Der Inflationsdruck wächst, der Leitzins steigt. Die EZB erhöhte ihn heute auf 1,5 Prozent. Volkswirte erwarten eine weitere Erhöhung.
Brüssel. Die Europäische Zentralbank (EZB) zieht die Zügel weiter an. Wegen des anhaltenden Inflationsdrucks wird der Leitzins im Euro-Raum wie erwartet um 0,25 Prozentpunkte auf 1,5 Prozent erhöht. Das teilte die EZB nach ihrer Ratssitzung am Donnerstag in Frankfurt mit. Allerdings bremst die Schuldenkrise in mehreren Euroländern Europas Währungshüter auf ihrem Kurs zu höheren Zinsen: Teures Geld ist Gift für die lahmende Wirtschaft der Pleitekandidaten Griechenland oder Portugal. Mit dem zweiten kleinen Zinsschritt binnen drei Monaten setzen die Währungshüter ihren allmählichen Ausstieg aus der Krisenpolitik des extrem billigen Geldes fort. Zuvor hatte der wichtigste Zins zur Versorgung der Kreditwirtschaft mit Zentralbankgeld seit Mai 2009 auf dem Rekordtief von 1,0 Prozent verharrt.
Volkswirte erwarten trotz der lodernden Staatsschuldenkrise in Griechenland und anderen Euroländern mindestens eine weitere Zinserhöhung in diesem Jahr. „Da sich die Inflationsrate stabilisiert und das Wirtschaftswachstum gerade eine kleine Pause einlegt, wird die EZB mit dem nächsten Zinsschritt aber voraussichtlich bis Dezember warten“, prognostizierte Berenberg-Ökonom Christian Schulz. Bis dahin wird Mario Draghi den bisherigen EZB-Präsidenten Jean-Claude Trichet als „Mr. Euro“ abgelöst haben. Der Italiener könnte mit einer Zinserhöhung zur Amtsübernahme ein Zeichen setzen. In Deutschland und anderen Ländern gibt es Vorbehalte, ob auch ein Südländer der Stabilität der gemeinsamen Währung absoluten Vorrang einräumen wird.
Zuletzt hatten vor allem die Preise für Energie und Nahrungsmittel kräftig angezogen. Im Juni lag die jährliche Teuerungsrate in den 17 Euro-Ländern daher bei 2,7 Prozent und damit deutlich über dem von der EZB formulierten Stabilitätsziel von knapp unter 2 Prozent. Höhere Zinsen helfen im Kampf gegen die Inflation: Kredite werden tendenziell teurer, das mindert die Neigung von Unternehmen und Verbrauchern, auf Pump zu investieren und zu konsumieren. Da die deutsche Wirtschaft brummt, halten Volkswirte höhere Zinsen schon seit längerem für erforderlich, um eine Überhitzung mit Blasenbildungen an den Märkten zu vermeiden.
Andererseits könnten höhere Zinsen die Wirtschaftserholung in den europäischen Schuldenländern zusätzlich erschweren. Dort bremsen rigide Sparauflagen den Aufschwung ohnehin. Die britische Notenbank hält ihren Leitzins unverändert auf dem Rekordtief von 0,5 Prozent.
Das ist die europäische Zentralbank
Die Europäische Zentralbank (EZB) wurde am 1. Juli 1998 gegründet. Sie hat ihren Sitz in Frankfurt am Main. Erster Präsident der EZB war der Niederländer Wim Duisenberg, seit November 2003 steht der Franzose Jean-Claude Trichet an der Spitze der übernationalen Institution. Seine Amtszeit dauert noch bis Ende Oktober. Nachfolger wird der Italiener Mario Draghi. Höchstes Beschlussgremium der Europäischen Zentralbank ist der EZB-Rat. Er besteht aus den sechs Mitgliedern des Direktoriums und den 17 Präsidenten der nationalen Zentralbanken des Euro-Währungsraums. Deutschland wird von Bundesbankpräsident Jens Weidmann vertreten.
Die wichtigste Aufgabe des Rates ist die Geldpolitik des gemeinsamen Währungsraums. Bei den Sitzungen des Rates werden auch die Zinssätze festgelegt, zu denen sich Geschäftsbanken Geld von der Zentralbank beschaffen können. Somit beeinflusst der Rat die Zinssätze, die die Banken von ihren Kreditkunden verlangen oder den Sparern zahlen.
(dpa)