit den EZB-Entscheidungen nichts zu tun, ihre Konditionen richten sich nach den langfristigen Anleihen." Es sei sogar nicht ungewöhnlich, dass die Baukredite nach einer Leitzinsanhebung in den nächsten Wochen erst einmal etwas günstiger würden und sich später wieder verteuern. Die Begründung dafür: Wenn die Notenbank etwas gegen die Inflationsbefürchtungen der Investoren tut, sinken die Anleihezinsen.
Wie schon häufig zuvor rief der Zinsschritt der EZB auch Kritik hervor. Die Entscheidung sei "grob fahrlässig", sagte Claus Matecki, Vorstandsmitglied des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB) mit Blick auf die Schuldenkrise: "Bereits ohne diese Zinserhöhung befinden sich die Krisenländer wie Griechenland und Portugal am ökonomischen, sozialen und politischen Abgrund." Ihre Lage werde sich nun weiter verschlechtern.
Auf der anderen Seite liege der Leitzins für die relativ stark wachsende Wirtschaft in Deutschland noch immer viel zu niedrig, sagte Bernd Schimmer, Leiter der Wertpapieranalyse bei der Haspa: "Gemessen an den Verhältnissen in Deutschland wäre ein Zins um die drei Prozent angemessen."
Abgesehen von der Zinsentscheidung verkündete Trichet gestern eine Entlastung für das nach einer Herabstufung seiner Kreditwürdigkeit durch die Rating-Agentur Moody's unter Druck stehende Portugal. "Wir haben beschlossen, die Mindestanforderung für das Kredit-Rating auszusetzen", sagte Trichet. Damit können portugiesische Banken auch künftig Staatsanleihen ihres Landes als Sicherheit bei der EZB hinterlegen und sich im Gegenzug mit frischem Geld eindecken. Moody's hatte diese Anleihen zuvor auf Ramschniveau herabgestuft.